Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil II  1955  Nr. 17 vom 01.08.1955  - Seite 755 bis 758 - Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern

Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern Nr. 17 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 1. August 1955 755 Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern. Vom 27. Juli 1955. Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Dem in Bonn am 4. Oktober 1954 unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern sowie dem gleichzeitig unterzeichneten Schlußprotokoll wird zugestimmt. Artikel 2 (1) Das Abkommen nebst Schlußprotokoll wird nachstehend mit Gesetzeskraft veröffentlicht. (2) Der Tag, an dem das Abkommen nach seinem Artikel 12 Abs. 1 und das Schlußprotokoll in Kraft treten, ist im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben. Artikel 3 Dieses Gesetz gilt auch im Land Berlin, wenn das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes feststellt. Artikel 4 Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Bonn, den 27. Juli 1955. Der Bundespräsident Theodor Heuss Der Bundeskanzler Adenauer Der Bundesminister der Finanzen Schäffer Der Bundesminister des Auswärtigen von Brentano 756 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1955, Teil II Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich sind, von dem Wunsche geleitet, auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern die Doppelbesteuerung zu vermeiden, übereingekommen, das nachstehende Abkommen abzuschließen. Zu diesem Zweck haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland: den Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen W. Mersmann, Der Bundespräsident der Republik Österreich: den Sektionschef Dr. J. Stangelberger und den Ministerialrat Dr.O. Watzke des Bundesministeriums für Finanzen. Die Bevollmächtigten haben nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart: Artikel 1 (1) Durch dieses Abkommen soll vermieden werden, daß Nachlaßvermögen von Erblassern, die zur Zeit ihres Todes in einem der beiden oder in beiden Vertragstaaten ihren Wohnsitz hatten, in beiden Staaten zur Erbschaftsteuer herangezogen wird. (2) Eine natürliche Person hat einen Wohnsitz im Sinne dieses Abkommens in dem Vertragstaat, in dem sie eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Wenn sie in keinem der Vertragstaaten einen Wohnsitz hat, gilt als Wohnsitz der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes. Artikel 2 (1) Erbschaftsteuern im Sinne dieses Abkommens sind: 1. in der Bundesrepublik Deutschland: die Erbschaftsteuer, soweit ihr Erwerbe von Todes wegen oder Zweckzuwendungen von Todes wegen unterliegen; 2. in der Republik Österreich: die Erbschaftsteuer, soweit ihr Erwerbe von Todes wegen oder Zweckzuwendungen von Todes wegen unterliegen. (2) Das Abkommen ist auf jede andere ihrem Wesen nach gleiche oder ähnliche Steuer (auch Nachlaßsteuer) anzuwenden, die nach seiner Unterzeichnung von einem der Vertragstaaten eingeführt wird. (3) Die obersten Finanzbehörden der Vertragstaaten werden sich gegenseitig über die Einführung neuer Steuern, über wesentliche Änderungen oder die Aufhebung bestehender Steuern, die von diesem Abkommen betroffen werden, unterrichten. Artikel 3 (1) Unbewegliches Nachlaßvermögen (einschließlich des Zubehörs), das in einem der Vertragstaaten liegt, wird nur in diesem Staate besteuert. (2) Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen, das in einem der Vertragstaaten liegt, sowie Rechte, die durch Pfandrecht an einem solchen Vermögen gesichert sind oder die auf ihm lasten, werden nur in diesem Staate besteuert. (3) Zum unbeweglichen Vermögen gehört auch das unbewegliche Betriebsvermögen. Artikel 4 Für Nachlaßvermögen, das in einem der Vertragstaaten dem Betrieb eines gewerblichen Unternehmens dient, gilt folgendes: 1. Hat das Unternehmen eine Betriebstätte nur in einem der Vertragstaaten, so wird dieses Vermögen nur in diesem Staate besteuert. •2. Hat das Unternehmen Betriebstätten in beiden Vertragstaaten, so wird das Vermögen in jedem der beiden Staaten insoweit besteuert, als es der in diesem Staate liegenden Betriebstätte dient. Artikel 5 Für Nachlaßvermögen, das nicht nach Artikel 3 oder Artikel 4 zu behandeln ist, gilt folgendes: 1. Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes nur in einem der Vertragstaaten seinen Wohnsitz, so wird dieses Nachlaßvermögen nur in diesem Staate besteuert. 2. Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes in beiden Vertragstaaten einen Wohnsitz, so wird das Nachlaßvermögen nur. in dem Staate besteuert, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Erblassers bestanden (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht festzustellen ist, werden die obersten Finanzbehörden der Vertragstaaten sich nach Artikel 10 verständigen. Artikel 6 (1) Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem in Artikel 3 oder Artikel 4 bezeichneten Nachlaßvermögen stehen oder auf ihm sichergestellt sind, werden auf dieses Vermögen angerechnet. Sonstige Schulden werden auf das nach Artikel 5 zu behandelnde Vermögen angerechnet. (2) Wenn Nachlaßvermögen der in Artikel 3 oder Artikel 4 bezeichneten Art in beiden Vertragstaaten zu versteuern ist, so sind Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem in dem einen Staate zu versteuernden Vermögen dieser Art stehen oder auf ihm sichergestellt sind, zunächst auf dieses Vermögen anzurechnen. Ein nicht gedeckter Rest wird auf das übrige in diesem Staate zu versteuernde Nachlaßvermögen angerechnet. Wenn in diesem Staate kein anderes Nachlaßvermögen zu versteuern ist, oder wenn sich bei der Anrechnung wieder eine Überschuldung ergibt, dann sind die restlichen Schulden auf das Nachlaßvermögen in dem anderen Staat anzurechnen. (3) Absatz 2 Sätze 2 und 3 gelten sinngemäß, wenn sich nach Absatz 1 Satz 2 in einem der Vertragstaaten eine Überschuldung ergibt. Artikel 7 Dieses Abkommen schließt nicht aus, daß jeder Staat die Steuer von dem ihm zur Besteuerung überlassenen Teil des Nachlaßvermögens oder Erwerbs nach dem Satz erheben kann, der dem Wert des gesamten Nachlasses oder des gesamten Erweibs entspricht. Nr. 17 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 1. August 1955 757 Artikel 8 (1) Weist eine Person nach, daß Maßnahmen der Finanzbehörden der Vertragstaaten für sie die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, die den Grundsätzen dieses Abkommens widerspricht, so kann sie sich, unbeschadet eines innerstaatlichen Rechtsmittels, an die oberste Finanzbehörde des Vertragstaates wenden, in dem sie ihren Wohnsitz hat. (2) Werden die Einwendungen für begründet erachtet, so soll die nach Absatz 1 zuständige oberste Finanzbehörde versuchen, sich mit der obersten Finanzbehörde des anderen Staates zu verständigen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Artikel 9 Die obersten Finanzbehörden der Vertragstaaten werden sich die Mitteilungen machen, die nach den Steuergesetzen der beiden Vertragstaaten verlangt werden können und die erforderlich sind, um dieses Abkommen durchzuführen, insbesondere um Staaerverkürzungen zu verhindern. Der Inhalt dieser Mitteilungen ist geheim zu halten und nur solchen Personen zugänglich zu machen, die nach den gesetzlichen Vorschriften bei der Veranlagung und Erhebung der Steuern im Sinne dieses Abkommens mitwirken. Artikel 10 (1) Die obersten Finanzbehörden der Vertragstaaten können bei der Behandlung von Fragen, die sich aus diesem Abkommen ergeben, unmittelbar miteinander verkehren. (2) Zur Beseitigung von Schwierigkeiten und Zweifeln, die bei der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens auftreten, sowie zur Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind, und vor Erlaß von Durchführungsbestimmungen in den Vertragstaaten werden sich die obersten Finanzbehörden gegenseitig ins Einvernehmen setzen. Artikel 11 Dieses Abkommen gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Regierung der Republik Österreich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Abkommens eine gegenteilige Erklärung abgibt. Artikel 12 (1) Dieses Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald wie möglich in Wien ausgetauscht werden. Das Abkommen tritt mit dem Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft und ist auf alle Fälle, in denen der Erblasser nach diesem Zeitpunkt verstorben ist, anzuwenden. Auf Fälle, in denen der Erblasser bis zu diesem Zeitpunkt verstorben ist, ist der Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Österreich vom 28. Mai 1922 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Abgaben von Todes wegen weiterhin anzuwenden. (2) Dieses Abkommen soll so lange in Geltung bleiben, als es nicht von einem der Vertragstaaten gekündigt wird. Wird mindestens drei Monate vor Ablauf eines Kalenderjahres gekündigt so verliert das Abkommen mit dem 1. Januar des nächstfolgenden, andernfalls mit dem 1. Januar des zweitfolgenden Jahres seine Wirksamkeit. ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten beider Staaten dieses Abkommen unterfertigt und mit Siegeln versehen. GESCHEHEN in doppelter Urschrift zu Bonn am 4. Oktober 1954. Für die Bundesrepublik Deutschland gezeichnet: W. Mersmann Für die Republik Österreich gezeichnet: Dr. J. Stangelberger Dr.O. Watzke 758 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1955, Teil II Schlußprotokoll Bei der Unterzeichnung des heute zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern haben die unterzeichneten Bevollmächtigten folgende übereinstimmende Erklärung abgegeben, die einen integrierenden Teil des Abkommens selbst bildet: Zu Artikel 1 1. Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieses Abkommens hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Zu Artikel 2 2. Die obersten Finanzbehörden im Sinne dieses Abkommens sind in der Bundesrepublik Deutschland der Bundesminister der Finanzen, in der Republik Österreich das Bundesministerium für Finanzen. 3. Die obersten Finanzbehörden der beiden Vertragstaaten werden sich ins Einvernehmen setzen, wenn Zweifel entstehen sollten, auf welche künftigen Steuern das Abkommen anzuwenden ist. Es besteht Übereinstimmung zwischen den Vertragstaaten, daß sich das Abkommen nicht auf Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden erstrecken soll. Zu Artikel 3 4. Artikel 3 gilt auch für Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Vertragstaaten über Grundstücke unterliegen. 5. Ob ein Vermögensgegenstand als unbeweglich anzusehen ist, richtet sich nach dem Steuerrecht des Vertragstaates, in dem der Gegenstand liegt. Was als Zubehör gilt, richtet sich nach dem Steuerrecht des Vertragstaates, in dem sich das unbewegliche Nachlaßvermögen befindet. Zu Artikel 4 6. Der Begriff "Betriebstätte" richtet sich nach den Vorschriften des am 4. Oktober 1954 zwischen den Vertragstaaten abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern. 7. Wie Vermögen im Sinne des Artikels 4 werden behandelt: a) Beteiligungen an gesellschaftlichen Unternehmen mit Ausnahme von Aktien, Kuxen, Anteilscheinen und sonstigen Wertpapieren sowie von Anteilen an Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung; b) Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter, wenn mit der Einlage eine Beteiligung am Vermögen des Unternehmens verbunden ist. Zu Artikel 5 8. Nach Artikel 5 sind auch zu behandeln: a) Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter, wenn mit der Einlage keine Beteiligung am Vermögen des Unternehmens verbunden ist; b) Nachlaßvermögen der in Artikel 3 bezeichneten Art, das in keinem der Vertragstaaten liegt; c) Nachlaßvermögen der in Artikel 4 bezeichneten Art, das keiner Betriebstätte in einem der Vertragstaaten dient Zu den Artikeln 3 bis 7 9. Das Abkommen berührt nicht den Anspruch auf etwaige weitergehende Befreiungen, die nach allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder besonderen Vereinbarungen den diplomatischen oder konsularischen Beamten zustehen. Soweit auf Grund solcher weitergehenden Befreiungen Nachlaßvermögen im Empfangstaate nicht besteuert wird, bleibt die Besteuerung dem Entsendestaate vorbehalten. Zu Artikel 8 10. Artikel 8 gilt auch für juristische Personen sowie für Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die als solche der Besteuerung wie eine juristische Person unterliegen. Bei ihnen tritt an Stelle des Wohnsitzes der Ort ihrer Geschäftsleitung oder, wenn sie in keinem der Vertragstaaten den Ort ihrer Geschäftsleitung haben, der Ort ihres Sitzes in einem der Vertragstaaten GESCHEHEN in doppelter Urschrift zu Bonn am 4. Oktober 1954. Für die Bundesrepublik Deutschland gezeichnet: W. Mersmann Für die Republik Österreich gezeichnet: Dr. J. Stangelberger Dr. O. Watzke