Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2010  Nr. 6 vom 22.02.2010  - Seite 78 bis 80 - Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen

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78 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil I Nr. 6, ausgegeben zu Bonn am 22. Februar 2010 Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen Vom 17. Februar 2010 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz ­ ZugErschwG) §1 Sperrliste (1) Das Bundeskriminalamt führt eine Liste über vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten, die Kinderpornographie nach § 184b des Strafgesetzbuchs enthalten oder deren Zweck darin besteht, auf derartige Telemedienangebote zu verweisen (Sperrliste). Es stellt den Diensteanbietern im Sinne des § 2 täglich zu einem diesen mitzuteilenden Zeitpunkt eine aktuelle Sperrliste zur Verfügung. (2) Die Aufnahme in die Sperrliste erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf die Löschung des Telemedienangebots abzielen, nicht oder nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend sind. Bevor das Telemedienangebot eines Diensteanbieters, der in einem anderen Staat im Geltungsbereich der Richtlinie 2000/ 31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (,,Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1) niedergelassen ist, in die Sperrliste aufgenommen wird, ist das Verfahren nach § 3 Absatz 5 Satz 2 des Telemediengesetzes durchzuführen. In Staaten außerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie darf das Telemedienangebot sofort in die Sperrliste aufgenommen werden, wenn nach Einschätzung des Bundeskriminalamts davon auszugehen ist, dass in dem betroffenen Staat andere Maßnahmen, insbesondere Mitteilungen an die für den polizeilichen Informationsaustausch zuständigen Stellen, nicht oder nicht in angemessener Zeit zu einer Löschung des Telemedienangebots führen. (3) Wird ein Telemedienangebot erstmals oder erneut in die Sperrliste aufgenommen, soll das Bundeskriminalamt in der Regel dem Diensteanbieter, der dieses Telemedienangebot als eigene Information im Sinne des § 7 Absatz 1 des Telemediengesetzes zur Nutzung bereithält, sowie dem Diensteanbieter, der dieses Telemedienangebot nach § 10 des Telemediengesetzes für einen Nutzer speichert, die Aufnahme und den Grund hierfür mitteilen, sofern der Diensteanbieter mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln ist. Hat ein solcher Diensteanbieter seinen Sitz außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland, unterrichtet das Bundeskriminalamt die für den polizeilichen Informationsaustausch mit anderen Staaten zuständige Stelle in dem betreffenden Staat, soweit eine Mitteilung nicht bereits nach Absatz 2 erfolgt ist. §2 Zugangserschwerung (1) Diensteanbieter nach § 8 des Telemediengesetzes, die den Zugang zur Nutzung von Informationen über ein Kommunikationsnetz für mindestens 10 000 Teilnehmer oder sonstige Nutzungsberechtigte ermöglichen, haben geeignete und zumutbare technische Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu Telemedienangeboten, die in der Sperrliste aufgeführt sind, zu erschweren. Dies gilt nicht, wenn Diensteanbieter ausschließlich solche Zugänge anbieten, bei denen Maßnahmen nach Satz 1 bereits von anderen Anbietern durchgeführt werden oder wenn Diensteanbieter, die Internetzugänge nicht für die Öffentlichkeit anbieten, selbst vergleichbar wirksame Sperrmaßnahmen einsetzen. (2) Für die Sperrung dürfen vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten verwendet werden. Die Sperrung erfolgt mindestens auf der Ebene der vollqualifizierten Domainnamen, deren Auflösung in die zugehörigen Internetprotokoll-Adressen unterbleibt. (3) Die Diensteanbieter haben die Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen, spätestens jedoch innerhalb von sechs Stunden, nachdem das Bundeskriminalamt die aktuelle Sperrliste zur Verfügung gestellt hat. §3 Sicherung der Sperrliste Diensteanbieter nach § 2 haben die Sperrliste durch geeignete Maßnahmen gegen Kenntnisnahme durch Dritte, die an der Umsetzung der Sperrung nicht beteiligt sind, zu sichern. §4 Stoppmeldung Diensteanbieter nach § 2 leiten Nutzeranfragen, durch die in der Sperrliste aufgeführte Telemedienangebote abgerufen werden sollen, auf ein von ihnen betriebenes Telemedienangebot (Stoppmeldung) um, das die Nutzer über die Gründe der Sperrung sowie eine Kontaktmöglichkeit zum Bundeskriminalamt informiert. Die Ausgestaltung bestimmt das Bundeskriminalamt. §5 Verkehrs- und Nutzungsdaten Verkehrs- und Nutzungsdaten, die auf Grund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp- Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil I Nr. 6, ausgegeben zu Bonn am 22. Februar 2010 79 meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. §6 Aufstellung Diensteanbieter nach § 2 übermitteln dem Bundeskriminalamt wöchentlich eine anonymisierte Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche pro Stunde auf die in