Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1953  Nr. 44 vom 06.08.1953  - Seite 751 bis 769 - Jugendgerichtsgesetz

Jugendgerichtsgesetz Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1963 751 Jugendgerichtsgesetz. Vom 4. August 1953. Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: ERSTER TEIL Anwendungsbereich § i Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. (2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. (3) Strafrechtlich ist nicht verantwortlich, wer zur Zeit der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist. § 2 Anwendung des allgemeinen Rechts Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. ZWEITER TEIL Jugendliche ERSTES HAUPTSTÜCK Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Vorschriften §3 Verantwortlichkeit Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie der Vormundschaftsrichter. §4 Rechtliche Einordnung der Straftaten Jugendlicher Ob die Straftat eines Jugendlichen als Verbrechen, Vergehen oder Übertretung anzusehen ist und wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts. §5 Die Polgen der Jugendstraftat (1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. (3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht. §6 Nebenstrafen und Nebenfolgen Auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder Zu-lässigkeit von Polizeiaufsicht darf nicht erkannt werden. §7 Maßregeln der Sicherung und Besserung Als Maßregeln der Sicherung und Besserung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können nur die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder die Entziehung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen angeordnet werden (§ 42 a Nr. 1 und 7 des Strafgesetzbuchs). Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe (1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung der Fürsorgeerziehung darf Jugendarrest nicht verbunden werden. (2) Der Richter kann neben Jugendstrafe Weisungen erteilen, die Schutzaufsicht anordnen und besondere Pflichten auferlegen. Auf Fürsorgeerziehung und auf andere Zuchtmittel kann er neben Jugendstrafe nicht erkennen. Steht der Jugendliche unter \Bewäh-rungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Schutzaufsicht bis zum Ablauf der Bewährungszeit. (3) Der Richter kann neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen. ZWEITER ABSCHNITT Erziehungsmaßregeln §9 Arten Erziehungsmaßregeln sind 1. die Erteilung von Weisungen, 2. die Schutzaufsicht, 3. die Fürsorgeerziehung. 752 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I § 10 Weisungen (1) Weisungen sind Gebote und Verbote, die die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, 1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen, 2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen, 3. eine Lehr- oder Arbeitsstelle anzunehmen, 4. einer Arbeitsauflage nachzukommen, 5. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen, 6. keine geistigen Getränke zu genießen oder nicht zu rauchen oder 7. bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften an einem polizeilichen Verkehrsunterricht teilzunehmen. (2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen. §11 Nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung (1) Der Richter kann Weisungen nachträglich ändern oder von ihnen befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. (2) Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. § 12 Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung Die Voraussetzungen, die Ausübung und Ausführung sowie die Beendigung der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung richten sich nach den Vorschriften über Jugendwohlfahrt. DRITTER ABSCHNITT Zuchtmittel § 13 Arten und Anwendung (1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchlmit-teln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind 1. die Verwarnung, 2. die Auferlegung besonderer Pflichten, 3. der Jugendarrest. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe. Sie werden nicht in das Strafregister eingetragen und begründen nicht die Anwendung von strafrechtlichen Rückfallvorschriften. § 14 Verwarnung Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. § 15 Auferlegung besonderer Pflichten (1) Als besondere Pflichten kann der Richter dem Jugendlichen auferlegen, 1. den Schaden wiedergutzumachen, 2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen oder 3. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. (2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages 1 r anordnen, wenn 1. der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder 2. dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll. (3) Bei schuldhafter Nichterfüllung von besonderen Pflichten gilt § 11 Abs. 2 entsprechend. § 16 Jugendarrest (1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest. (2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf mindestens eine Freizeit und höchstens vier Freizeiten bemessen. (3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich. Die Gesamtdauer des Kurzarrestes darf aber sechs Tage nicht überschreiten. (4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen. Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 753 VIERTER ABSCHNITT Die Jugendstrafe § 17 Form und Voraussetzungen (1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. § 18 Dauer der Jugendstrafe (1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Zuchthaus angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. (2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. § 19 Jugendstrafe von unbestimmter Dauer (1) Der Richter verhängt Jugendstrafe von unbestimmter Dauer, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, eine Jugendstrafe von höchstens vier Jahren geboten ist und sich nicht voraussehen läßt, welche Zeit erforderlich ist, um den Jugendlichen durch den Strafvollzug zu einem rechtschaffenen Lebenswandel zu erziehen. (2) Das Höchstmaß der Jugendstrafe von unbestimmter Dauer beträgt vier Jahre. Der Richter kann ein geringeres Höchstmaß bestimmen oder das Mindestmaß (§ 18 Abs. 1) erhöhen. Der Unterschied zwischen dem Mindest- und dem Höchstmaß soll nicht weniger als zwei Jahre betragen. (3) Die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer wird nach den für das Vollstreckungsverfahren geltenden Vorschriften (§ 89 Abs. 3 und 4) in eine bestimmte Jugendstrafe umgewandelt, sobald der