Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2005  Nr. 71 vom 25.11.2005  - Seite 3178 bis 3180 - Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union

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3178 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 25. November 2005 Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union Vom 17. November 2005 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Europa über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit herbeizuführen ist. (3) Hat der Bundestag oder der Bundesrat eine begründete Stellungnahme beschlossen, so übermittelt der jeweilige Präsident diese an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission und setzt darüber die Bundesregierung in Kenntnis. §3 Subsidiaritätsklage (1) Die Bundesregierung unterrichtet Bundestag und Bundesrat frühestmöglich über den Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union, spätestens jedoch eine Woche nach Veröffentlichung des Europäischen Gesetzgebungsakts. Diese Unterrichtung enthält auch eine Bewertung, ob die Bundesregierung den Gesetzgebungsakt mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel I-11 Abs. 3 des Vertrags über eine Verfassung für Europa für vereinbar hält. (2) Auf Antrag einer Fraktion beschließt der Bundestag, eine Klage nach Artikel 8 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu erheben, wenn dem nicht zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages widersprechen. Auf Antrag einer oder mehrerer Fraktionen, die die Erhebung der Klage nicht stützen, ist deren Auffassung in der Klageschrift deutlich zu machen. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Bundestages. (3) Der Bundesrat kann in seiner Geschäftsordnung regeln, wie ein Beschluss des Bundesrates über die Erhebung einer Klage nach Artikel 8 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit herbeizuführen ist. (4) Die Bundesregierung übermittelt die Klage im Namen des Organs, das über ihre Erhebung nach Absatz 2 oder nach Absatz 3 beschlossen hat, unverzüglich an den Gerichtshof der Europäischen Union. (5) Bei Klagen nach Artikel 8 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit übernimmt das Organ, das die Erhebung beschlossen hat, die Prozessführung vor dem Europäischen Gerichtshof. (6) Wird im Bundestag oder im Bundesrat ein Antrag zur Erhebung einer Klage gestellt, so kann das jeweils andere Organ eine Stellungnahme abgeben. §4 Brückenklausel (1) Die Bundesregierung unterrichtet Bundestag und Bundesrat, wenn der Rat in Vorbereitung einer Initiative Artikel 1 Gesetz über die Ausübung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates aus dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa §1 Unionsdokumente Bundestag und Bundesrat regeln in ihren Geschäftsordnungen, wie die ihnen nach Artikel 1 und 2 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union ... (einsetzen: Datum und Fundstelle des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag über eine Verfassung für Europa)*) zugeleiteten Dokumente zu behandeln sind. §2 Subsidiaritätsrüge (1) Die Bundesregierung übermittelt dem Bundestag und dem Bundesrat zu Entwürfen von Gesetzgebungsakten der Europäischen Union, die nach Artikel 2 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet werden, jeweils eine ausführliche Unterrichtung frühestmöglich nach Beginn der 6-Wochen-Frist nach Artikel 6 Abs. 1 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, spätestens jedoch zwei Wochen nach deren Beginn. Diese Unterrichtung umfasst die erforderlichen Informationen zur Bewertung des Entwurfs hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Subsidiarität nach Artikel I-11 Abs. 3 des Vertrags über eine Verfassung für Europa. Die Bundesregierung übermittelt dem Bundestag und dem Bundesrat zu diesem Zwecke die offiziellen Dokumente der Organe der Europäischen Union, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Gesetzesentwurfs erstellt worden sind und der Bundesregierung vorliegen, sowie die offiziellen Stellungnahmen der Bundesregierung. (2) Bundestag und Bundesrat regeln in ihren Geschäftsordnungen, wie eine Entscheidung über die Abgabe einer begründeten Stellungnahme gemäß Artikel 6 des Protokolls zum Vertrag über eine Verfassung für *) Hinweis der Schriftleitung: Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa ist im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 2 BvE 2/05 und 2 BvR 839/05 bislang nicht ausgefertigt worden. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 25. November 2005 des Europäischen Rates nach Artikel IV-444 des Vertrags über eine Verfassung für Europa befasst wird. (2) Die Bundesregierung unterrichtet Bundestag und Bundesrat, wenn der Europäische Rat eine Initiative nach Artikel IV-444 des Vertrags über eine Verfassung für Europa ergriffen hat. (3) Für die Ablehnung einer Initiative des Europäischen Rates zum Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit für die Beschlussfassung im Rat nach Artikel IV-444 Abs. 1 des Vertrags über eine Verfassung für Europa oder zum Übergang von einem besonderen Gesetzgebungsverfahren zu dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Artikel IV-444 Abs. 2 des Vertrags über eine Verfassung für Europa gelten die nachfolgenden Bestimmungen: 1. Wenn bei einer Initiative im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes betroffen sind, wird die Initiative abgelehnt, wenn es der Bundestag mit einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt. 2. Wenn bei einer Initiative im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, wird die Initiative abgelehnt, wenn es der Bundesrat mit der Mehrheit seiner Stimmen beschließt. 