Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2002  Nr. 60 vom 27.08.2002  - Seite 3344 bis 3346 - Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung

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3344 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 60, ausgegeben zu Bonn am 27. August 2002 Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung Vom 21. August 2002 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Strafgesetzbuches Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2787), wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 66 folgende Angabe eingefügt: ,,§ 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung". 2. In § 66 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und 2 wird jeweils das Wort ,,zeitiger" gestrichen. 3. Nach § 66 wird folgende Vorschrift eingefügt: ,,§ 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (1) Ist bei der Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, ob der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist, so kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 erfüllt sind. (2) Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit § 454b Abs. 3 der Strafprozessordnung, möglich ist. Es ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. (3) Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung darf erst nach Rechtskraft der Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 ergehen. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 offensichtlich nicht vorliegen." Artikel 2 Änderung der Strafprozessordnung Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018), wird wie folgt geändert: 0. In der Inhaltsübersicht wird in den Angaben zum Zweiten Buch die Angabe ,,Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende §§ 276 bis 295" durch die Angaben ,,Siebenter Abschnitt. Verfahren über die Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 60, ausgegeben zu Bonn am 27. August 2002 Entscheidung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung § 275a" und ,,Achter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende §§ 276 bis 295" ersetzt. 1. (entfällt) 3345 darf im Rahmen des Strafvollzugs nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein." 4b. Der bisherige siebente Abschnitt wird neuer achter Abschnitt. 5. § 454 Abs. 2 Satz 3 bis 6 wird durch folgenden Satz ersetzt: ,,Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist." Artikel 3 1a. In § 246a Satz 1 werden nach den Wörtern ,,oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet" die Wörter ,,oder vorbehalten" eingefügt. 2. In § 260 Abs. 4 Satz 4 werden nach den Wörtern ,,Wird die" die Wörter ,,Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die" eingefügt. § 267 Abs. 6 Satz 1 wird wie folgt gefasst: ,,Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist." 4. Nach § 268c wird folgender § 268d eingefügt: ,,§ 268d Wird in dem Urteil die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 des Strafgesetzbuches einer weiteren gerichtlichen Entscheidung vorbehalten, so belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über den Gegenstand der weiteren Entscheidungen sowie über den Zeitraum, auf den sich der Vorbehalt erstreckt." 4a. Nach § 275 wird folgender neuer siebenter Abschnitt eingefügt: ,,Siebenter Abschnitt Verfahren über die Entscheidung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung § 275a (1) Das Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung. (2) Die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft bei dem Gericht des ersten Rechtszuges. Diese übergibt die Akten binnen einer Woche dem Vorsitzenden des Gerichts. (3) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung zur Entscheidung über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 66a des Strafgesetzbuches) gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist. (4) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das Urteil, soweit es für die Entscheidung über den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme. (5) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Der Gutachter 3. (entfällt) Artikel 4 Änderung des Bundeszentralregistergesetzes Das Bundeszentralregistergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1406), wird wie folgt geändert: 1. In § 5 Abs. 1 Nr. 7 werden nach den Wörtern ,,selbständig angeordneten" die Wörter ,,oder vorbehaltenen" eingefügt. In § 12 Abs. 1 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer angefügt: ,,9. Entscheidungen über eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung." 3. In § 32 Abs. 2 wird in Nummer 11 der Punkt durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 12 angefügt: ,,12. die vorbehaltene Sicherungsverwahrung, falls von der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtskräftig abgesehen worden ist." Artikel 5 Änderung des Gerichtskostengesetzes Nummer 6110 Buchstabe c der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), das zuletzt durch Artikel 28 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst: Gebührenbetrag oder Satz der Gebühr 6110, soweit nichts anderes vermerkt ist 2. Nr. Gebührentatbestand ,,c) Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung .................... Die Gebühr entsteht auch bei Anordnung der Sicherungsverwahrung im Verfahren nach § 275a StPO. 41,00 EUR". 3346 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 60, ausgegeben zu Bonn am 27. August 2002 Artikel 6 ,,Für die Tätigkeit im Verfahren über die Entscheidung über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 275a der Strafprozessordnung) erhält der Rechtsanwalt die Gebühren gesondert." Artikel 7 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Dem § 87 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2144) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt: Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 21. August 2002 Der Bundespräsident Johannes Rau Der Bundeskanzler Gerhard Schröder Die Bundesministerin der Justiz Däubler-Gmelin