Jugendliche aus dem Strafvollzug entlassen wird. FÜNFTER ABSCHNITT Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung § 20 Zweck der Aussetzung Der Richter kann die Vollstreckung einer bestimmten Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr aussetzen, damit der Jugendliche durch gute Führung während einer Bewährungszeit Straferlaß erTangen kann. § 21 Voraussetzungen Der Richter darf die Vollstreckung der Jugendstrafe nur aussetzen, wenn die Persönlichkeit des Jugendlichen und sein Vorleben in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat oder einer günstigen Veränderung seiner Lebensumstände erwarten lassen, daß er infolge der Aussetzung und unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Der Richter soll auch berücksichtigen, ob der Vollzug der Jugendstrafe eine Erziehungsmaßregel gefährden würde. § 22 Bewährungszeit (1) Der Richter setzt die Bewährungszeit auf mindestens zwei und höchstens drei Jahre fest. Er kann sie nachträglich bis auf ein Jahr verkürzen oder vor ihrem Ablauf, wenn der Jugendliche Bewährungsauflagen schuldhaft nicht nachkommt, bis auf vier Jahre verlängern. Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe. (2) Während der Bewährungszeit ruht die Verjährung der Vollstreckung der Jugendstrafe. § 23 Bewährungsauflagen Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Auflagen beeinflussen, die eine umfassende erzieherische Einwirkung gewährleisten. Zu diesem Zweck soll er dem Jugendlichen Weisungen erteilen (§ 10) oder besondere Pflichten auferlegen (§ 15). Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. § 24 Bewährungsaufsicht und Bewährungshilfe (1) Die Lebensführung des Jugendlichen während der Bewährungszeit und die Erfüllung der richterlichen Auflagen überwacht ein hauptamtlicher Bewährungshelfer, der unter der Aufsicht des Richters steht und diesem verantwortlich ist. (2) Der Richter kann auch einen ehrenamtlichen Bewährungshelfer bestellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint oder wenn in dem Bezirk des Jugendgerichts ein hauptamtlicher Helfer nicht angestellt worden ist. (3) Der Bewährungshelfer soll dem Jugendlichen während der Bewährungszeit helfend und betreuend zur Seile stehen, seine Erziehung fördern und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann von dem Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Lehrherrn oder dem sonstigen Leiter der Berufsausbildung Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen. 754 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I § 25 Pflichten des Bewährungshelfers Der Bewährungshelfer führt die Bewährungsaufsicht nach den Anweisungen des Richters durch. Er berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Erhebliche Zuwiderhandlungen des Jugendlichen gegen Bewährungsauflagen teilt er dem Richter mit. § 26 Erlaß der Jugendstrafe; Widerruf der Aussetzung (1) Hat der Jugendliche sich bewährt, so wird die Jugendstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen. (2) Der Richter widerruft, falls andere Maßnahmen nicht ausreichen, die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn 1. Umstände bekannt werden, die bei Würdigung des Wesens der Aussetzung zu ihrer Versagung geführt hätten, 2. der Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, sich weigert, die Erfüllung der Bewährungsauflagen zu versprechen (§ 60 Abs. 3), 3. der Jugendliche Bewährungsauflagen schuldhaft nicht nachkommt oder 4. sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war. (3) Leistungen, die der Jugendliche auf Grund von Auflagen erbracht hat, werden nicht zurückerstattet. SECHSTER ABSCHNITT Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe § 27 Voraussetzungen Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen. § 28 Bewährungszeit Die Bewährungszeit beträgt mindestens ein Jahr und höchstens zwei Jahre. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden. Sie beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen festgestellt wird. § 29 Bewährungsaufsicht Der Jugendliche wird für die Dauer der Bewährungszeit unter Bewährungsaufsicht gestellt. Die §§ 23 bis 25 sind anzuwenden. § 30 Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs (1) Stellt sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, daß die in dem Schuldspruch mißbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurück--zuführen ist, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt der Richter auf die Strafe, die er im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte. Eine Aussetzung dieser Strafe nach § 20 ist unzulässig. (2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so wird der Schuldspruch getilgt. SIEBENTER ABSCHNITT Mehrere Straftaten § 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen (1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt der Richter nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden. (2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Richters, wenn er auf Jugendstrafe erkennt. (3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann der Richter davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung ein-zubeziehen. Dabei kann er Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf Jugendstrafe erkennt. § 32 Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt ein- Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 755 heitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden. ZWEITES HAUPTSTÜCK Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren ERSTER ABSCHNITT Jugendgerichtsverfassung § 33 Jugendgerichte (1) über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte. (2) Jugendgerichte sind der Amtsrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer). (3) In der Hauptverhandlung ist das Jugendschöffengericht mit dem Jugendrichter als Vorsitzendem und zwei Jugendschöffen, die Jugendkammer mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen besetzt. Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau herangezogen werden. (4) Die Landesjustizverwaltung kann einen Amtsrichter zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellen (Bezirksjugendrichter). Sie kann auch bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte einrichten. § 34 Aufgaben des Jugendrichters (1) Dem Jugendrichter liegen alle Aufgaben ob, die ein Amtsrichter im Strafverfahren hat. (2) Der Jugendrichter soll nach Möglichkeit zugleich auch Vormundschaftsrichter sein. Ist dies nicht durchführbar, so sollen ihm für die Minderjährigen über vierzehn Jahren die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden. Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden. (3) Vormundschaftsrichterliche Erziehungsaufgaben sind 1. die Unterstützung der Eltern, des Vormundes und des Pflegers durch Anwendung geeigneter Zuchtmittel (§ 1631 Abs. 2 Satz 2, §§ 1686, 1800, 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), 2. die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Minderjährigen (§§ 1666, 1838, 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), 3. die Entscheidungen, die die Schutzaufsicht und die Fürsorgeerziehung betreffen. § 35 Jugendschöffen (1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendwohlfahrtsausschusses für die Dauer von zwei Geschäftsjahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen wählen. (2) Der Jugendwohlfahrtsausschuß soll ebenso viele Männer wie Frauen und mindestens die doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugendschöffen und -hilfsschöffen benötigt werden. Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. (3) Die Vorschlagsliste des Jugendwohlfahrtsausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich. Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen. (4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendwohlfahrtsausschusses und bei der Wahl der Jugendschöffen und -hilfsschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem Schöffenwahlausschuß. (5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende Schöffenlisten aufgenommen. § 36 Jugendstaatsanwalt Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte bestellt. § 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. § 38 Jugendgerichtshilfe (1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt. (2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind. Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wachen sie darüber, daß der Jugendliche Weisungen und besonderen Pflichten 1 nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilen 756 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I sie dem Richter mit. Während der Bewährungszeit arbeiten sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Sie übernehmen und überwachen die Schutzaufsicht. Während des Vollzugs bleiben sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an. (3) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. Bei Übertretungen kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist. Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichts-bilfe stets zu hören. ZWEITER ABSCHNITT Zuständigkeit § 39 Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters (1) Der Jugendrichter ist zuständig für Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder nach diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und Nebenfolgen zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Einzelrichter erhebt. (2) Der Jugendrichter darf auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr oder von unbestimmter Dauer nicht erkennen. § 40 Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts (1) Das Jugendschöffengericht ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines anderen Jugendgerichts gehören. (2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen die Entscheidung der Jugendkammer darüber herbeiführen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will. (3) Vor Erlaß des Übernahmebeschlusses fordert der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschuldigten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung oder eine Voruntersuchung (§ 178 der Strafprozeßordnung) beantragen will. (4) Der Beschluß, durch den die Jugendkammer die Sache übernimmt oder die Übernahme ablehnt, ist nicht anfechtbar. Der Übernahmebeschluß ist mit dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden. § 41 Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer (1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen, 1. die nach den allgemeinen Vorschriften zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören und 2. die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2). (2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen. § 42 örtliche Zuständigkeit (1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht zuständig ist, sind zuständig 1. der Richter, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen, 2. der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält, 3. solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstrek-kungsleiters obliegen. (2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. (3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht. DRITTER ABSCHNITT Jugendstrafverfahren Erster Unterabschnitt Das Vor verfahren § 43 Umfang der Ermittlungen (1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Lehrherr oder der sonstige Leiter der Berufsausbildung sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung des Lehrherrn oder Ausbildungsleiters unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. § 38 Abs. 3 ist zu beachten. Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 757 (2) Bei Fürsorgezöglingen erhält die Fürsorgeerziehungsbehörde Gelegenheit zur Äußerung. (3) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften herbeizuführen. Nach Möglichkeit soll ein zur kriminalbiologischen Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden. § 44 Vernehmung des Beschuldigten Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll der Staatsanwalt oder der Vorsitzende des Jugendgerichts den Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben wird. § 45 Absehen von der Verfolgung (1) Hält der Staatsanwalt eine Ahndung durch Urteil für entbehrlich, so kann er bei dem Jugendrichter anregen, dem geständigen Beschuldigten eine Arbeitsauflage zu machen, ihm besondere Pflichten aufzuerlegen, die Teilnahme an einem polizeilichen Verkehrsunterricht anzuordnen oder eine Ermahnung auszusprechen. § 11 Abs. 2 und § 15 Abs. 3 sind nicht anzuwenden. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so hat der Staatsanwalt von der Verfolgung abzusehen. (2) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn 1. eine erzieherische Maßnahme, die eine Ahndung durch den Richter entbehrlich macht, bereits angeordnet ist oder 2. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen. § 46 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen Der Staatsanwalt soll das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 2 der Strafprozeßordnung) so darstellen, daß die Kenntnisnahme durch den Beschuldigten möglichst keine Nachteile für seine Erziehung verursacht. Zweiter Unterabschnitt Das Hauptverfahren § 47 Einstellung des Verfahrens durch den Richter (1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn 1. er eine Ahndung für entbehrlich hält und gegen den geständigen Angeklagten eine in § 45 Abs. 1 bezeichnete Maßnahme anordnet, 2. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen oder 3. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist. (2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind. (3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden. § 48 NichtÖffentlichkeit (1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich. (2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, den Beamten der Kriminalpolizei und, falls der Angeklagte unter Schutz- oder Bewährungsaufsicht steht, dem Helfer die Anwesenheit gestattet. Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken, zulassen. (3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist. § 49 Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen (1) Im Verfahren vor dem Jugendrichter werden Zeugen nur vereidigt, wenn es der Richter wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für notwendig hält. Von der Vereidigung von Sachverständigen kann der Jugendrichter in jedem Falle absehen. (2) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist Absatz 1 nicht anzuwenden. § 50 Anwesenheit in der Hauptverhandlung (1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne den Angeklagten stattfinden, wenn dies im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe dafür vorliegen und der Staatsanwalt zustimmt. (2) Der Vorsitzende soll auch die Ladung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters anordnen. Die Vorschriften über die Ladung, die Folgen des Ausbleibens und die Gebühren von Zeugen gelten entsprechend. (3) Dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Er erhält auf Verlangen das Wort. § 51 Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten (1) Der Vorsitzende soll den Angeklagten für die Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung entstehen können. Er hat ihn von dem, was in seiner 758 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I Abwesenheit verhandelt worden ist, zu unterrichten, soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist. (2) Der Vorsitzende soll auch Angehörige, den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter des Angeklagten von der Verhandlung ausschließen, soweit gegen ihre Anwesenheit Bedenken bestehen. § 52 Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest und Jugendstrafe (1) Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird. (2) Der Richter soll erlittene Untersuchungshaft auf Jugendstrafe nur anrechnen, soweit sich ihr Vollzug erzieherisch günstig ausgewirkt hat oder die Versagung der Anrechnung auch bei Berücksichtigung der Erziehungsaufgabe des Strafvollzugs eine unbillige Härte wäre. (3) Wird auf Jugendstrafe von unbestimmter Dauer Untersuchungshaft angerechnet, so hat der Richter zugleich zu bestimmen, wieweit sich die Anrechnung auf das Mindest- und das Höchstmaß der Strafe auswirkt. Dabei ist mindestens ein Viertel der Untersuchungshaft auf das Mindestmaß anzurechnen. § 53 Überweisung an den Vormundschaftsrichter Der Richter kann dem Vormundschaftsrichter im Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, wenn er nicht auf Jugendstrafe erkennt. Der Vormundschaftsrichter muß dann eine Erziehungsmaßregel anordnen, soweit sich nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, verändert haben. § 54 Urteilsgründe (1) Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an den Vormundschaftsrichter oder für das Absehen von Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren. Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden. (2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind. Dritter Unterabschnitt Rechtsmittelverfahren § 55 Anfechtung von Entscheidungen (1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Vormundschaftsrichter überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem Vormundschaftsrichter überlassen worden sind. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn die Entscheidung Fürsorgeerziehung angeordnet hat. (2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der Revision zu. § 56 Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe (1) Ist ein Angeklagter wegen mehrerer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden, so kann das Rechtsmittelgericht vor der Hauptverhandlung das Urteil für einen Teil der Strafe als vollstreckbar erklären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer oder bei mehreren Straftaten nicht beanstandet worden sind. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht. Der Teil der Strafe darf nicht über die Strafe hinausgehen, die einer Verurteilung wegen der Straftaten entspricht, bei denen die Schuldfeststellungen nicht beanstandet worden sind. (2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Vierter Unterabschnitt Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung § 57 Entscheidung über die Aussetzung (1) Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluß angeordnet. Für den nachträglichen Beschluß ist der Richter zuständig, der in der Sache im ersten Rechtszuge erkannt hat; der Staatsanwalt und der Jugendliche sind zu hören. (2) Hat der Richter die Aussetzung im Urteil abgelehnt, so ist ihre nachträgliche Anordnung nur zulässig, wenn seit Erlaß des Urteils Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung rechtfertigen. (3) § 260 Abs. 4 Satz 2, § 263 Abs. 4 und § 267 Abs. 3 Satz 3 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. § 58 Weitere Entscheidungen (1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 26), trifft der Richter Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 759 durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Der Beschluß ist zu begründen. (2) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. § 59 Anfechtung (1) Gegen eine Entscheidung, durch die die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt wird, ist, wenn sie für sich allein