der Sperrliste aufgeführten Telemedienangebote. §7 Zivilrechtliche Ansprüche (1) Diensteanbieter nach § 2 haften nur, wenn und soweit sie die Sperrliste durch Maßnahmen nach den §§ 2 bis 4 schuldhaft nicht ordnungsgemäß umsetzen. (2) Zivilrechtliche Ansprüche gegen Diensteanbieter nach § 2, mit den zur Umsetzung dieses Gesetzes geschaffenen technischen Vorkehrungen Sperrungen vorzunehmen, sind ausgeschlossen. §8 Dokumentations- und Auskunftspflichten des Bundeskriminalamts (1) Das Bundeskriminalamt ist verpflichtet, Unterlagen vorzuhalten, mit denen der Nachweis geführt werden kann, dass die in der Sperrliste aufgeführten Einträge zum Zeitpunkt ihrer Bewertung durch das Bundeskriminalamt die Voraussetzungen nach § 1 erfüllten. (2) Das Bundeskriminalamt erteilt Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, die ein berechtigtes Interesse darlegen, auf Anfrage Auskunft darüber, ob und in welchem Zeitraum ein Telemedienangebot in der Sperrliste enthalten ist oder war. §9 Expertengremium Beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird ein unabhängiges Expertengremium gebildet, das aus fünf Mitgliedern besteht. Die Mitglieder werden vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bis zum 31. Dezember 2012 bestellt. Die Mehrheit der Mitglieder muss die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste beim Bundeskriminalamt jederzeit einzusehen. Das Gremium überprüft mindestens quartalsweise auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben, ob die Einträge auf der Sperrliste die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 erfüllen. Stellt es mit Mehrheit fest, dass ein aufgeführtes Telemedienangebot diese Voraussetzung nicht erfüllt, muss das Bundeskriminalamt dieses Telemedienangebot bei der nächsten Aktualisierung aus der Sperrliste entfernen. § 10 Technische Richtlinie In welcher Form und nach welchem Verfahren die Sperrliste und die Aufstellung nach § 6 zur Verfügung gestellt werden, regelt das Bundeskriminalamt unter Beteiligung der Diensteanbieter in einer technischen Richtlinie. § 11 Einschränkung von Grundrechten Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch die §§ 2 und 4 eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Absatz 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen. § 12 Verwaltungsrechtsweg Für Streitigkeiten über die Aufnahme eines Telemedienangebotes in die Sperrliste ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. § 13 Bußgeldvorschrift (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 3 eine Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig ergreift oder 2. entgegen § 3 die Sperrliste nicht, nicht richtig oder nicht vollständig sichert. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. Artikel 2 Änderung des Telekommunikationsgesetzes Das Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2821) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. § 96 wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 wird wie folgt geändert: aa) Die Wörter ,,und verwenden" werden gestrichen und nach dem Wort ,,Abschnitt" die Wörter ,,oder in § 2 oder § 4 des Zugangserschwerungsgesetzes" eingefügt. bb) Die folgenden Sätze werden angefügt: ,,Diese Verkehrsdaten dürfen nur verwendet werden, soweit dies für die in Satz 1 genannten oder durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke oder zum Aufbau weiterer Verbindungen erforderlich ist. Im Übrigen sind Verkehrsdaten vom Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen." b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst: ,,(2) Eine über Absatz 1 hinausgehende Erhebung oder Verwendung der Verkehrsdaten ist unzulässig." 2. § 149 Absatz 1 wird wie folgt geändert: a) In Nummer 16 wird nach der Angabe ,,§ 96 Abs. 2" die Angabe ,,Satz 1" gestrichen und werden vor dem Wort ,,verwendet" die Wörter ,,erhebt oder" eingefügt. 80 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil I Nr. 6, ausgegeben zu Bonn am 22. Februar 2010 b) In Nummer 17 werden die Wörter ,,§ 96 Abs. 2 Satz 2" durch die Wörter ,,§ 96 Abs. 1 Satz 3" ersetzt. Artikel 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. (2) Artikel 1 § 13 tritt sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes in Kraft. (3) Artikel 1 dieses Gesetzes tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft. Artikel 3 Evaluierung Die Bundesregierung erstattet dem Bundestag innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten Bericht über die Anwendung dieses Gesetzes. Hierbei sind die Erfahrungen des Expertengremiums nach § 9 des Zugangserschwerungsgesetzes mit einzubeziehen. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 17. Februar 2010 Der Bundespräsident Horst Köhler Die Bundeskanzlerin Dr. A n g e l a M e r k e l Der Bundesminister f ü r W i r t s c h a f t u n d Te c h n o l o g i e Dr. K a r l - T h e o d o r z u G u t t e n b e r g Der Bundesminister des Innern Schäuble Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ursula von der Leyen