Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2011  Nr. 51 vom 13.10.2011  - Seite 1992 bis 1994 - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus

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1992 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 51, ausgegeben zu Bonn am 13. Oktober 2011 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus Vom 9. Oktober 2011 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 22. Mai 2010 (BGBl. I S. 627) wird wie folgt geändert: 1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst: ,,Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz ­ StabMechG)". 2. § 1 wird wie folgt geändert: a) Die Absätze 1 bis 3 werden wie folgt gefasst: ,,(1) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Finanzierungsgeschäfte, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 gewährten Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes tätigt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 211,0459 Milliarden Euro zu übernehmen. Notmaßnahmen im Sinne von Satz 1 sind Darlehen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität an den betroffenen Mitgliedstaat, einschließlich solcher, die der Mitgliedstaat zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten verwendet, vorsorgliche Maßnahmen sowie Ankäufe von Staatsanleihen dieses Mitgliedstaates am Primärmarkt oder Sekundärmarkt. Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden. Zu diesem Zeitpunkt verfällt die Ermächtigung für den nicht ausgenutzten Teil des Gewährleistungsrahmens. Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. Zinsen und Kosten sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen. (2) Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Die Gefährdung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ist vor der Gewährung von Notmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich festzustellen. Vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt erfolgen unter diesen Voraussetzungen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren. Der Aufkauf von Staatsanleihen eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes am Sekundärmarkt erfordert zudem die Feststellung außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt durch die Europäische Zentralbank. (3) Notmaßnahmen werden an strenge Auflagen gebunden, die der betroffene Mitgliedstaat grundsätzlich im Rahmen eines wirtschafts- und finanzpolitischen Programms vor Gewährung der Notmaßnahme mit der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart und die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes einstimmig gebilligt werden. Sollte wegen der Natur der Notmaßnahme die Vereinbarung aller erforderlichen Auflagen vor Beginn der Notmaßnahme nicht möglich sein, ist diese Vereinbarung unverzüglich und vor Abschluss der Notmaßnahme nachzuholen." b) Absatz 4 wird aufgehoben. c) Die Absätze 5 und 6 werden die Absätze 4 und 5. 3. Nach § 1 werden die folgenden §§ 2 bis 5 eingefügt: ,,§ 2 Haushalts- und Stabilitätsverantwortung (1) Der Deutsche Bundestag nimmt in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes seine Haushaltsverantwortung und seine Verantwortung für die Fortentwicklung der Stabilität der Währungsunion insbesondere nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen wahr. (2) Der Deutsche Bundestag berät und beschließt über Vorlagen nach diesem Gesetz in angemessener Frist. Dabei berücksichtigt er die für die Beschlussfassung auf der Ebene des Euro-Währungsgebietes maßgeblichen Fristvorgaben. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 51, ausgegeben zu Bonn am 13. Oktober 2011 1993 §3 Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen in der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (1) Die Bundesregierung darf in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührt, durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Ohne einen solchen Beschluss des Deutschen Bundestages muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. (2) Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist insbesondere berührt 1. beim Abschluss einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes, 2. bei einer wesentlichen Änderung einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme und bei einer Änderung, die Auswirkungen auf die Höhe des Gewährleistungsrahmens hat, 3. bei Änderungen des Rahmenvertrags der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und 4. bei der Überführung von Rechten und Verpflichtungen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität in den Europäischen Stabilitätsmechanismus. (3) In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode gewählt werden. Die Anzahl der zu benennenden Mitglieder ist die kleinstmögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden. Bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Absatz 2 Satz 3 liegt die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit regelmäßig vor. In allen übrigen Fällen kann die Bundesregierung die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit geltend machen. Die oben genannten Mitglieder des Haushaltsausschusses können der Annahme der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit in den Fällen der Sätze 3 und 4 unverzüglich mit Mehrheit widersprechen. Im Falle des Widerspruchs nimmt der Deutsche Bundestag die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte wahr, bei Widersprüchen in Fällen von Satz 3 der Haushaltsausschuss. In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 3 und 4 sowie im Falle des erstmaligen Antrags eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes für eine Notmaßnahme, die nicht unter § 1 Absatz 2 Satz 3 fällt, nimmt stets der Deutsche Bundestag seine Beteiligungsrechte wahr. §4 Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (1) In allen die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, in denen eine Entscheidung des Deutschen Bundestages gemäß § 3 nicht vorgesehen ist, wird der Haushaltsausschuss beteiligt. Er hat das Recht zur Stellungnahme. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages überwacht die Vorbereitung und den Vollzug der Vereinbarungen über Notmaßnahmen. (2) Der vorherigen Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bedürfen: 1. die Annahme oder Änderung der Leitlinien des Direktoriums der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch die Bundesregierung und 2. die Zustimmung der Bundesregierung zu Entscheidungen über den Einsatz weiterer Instrumente auf der Grundlage einer bestehenden Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder der Änderung der Bedingungen einer Notmaßnahme, sofern diese nicht bereits unter den Parlamentsvorbehalt nach § 3 fallen. Die Bundesregierung darf in diesen Fällen einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, nachdem der Haushaltsausschuss hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Einen entsprechenden Antrag im Haushaltsausschuss kann auch die Bundesregierung stellen. Ohne einen solchen Beschluss des Haushaltsausschusses muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit gilt die Regelung in § 3 Absatz 3 entsprechend. (3) In den nicht von Absatz 2 erfassten Fällen, die die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berühren, beteiligt die Bundesregierung den Haushaltsausschuss und berücksichtigt seine Stellungnahmen. Dies gilt insbesondere für Beschlüsse, die nach dem Rahmenvertrag der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nur einstimmig getroffen werden können, sowie für die Benennung des deutschen Vorstandsmitglieds für das Direktorium der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität. (4) Das Plenum des Deutschen Bundestages kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss ausüben. §5 Unterrichtung durch die Bundesregierung (1) Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag in Angelegenheiten dieses Gesetzes umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten. Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat schriftlich. Einzelheiten bleiben einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten. (2) Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag alle ihr zur Verfügung stehenden Dokumente, die zur Ausübung der Mitwirkung des Deutschen Bundestages nach den §§ 3 und 4 dienlich sind. 1994 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 51, ausgegeben zu Bonn am 13. Oktober 2011 (3) Dem besonderen Schutzbedürfnis laufender vertraulicher Verhandlungen trägt der Deutsche Bundestag durch eine vertrauliche Behandlung Rechnung. (4) Im Falle eines Antrags eines Mitgliedstaates auf Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität übermittelt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag binnen sieben Tagen nach Antragstellung eine Bewertung zu Inhalt und Umfang der zu gewährenden Hilfen sowie eine Abschätzung der finanziellen Folgen. (5) Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung schriftlich zu unterrichten. (6) Die fortlaufende Unterrichtung der Bundesregierung enthält auch Angaben zur jeweiligen Be- rücksichtigung der nach diesem Gesetz abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Bundestages und des Haushaltsausschusses bei den Verhandlungen. (7) Die Unterrichtungsrechte nach den Absätzen 1 bis 6 können in Fällen besonderer Vertraulichkeit nach § 3 Absatz 3 auf die beteiligten Mitglieder des Haushaltsausschusses beschränkt werden, solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen." 4. § 2 wird § 6. Artikel 2 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 9. Oktober 2011 Der Bundespräsident Christian Wulff Die Bundeskanzlerin Dr. A n g e l a M e r k e l Der Bundesminister der Finanzen Schäuble Der Bundesminister des Innern Hans-Peter Friedrich Die Bundesministerin der Justiz S . L e u t h e u s s e r- S c h n a r re n b e rg e r