3. In allen anderen Fällen können der Bundestag oder der Bundesrat innerhalb von vier Monaten seit Übermittlung der Initiative des Europäischen Rates die Ablehnung dieser Initiative beschließen. In diesen Fällen wird die Initiative nur abgelehnt, wenn ein solcher Beschluss nicht spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Frist von sechs Monaten gemäß Artikel IV-444 Abs. 3 des Vertrags über eine Verfassung für Europa vom jeweils anderen Organ zurückgewiesen wird. Eine Initiative wird auch dann nicht abgelehnt, wenn ein Organ den Beschluss des anderen Organs in dieser Frist zurückweist, sofern es der Auffassung ist, dass ein Fall der Nummer 1 oder der Nummer 2 nicht vorliegt. Hat der Bundestag den Beschluss über die Ablehnung der Initiative mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gefasst, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundesrat einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Stimmen. Hat der Bundesrat den Beschluss über die Ablehnung der Initiative mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen gefasst, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Das Nähere regeln Bundestag und Bundesrat in ihren Geschäftsordnungen. (4) Die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates übermitteln gemeinsam einen nach Absatz 3 zustande gekommenen Beschluss an die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates und setzen darüber die Bundesregierung in Kenntnis. (5) Die Bundesregierung unterrichtet Bundestag und Bundesrat, ob zu einer Initiative nach Absatz 2 eine Zustimmung des Europäischen Parlaments erfolgt ist und ob zu ihr ein Beschluss des Europäischen Rates zustande gekommen ist. §5 Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union 3179 Der Bundestag kann den von ihm nach Artikel 45 des Grundgesetzes bestellten Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ermächtigen, die Rechte des Bundestages nach diesem Gesetz wahrzunehmen. §6 Vereinbarungen zu Unterrichtungen Einzelheiten der Unterrichtungen nach diesem Gesetz bleiben der Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung nach § 6 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union und der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und den Ländern nach § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vorbehalten. Artikel 2 Änderungen anderer Gesetze (1) Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 311, 1780) wird wie folgt geändert: 1. § 4 wird wie folgt geändert: a) Satz 1 wird wie folgt gefasst: ,,Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag insbesondere die Vorschläge, Initiativen oder Anträge für Rechtsakte der Europäischen Union, an deren Verfahren des Zustandekommens sie beteiligt ist, und unterrichtet den Bundestag zugleich über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung, über das beim Erlass des geplanten Rechtsaktes innerhalb der Europäischen Union anzuwendende Verfahren und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Befassung des Rates oder des Europäischen Rates, insbesondere den voraussichtlichen Zeitpunkt der Beschlussfassung im Rat oder im Europäischen Rat." b) Nach Satz 1 werden folgende Sätze eingefügt: ,,Der Deutsche Bundestag kann auf die Übersendung von oder Unterrichtung zu einzelnen oder Gruppen von Vorschlägen, Initiativen oder Anträgen für Rechtsakte verzichten. Der Verzicht kann nicht gegen den Widerspruch einer Fraktion oder 5 Prozent der Mitglieder des Bundestages erklärt werden." 2. § 6 wird wie folgt gefasst: ,,§ 6 Bundestag-Bundesregierung-Vereinbarung Einzelheiten der Unterrichtung und Beteiligung des Bundestages nach diesem Gesetz bleiben einer Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung vorbehalten." 3180 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 25. November 2005 die von der Bundesregierung nach Artikel III-356 des Vertrags über eine Verfassung für Europa zur Ernennung zu Mitgliedern des Gerichts vorzuschlagenden Persönlichkeiten werden von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Richterwahlausschuss benannt." 2. Dem § 3 wird folgender Absatz 3 angefügt: ,,(3) Für das Verfahren nach § 1 Abs. 3 regeln die Länder, welcher Landesminister Mitglied kraft Amtes ist." 3. Dem § 10 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt: ,,Der Bundesminister der Justiz und die Mitglieder des Richterwahlausschusses können vorschlagen, wer im Verfahren nach § 1 Abs. 3 von der Bundesregierung nach Artikel III-355 des Vertrags über eine Verfassung für Europa zum Richter oder Generalanwalt des Gerichtshofs benannt werden soll und wer im Verfahren nach § 1 Abs. 3 von der Bundesregierung nach Artikel III-356 des Vertrags über eine Verfassung für Europa zum Mitglied des Gerichts benannt werden soll." 3. Im neu gefassten § 6 wird nach dem Satz 1 folgender Satz angefügt: ,,In dieser Vereinbarung sind auch die Einzelheiten der Unterrichtung des Bundestages nach dem Gesetz über die Ausübung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates aus dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa vom 17. November 2005 (BGBl. I S. 3178) festzulegen." (2) In § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313, 1780) werden nach dem Wort ,,Gesetz" die Wörter ,,sowie nach dem Gesetz über die Ausübung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates aus dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa vom 17. November 2005 (BGBl. I S. 3178)" eingefügt. (3) Das Richterwahlgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 301-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 26. Mai 2005 (BGBl. I S. 1418), wird wie folgt geändert: 1. Dem § 1 wird folgender Absatz 3 angefügt: ,,(3) Die von der Bundesregierung nach Artikel III-355 des Vertrags über eine Verfassung für Europa ... (einsetzen: Datum und Fundstelle des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag über eine Verfassung für Europa)*) zur Ernennung zu Richtern und Generalanwälten des Gerichtshofs vorzuschlagenden Persönlichkeiten und *) Hinweis der Schriftleitung: Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa ist im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 2 BvE 2/05 und 2 BvR 839/05 bislang nicht ausgefertigt worden. Artikel 3 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, an dem der Vertrag über eine Verfassung für Europa nach seinem Artikel IV-447 Abs. 2 für die Bundesrepublik in Kraft tritt. Dieser Tag ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben. Abweichend von Satz 1 tritt Artikel 2 Abs. 1 Nr. 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 17. November 2005 Der Bundespräsident Horst Köhler Der Bundeskanzler Gerhard Schröder Der Bundesminister des Auswärtigen J. Fischer