angefochten wird, sofortige Beschwerde zulässig. Das gleiche gilt, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil die Strafe nicht ausgesetzt worden ist. (2) Gegen eine Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit (§ 22) oder über Bewährungsauflagen (§ 23) ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden oder eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist. (3) Gegen den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe (§ 26 Abs. 2) ist sofortige Beschwerde zulässig. (4) Der Beschluß über den Straferlaß (§ 26 Abs. 1) ist nicht anfechtbar. (5) Wird gegen ein Urteil eine zulässige Revision und gegen eine Entscheidung, die sich auf eine in dem Urteil angeordnete Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung bezieht, Beschwerde eingelegt, so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig. § 60 Bewährungsplan (1) Rechtskräftig angeordnete Bewährungsauflagen stellt der Vorsitzende in einem Bewährungsplan zusammen. Er händigt ihn dem Jugendlichen aus und belehrt ihn zugleich über die Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungszeit und die Bewährungsauflagen sowie darüber, daß er den Widerruf der Aussetzung zu erwarten habe, wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht rechtfertige, insbesondere den Bewährungsauflagen zuwiderhandle. Zugleich ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel seines Aufenthaltes oder Arbeitsplatzes während der Bewährungszeit anzuzeigen. Auch bei nachträglichen Änderungen des Bewährungsplans ist der Jugendliche über den wesentlichen Inhalt zu belehren. (2) Der Name des Bewährungshelfers wird in den Bewährungsplan eingetragen. (3) Der Jugendliche soll durch seine Unterschrift bestätigen, daß er den Bewährungsplan gelesen hat, und versprechen, daß er den Bewährungsauflagen nachkommen will. Auch der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter sollen den Bewährungsplan unterzeichnen. § 61 Haftbefehl (1) Kommt ein Widerruf der Aussetzung in Betracht, so kann der Richter, um sich der Person des Jugendlichen zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls einen Haftbefehl erlassen. (2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Jugendstrafe angerechnet. §§ 114 bis 114c und § 115 Satz 1 der Strafprozeßordnung gelten sinngemäß. Fünfter Unterabschnitt Verfahren bei Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe § 62 Entscheidungen (1) Entscheidungen nach den §§27 und 30 ergehen auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Für die Entscheidung über die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe gelten § 263 Abs. 4 und § 267 Abs. 3 Satz 3 der Strafprozeßordnung sinngemäß. (2) Mit Zustimmung des Staatsanwalts kann die Tilgung des Schuldspruchs nach Ablauf der Bewährungszeit auch ohne Hauptverhandlung durch Beschluß angeordnet werden. (3) Ergibt eine während der Bewährungszeit durchgeführte Hauptverhandlung nicht, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist (§ 30 Abs. 1), so ergeht der Beschluß, daß die Entscheidung über die Verhängung der Strafe ausgesetzt bleibt. (4) Für die übrigen Entscheidungen, die infolge einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe erforderlich werden, gilt § 58 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sinngemäß. § 63 Anfechtung (1) Ein Beschluß, durch den der Schuldspruch nach Ablauf der Bewährungszeit getilgt wird (§ 62 Abs. 2) oder die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe ausgesetzt bleibt (§ 62 Abs. 3), ist nicht anfechtbar. (2) Im übrigen gilt § 59 Abs. 2 und Abs. 5 sinngemäß. § 64 Bewährungsplan § 60 gilt sinngemäß. Der Jugendliche ist über die Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungszeit und die Bewährungsauflagen sowie darüber zu belehren, daß er die Festsetzung einer Jugend&trafe zu erwarten habe, wenn er sich während der Bewährungszeit schlecht führe. Sechster Unterabschnitt Ergänzende Entscheidungen § 65 Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen und Pflichten (1) Nachträgliche Entscheidurrgen, die sich auf Weisungen (§ 11) oder besondere Pflichten (§ 15 | Abs. 3) beziehen, trifft der Richter des ersten Rechts- 760 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I zuges nach Anhören des Staatsanwalts und des Jugendlichen durch Beschluß. Er kann das Verfahren an den Jugendrichter abgeben, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält, wenn dieser seinen Aufenthalt gewechselt hat. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Hat der Richter die Änderung von Weisungen abgelehnt, so ist der Beschluß nicht anfechtbar. Hat er Jugendarrest verhängt, so ist gegen den Beschluß sofortige Beschwerde zulässig. Diese hat aufschiebende Wirkung. § 66 Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung (1) Ist die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe (§ 31) unterblieben und sind die durch die rechtskräftigen Entscheidungen erkannten Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Strafen noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so trifft der Richter eine solche Entscheidung nachträglich. Dies gilt nicht, soweit der Richter nach § 31 Abs. 3 von der Einbeziehung rechtskräftig abgeurteilter Straftaten abgesehen hatte. (2) Die Entscheidung ergeht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der Staatsanwalt es beantragt oder der Vorsitzende es für angemessen hält. Wird keine Hauptverhandlung durchgeführt, so entscheidet der Richter durch Beschluß. Für die Zuständigkeit und das Beschlußverfahren gilt dasselbe wie für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach den allgemeinen Vorschriften. Ist eine Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist der Richter zuständig, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. Siebenter Unterabschnitt Gemeinsame Verfahrensvorschriften § 67 Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters (1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, steht dieses Recht auch dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter zu. (2) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, so soll die entsprechende Mitteilung an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden. (3) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch dem Erziehungsberechtigten zu. (4) Der Richter kann diese Rechte dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 bei dem Erziehungsberechtigten oder dem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu befürchten ist. Stehen dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt der Vormundschaftsrichter einen Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des Pflegers ausgesetzt. (5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte des Erziehungsberechtigten ausüben. In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen Verhandlung vor dem Richter wird der abwesende Erziehungsberechtigte als durch den anwesenden vertreten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an einen Erziehungsberechtigten gerichtet werden. § 68 Notwendige Verteidigung Der Vorsitzende bestellt dem Beschuldigten einen Verteidiger, wenn 1. die HauptverhandlmK im ersten Rechtszuge vor der Jugendkammer stattfindet, 2. einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre, 3. dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind oder 4. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt. § 69 Beistand (1) Der Vorsitzende kann dem Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens einen Beistand bestellen, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt. (2) Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter dürfen nicht zum Beistand bestellt werden, wenn hierdurch ein Nachteil für die Erziehung zu erwarten wäre. (3) Dem Beistand kann Akteneinsicht gewährt werden. Im übrigen hat er in der Hauptverhandlung die Rechte eines Verteidigers. § 70 Mitteilungen Vormundschaftsrichter und Jugendgerichtshilfe, in geeigneten Fällen auch die Schule, werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 761 wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. § 71 Vorläufige Anordnungen über die Erziehung (1) Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der Richter vorläufige Anordnungen über die Erziehung des Jugendlichen treffen. Die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung ist nicht zulässig. (2) Ist Jugendstrafe zu erwarten, so kann der Richter auch die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Erziehungsheim anordnen, wenn dies geboten ist, um einem Mißbrauch der Freiheit zu . neuen Straftaten entgegenzuwirken oder um den Jugendlichen vor einer weiteren Gefährdung seiner Entwicklung zu bewahren. Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115d und 123 bis 126 der Strafprozeßordnung sinngemäß. § 72 Untersuchungshaft (1) Untersuchungshaft darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. (2) über die Vollstreckung eines Haftbefehls und über die Maßnahmen zur Abwendung seiner Vollstreckung entscheidet der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, in dringenden Fällen der Jugendrichter, in dessen Bezirk die Untersuchungshaft vollzogen werden müßte. (3) Unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Haftbefehl erlassen werden kann, kann auch die einstweilige Unterbringung in einem Erziehungsheim (§ 71 Abs. 2) angeordnet werden. In diesem Falle kann der Richter den Unterbringungsbefehl nachträglich durch einen Haftbefehl ersetzen, wenn sich dies als notwendig erweist. (4) Befindet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer Beschleunigung durchzuführen. (5) Die richterlichen Entscheidungen, die die Untersuchungshaft betreffen, kann der zuständige Richter aus wichtigen Gründen sämtlich oder zum Teil einem anderen Jugendrichter übertragen. § 73 Unterbringung zur Beobachtung (1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten kann der Richter nach Anhören eines Sachverständigen und des Verteidigers anordnen, daß der Beschuldigte in eine zur kriminalbiologischen Untersuchung Jugendlicher geeignete Anstalt gebracht und dort beobachtet wird. Im vorbereitenden Verfahren entscheidet der Richter, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre. (2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Sie hat aufschiebende Wirkung. (3) Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. § 74 Kosten und Auslagen Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Achter Unterabschnitt Jugendrchterliche Verfügung und vereinfachtes Jugendverfahren § 75 Jugendrichterliche Verfügung (1) Bei Übertretungen kann der Jugendrichter durch richterliche Verfügung eine Arbeits- oder eine Geldauflage anordnen oder die Einziehung oder eine Verwarnung aussprechen. Bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften kann er dem Jugendlichen auch die Pflicht auferlegen, an einem polizeilichen Verkehrsunterricht teilzunehmen. Die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe ist nicht erforderlich. Im übrigen gilt § 413 Abs. 1 bis 4 der Strafprozeßordnung sinngemäß. (2) Der Jugendrichter kann das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 45 einstellen. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. (3) Kommt der Jugendliche einer Auflage schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest bis zu vierzehn Tagen verhängt werden, wenn der Jugendliche über die Folgen schuldhafter Nichterfüllung in der Verfügung belehrt worden war. Die Anordnung steht einer jugendrichterlichen Verfügung gleich. § 76 Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens (1) Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter schriftlich oder mündlich beantragen, im vereinfachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendrichter ausschließlich Weisungen erteilen, die Schutzaufsicht anordnen oder Zuchtmittel verhängen wird. Der Antrag des Staatsanwalts steht der Anklage gleich. (2) Das vereinfachte Jugendverfahren ist mit Zustimmung des Staatsanwalts auch nach vorangegangener jugendrichterlicher Verfügung zulässig, wenn Einspruch eingelegt ist. § 77 Ablehnung des Antrages (1) Der Jugendrichter lehnt die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, wenn sich die Sache hierzu nicht eignet, namentlich wenn die Anordnung der Fürsorgeerziehung oder die Verhängung von Jugendstrafe wahrscheinlich oder eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. Der Beschluß kann bis zur Verkündung des Urteils ergehen. Er ist nicht anfechtbar. 762 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I (2) Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, so reicht der Staatsanwalt eine Anklageschrift ein. § 78 Verfahren und Entscheidung (1) Der Jugendrichter entscheidet im vereinfachten Jugendverfahren auf Grund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil. Er darf auf Fürsorgeerziehung oder Jugendstrafe nicht erkennen. (2) Der Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, an der Verhandlung teilzunehmen. Nimmt er nicht teil, so bedarf es seiner Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens in der Verhandlung oder zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht. (3) Zur Vereinfachung, Beschleunigung und jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von Verfahrensvorschriften abgewichen werden, soweit dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht beeinträchtigt wird. Die Vorschriften über die Anwesenheit des Angeklagten (§ 50), die Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters (§ 67) und die Mitteilung von Entscheidungen (§ 70) müssen beachtet werden. Neunter Unterabschnitt Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verf,ahrensrechts § 79 Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren (1) Gegen einen Jugendlichen darf kein Strafbefehl erlassen werden. (2) Das beschleunigte Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ist unzulässig. § 80 Privatklage und Nebenklage (1) Gegen einen Jugendlichen kann Privatklage nicht erhoben werden. Eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften durch Privatklage verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt auch dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein berechtigtes Interesse des Verletzten, das dem Erziehungszweck nicht entgegensteht, es erfordern. (2) Gegen einen jugendlichen Privatkläger ist Widerklage zulässig. Auf Jugendstrafe darf nicht erkannt werden. (3) Nebenklage ist unzulässig. Dies gilt auch, wenn eine staatliche Behörde die Rechte eines Nebenklägers hat. § 81 Entschädigung des Verletzten Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Entschädigung des Verletzten werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet. DRITTES HAUPTSTÜCK Vollstreckung und Vollzug ERSTER ABSCHNITT Vollstreckung Erster Unterabschnitt Verfassung der Vollstreckung und Zuständigkeit § 82 Vollstreckungsleiter (1) Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter. (2) Soweit Schutzaufsicht oder Fürsorgeerziehung angeordnet ist, richtet sich die weitere Zuständigkeit nach den Vorschriften über Jugendwohlfahrt. § 83 Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren Die Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach den §§86 bis 89 sind jugendrichterliche Entscheidungen. Sie können, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Die §§ 67 bis 69 gelten sinngemäß. § 84 örtliche Zuständigkeit (1) Der Jugendrichter leitet die Vollstreckung in allen Verfahren ein, in denen er selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszuge erkannt hat. (2) Soweit, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, die Entscheidung eines anderen Richters zu vollstrecken ist, steht die Einleitung der Vollstrek-kung dem Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen. (3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 führt der Jugendrichter die Vollstreckung durch, soweit § 85 nichts anderes bestimmt. § 85 Abgabe und Übergang der Vollstreckung (1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist. (2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in die Jugendstrafanstalt die Vollstreckung auf den Jugendrichter eines in deren Nähe gelegenen Amtsgerichts über, den die Landesjustizverwaltung hierfür allgemein bestimmt hat. (3) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstrek-kungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben. Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 763 Zweiter Unterabschnitt Jugendarrest § 86 Umwandlung des Freizeitarrestes Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest in Kurzarrest umwandeln, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 nachträglich eingetreten sind. § 87 Vollstreckung des Jugendarrestes (1) Die Vollstreckung des Jugendarrestes wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. (2) Für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozeßordnung sinngemäß. (3) Ist Jugendarrest teilweise verbüßt, so sieht der Vollstreckungsleiter von der Vollstreckung des Restes ab, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Vor der Entscheidung hört er nach Möglichkeit den erkennenden Richter und den Staatsanwalt. (4) Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist. Dritter Unterabschnitt Jugendstrafe § 88 Entlassung zur Bewährung während der Vollstreckung einer bestimmten Jugendstrafe (1) Der Vollstreckungsleiter kann den zu einer bestimmten Jugendstrafe Verurteilten zur Bewährung entlassen, wenn dieser einen Teil der Strafe verbüßt hat und die Umstände erwarten lassen, daß er künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. (2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Entlassung zur Bewährung nur ausnahmsweise aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat. (3) Der Vollstreckungsleiter entscheidet über die Entlassung auf Antrag oder von Amts wegen nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben. (4) Wird der Antrag auf Entlassung abgelehnt, so bestimmt der Vollstreckungsleiter eine Frist von höchstens sechs Monaten, vor deren Ablauf ein neuer Antrag nicht gestellt werden darf. (5) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Entlassung zur Bewährung an, so stellt er den Verurteilten unter Bewährungsaufsicht. Die §§22 bis 26 gelten sinngemäß; an die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind § 58, § 59 Abs. 2 bis 4 und §§60 und 61 entsprechend anzuwenden. § 89 Entlassung während der Vollstreckung einer Jugendstrafe von unbestimmter Dauer (1) Der Vollstreckungsleiter entläßt den zu einer Jugendstrafe von unbestimmter Dauer Verurteilten zur Bewährung, wenn dieser das Mindestmaß seiner Strafe verbüßt hat und die Umstände erwarten lassen, daß er künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. (2) Die Vorschriften des § 88 Abs. 3 bis 5 gelten sinngemäß. (3) Zugleich mit der Anordnung der Entlassung wandelt der Vollstreckungsleiter die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer in der Weise in eine bestimmte um, daß für den Fall des Widerrufs der Entlassung eine Reststrafe zu vollstrecken ist. Diese beträgt mindestens drei Monate und höchstens ein Jahr. Sie darf zusammen mit dem bereits verbüßten Teil der Strafe das Höchstmaß der Jugendstrafe von unbestimmter Dauer nicht überschreiten. (4) Wenn es aus besonderen Gründen geboten erscheint, kann der Vollstreckungsleiter die Entlassung auch endgültig anordnen. Dabei wandelt er die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer in der Weise in eine bestimmte um, daß die Strafe im Zeitpunkt der Entlassung verbüßt ist. ZWEITER ABSCHNITT Vollzug § 90 Jugendarrest (1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs. An Fürsorgezöglingen, die sich in Heimerziehung befinden, kann der Vollstreckungsleiter im Einvernehmen mit der Fürsorgeerziehungsbehörde Jugendarrest in der Fürsorgeerziehungsanstalt vollziehen lassen, (3) Im Freizeitarrest und im Kurzarrest bis zu zwei Tagen kann der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager erhalten. (4) Der Kurzarest von mehr als zwei Tagen und der Dauerarrest können durch strenge Tage verschärft werden, an denen der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager erhält. § 91 Aufgabe des Jugendstrafvollzugs (1) Durch den Vollzug der Jugendstrafe soll der Verurteilte dazu erzogen werden, künftig einen 764 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I rechtschaffenen und verantwortungsbewußten Lebenswandel zu führen. (2) Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesübungen und sinnvolle Beschäftigung in der freien Zeit sind die Grundlagen dieser Erziehung. Die beruflichen Leistungen des Verurteilten sind zu fördern. Lehrwerkstätten sind einzurichten. Die seelsorgerische Betreuung wird gewährleistet. (3) Um das angestrebte Erziehungsziel zu erreichen, kann der Vollzug aufgelockert und in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen durchgeführt werden. (4) Die Beamten müssen für die Erziehungsaufgabe des Vollzugs geeignet und ausgebildet sein. § 92 Jugendstrafanstalten (1) Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafanstalten vollzogen. (2) An einem Verurteilten, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für den Jugendstrafvollzug eignet, braucht die Strafe nicht in der Jugendstrafanstalt vollzogen zu werden. Jugendstrafe, die nicht in der Jugendstrafanstalt vollzogen wird, wird wie Gefängnisstrafe vollzogen. Hat der Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so soll Jugendstrafe wie Gefängnisstrafe vollzogen werden. (3) über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug entscheidet der Vollstreckungsleiter. § 93 Untersuchungshaft (1) An Jugendlichen wird die Untersuchungshaft nach Möglichkeit in einer besonderen Anstalt oder wenigstens in einer besonderen Abteilung der Haftanstalt oder, wenn Freiheitsstrafe nicht zu erwarten ist, in einer Jugendarrestanstalt vollzogen. (2) Der Vollzug der Untersuchungshaft soll erzieherisch gestaltet werden. (3) Den Vertretern der Jugendgerichtshilfe und, wenn der Beschuldigte unter Schutz- oder Bewährungsaufsicht steht, dem Helfer ist der Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Umfang wie einem Verteidiger gestattet. VIERTES HAUPTSTÜCK Strafregister und Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch ERSTER ABSCHNITT Strafregister § 94 Anwendung der Strafregisterverordnung und des Straftilgungsgesetzes (1) Verurteilungen, durch die Jugendstrafe verhängt oder die Schuld des Jugendlichen festgestellt ist, werden im Strafregister vermerkt. Auf die Vermerke werden, soweit nichts anderes bestimmt ist, die für die Gefängnisstrafe geltenden Vorschriften der Strafregisterverordnung und des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafrjgister und die Tilgung von Strafvermerken angewendet. (2) Die Anordnung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln wird dem Straf register nur mitgeteilt, wenn sie mit einer Verurteilung zu Jugendstrafe verbunden ist. Entscheidungen, durch die das Verfahren gegen einen Jugendlichen wegen mangelnder Reife eingestellt wird, werden dem Strafregister nicht mitgeteilt. (3) Der Tag, an dem Jugendstrafe verbüßt ist, wird dem Strafregister stets mitgeteilt. § 95 Beschränkte Auskunft und Tilgung (1) Für Vermerke über Jugendstrafe beträgt die Frist, nach deren Ablauf nur noch beschränkt Auskunft aus dem Strafregister erteilt wird, 1. drei Jahre, wenn auf höchstens ein Jahr Jugendstrafe allein oder mit Nebenstrafen erkannt worden ist, mit Ausnahme der Fälle, in denen die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet worden ist, 2. fünf Jahre in allen übrigen Fällen. Die Frist der Nummer 1 beginnt mit dem im Strafregister vermerkten Tag der Verurteilung. Die Frist der Nummer 2 beginnt mit dem Tag, an dem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen oder eine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erledigt ist. Hat sich nach Ablauf einer Bewährungszeit die Strafe oder die Unterbringung in einer Heiloder Pflegeanstalt erledigt, ohne daß die Entlassung zur Bewährung widerrufen worden ist, so wird die Bewährungszeit in die Frist de,.- Nummer 2 eingerechnet. (2) Die Frist, nach deren Ablauf Vermerke über Jugendstrafe getilgt werden, beträgt 1. zwei Jahre, wenn auf höchstens ein Jahr Jugendstrafe allein oder in Verbindung mit Nebenstrafen erkannt worden ist, mit Ausnahme der Fälle, in denen die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet worden ist, 2. vier Jahre in allen übrigen Fällen. Die Frist beginnt mit dem Tag, von dem ab nur noch beschränkt Auskunft erteilt wird. § 96 Beschränkte Auskunft und Beseitigung des Strafmakels in besonderen Fällen (1) über Vermerke, die einen Schuldspruch betreffen, wird nur beschränkt Auskunft erteilt. Wird der Schuldspruch getilgt oder Jugendstrafe verhängt (§ 30), so wird der Vermerk über den Schuldspruch im Strafregister getilgt. (2) Bei Verurteilungen von nicht mehr als einem Jahr Jugendstrafe ordnet der Richter an, daß nur beschränkt Auskunft erteilt wird, wenn Aussetzung Nr. 44 – Tag der Ausgab 2: Bonn, den 6. August 1953 765 oder Entlassung zur Bewährung bewilligt ist. Wird die Vollstreckung der Strafe angeordnet, so beginnt die Frist des § 95 Abs. 1 Nr. 1 mit dem Tage dieser Anordnung erneut. (3) Wird die Jugendstrafe oder der Strafrest in den Fällen des Absatzes 2 erlassen, so erklärt der Richter den Strafmakel als beseitigt. Der Beschluß wird im Strafregister vermerkt. Die §§ 100 und 101 gelten entsprechend. ZWEITER ABSCHNITT Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch § 97 § 98 Verfahren (1) