Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2006  Nr. 39 vom 17.08.2006  - Seite 1866 bis 1868 - Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates

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1866 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil I Nr. 39, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2006 Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates Vom 14. August 2006 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: §1 Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (1) Beim Bundeskanzleramt wird ein Nationaler Normenkontrollrat mit Dienstsitz in Berlin eingerichtet. Er ist nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner Tätigkeit unabhängig. (2) Der Nationale Normenkontrollrat hat die Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten durch Anwendung, Beobachtung und Fortentwicklung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf Grundlage des Standardkosten-Modells zu reduzieren. §2 Bürokratiekostenmessung und Standardkosten-Modell (1) Bürokratiekosten im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die natürlichen oder juristischen Personen durch Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind auf Grund von Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtungen, Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln. Andere durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift entstehende Kosten sind nicht umfasst. (2) Bei der Messung der Bürokratiekosten ist das Standardkosten-Modell (SKM) anzuwenden. Die international anerkannten Regeln zur Anwendung des Standardkosten-Modells sind zugrunde zu legen. Abweichungen von dieser Methodik bedürfen eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates und der Zustimmung der Bundesregierung. Die Notwendigkeit eines Beschlusses ist insbesondere zu prüfen, wenn sonst eine Abweichung von den international anerkannten Regeln zur Anwendung des SKM zu besorgen ist. (3) Bei der erstmaligen Ermittlung der für die Durchführung der Messung bei Unternehmen notwendigen Kennziffern (Kosten pro Einheit, Zeit pro einzelner durch das Gesetz ausgelöster Aktivität sowie deren Häufigkeit pro Jahr und Anzahl der betroffenen Unternehmen) sind alle Bürokratiekosten zu berücksichtigen, die auf Bundesrecht beruhen. §3 Zusammensetzung und Organisation des Nationalen Normenkontrollrates (1) Der Nationale Normenkontrollrat besteht aus acht Mitgliedern. Der Bundeskanzler schlägt sie im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung dem Bundespräsidenten vor. Dieser beruft die Vorgeschlagenen für eine Amtszeit von fünf Jahren. Eine erneute Berufung ist zulässig. Die Mitglieder sind berechtigt, ihr Amt durch Erklärung gegenüber dem Bundespräsidenten niederzulegen. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so wird ein neues Mitglied für die Dauer der Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds berufen. Satz 2 gilt entsprechend. (2) Die Mitglieder sollen Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten innerhalb staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen gesammelt haben und über Kenntnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen. (3) Die Mitglieder dürfen während ihrer Mitgliedschaft im Nationalen Normenkontrollrat weder einer gesetzgebenden Körperschaft noch einer Bundesbehörde noch einer Landesbehörde angehören noch zu diesen Das Bundesgesetzblatt im Internet: www.bundesgesetzblatt.de | Ein Service des Bundesanzeiger Verlag www.bundesanzeiger.de Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil I Nr. 39, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2006 1867 in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. Ausnahmen sind für Hochschullehrer zulässig. Sie dürfen auch nicht innerhalb des letzten Jahres vor der Berufung zum Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates eine derartige Stellung innegehabt haben. (4) Den Vorsitz im Nationalen Normenkontrollrat führt das vom Bundeskanzler bestimmte Mitglied. (5) Die Mitgliedschaft im Nationalen Normenkontrollrat ist ein Ehrenamt. (6) Der Nationale Normenkontrollrat entscheidet mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Bei Stimmengleichheit unterbleibt eine Beanstandung des überprüften Gesetzentwurfs. Ein Sondervotum ist nicht zulässig. (7) Das Verfahren des Nationalen Normenkontrollrates regelt eine vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung gebilligte Geschäftsordnung. (8) Die Rechtsaufsicht führt der Chef des Bundeskanzleramtes. (9) Beim Bundeskanzleramt wird ein Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates eingerichtet. Der Leiter des Sekretariats nimmt beratend an den Sitzungen des Nationalen Normenkontrollrates teil. Der Leiter des Sekretariats unterliegt allein den Weisungen des Nationalen Normenkontrollrates. Die Mitarbeiter des Sekretariats unterliegen allein den Weisungen des Nationalen Normenkontrollrates und des Leiters des Sekretariats. Der Leiter und die Mitarbeiter des Sekretariats dürfen weder hauptamtlich noch nebenamtlich gleichzeitig mit anderen Aufgaben innerhalb der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes oder der Länder betraut sein. (10) Die Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates erhalten eine pauschale Entschädigung sowie Ersatz ihrer Reisekosten. Diese werden vom Chef des Bundeskanzleramtes im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern festgesetzt. (11) Die Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates und die Angehörigen des Sekretariats sind zur Verschwiegenheit über die Beratungen und die vom Nationalen Normenkontrollrat als vertraulich bezeichneten Beratungsunterlagen verpflichtet. (12) Die Kosten des Nationalen Normenkontrollrates trägt der Bund. Dem Nationalen Normenkontrollrat ist die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Die Stelle des Leiters des Sekretariats ist im Einvernehmen mit dem Nationalen Normenkontrollrat zu besetzen. Die Stellen der Mitarbeiter des Sekretariats sind im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Nationalen Normenkontrollrates zu besetzen. Die Mitarbeiter des Sekretariats können, falls sie mit der beabsichtigten Maßnahme nicht einverstanden sind, nur im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Nationalen Normenkontrollrates versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden. §4 Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates (1) Auf die Einhaltung der Grundsätze der standardisierten Bürokratiekostenmessung im Sinne des § 2 Abs. 2 können überprüft werden: 1. Entwürfe für neue Bundesgesetze, 2. bei Entwürfen von Änderungsgesetzen auch die Stammgesetze, 3. die Entwürfe nachfolgender nachrangiger Rechtsund Verwaltungsvorschriften, 4. Vorarbeiten zu Rechtsakten (Rahmenbeschlüssen, Beschlüssen, Übereinkommen und den diesbezüglichen Durchführungsmaßnahmen) der Europäischen Union und zu Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft, 5. bei der Umsetzung von EU-Recht die betroffenen Gesetze und nachrangigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, 6. bestehende Bundesgesetze und auf ihnen beruhende Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. (2) Der Nationale Normenkontrollrat überprüft die Gesetzentwürfe der Bundesministerien vor deren Vorlage an das Bundeskabinett. (3) Der Nationale Normenkontrollrat nimmt Stellung zu dem jährlichen Bericht der Bundesregierung zur Frage, inwieweit das von der Bundesregierung gesetzte Ziel der Senkung der Bürokratiekosten erreicht worden ist. (4) Unberührt bleiben die Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs und des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. §5 Befugnisse des Nationalen Normenkontrollrates (1) Der Nationale Normenkontrollrat ist berechtigt, 1. die Datenbank zu nutzen, die die Bundesregierung für die bei der Messung der Bürokratiekosten erhaltenen Daten anlegt, 2. eigene Anhörungen durchzuführen, 3. Gutachten in Auftrag zu geben, 4. der Bundesregierung Sonderberichte vorzulegen. (2) Behörden des Bundes und die Länder leisten dem Normenkontrollrat Amtshilfe. §6 Pflichten des Nationalen Normenkontrollrates (1) Der Nationale Normenkontrollrat gibt seine Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen der Bundesministerien gegenüber dem federführenden Bundesminister nicht öffentlich ab. Diese Stellungnahmen und die Stellungnahmen der Bundesregierung dazu werden dem Gesetzentwurf bei der Einbringung in den Bundestag beigefügt. (2) Der Nationale Normenkontrollrat berichtet jährlich dem Bundeskanzler. Er kann seinem schriftlichen Bericht Empfehlungen beifügen. (3) Der Nationale Normenkontrollrat steht dem federführenden und den mitberatenden ständigen Ausschüssen des Bundestages zur Beratung zur Verfügung. Das Bundesgesetzblatt im Internet: www.bundesgesetzblatt.de | Ein Service des Bundesanzeiger Verlag www.bundesanzeiger.de 1868 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil I Nr. 39, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2006 §7 Pflichten der Bundesregierung Die Bundesregierung erstattet dem Bundestag jährlich einen Bericht über 1. die Erfahrungen mit der angewandten Methodik zur standardisierten Bürokratiekostenmessung, 2. den Stand des Bürokratiekostenabbaus in den einzelnen Ministerien und die aktuelle Prognose, ob die von der Bundesregierung in einem Beschluss festgelegten Ziele der Bürokratiekostenmessung innerhalb des angegebenen Zeitraums erreicht werden. §8 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 14. August 2006 Der Bundespräsident Horst Köhler Die Bundeskanzlerin Dr. A n g e l a M e r k e l Das Bundesgesetzblatt im Internet: www.bundesgesetzblatt.de | Ein Service des Bundesanzeiger Verlag www.bundesanzeiger.de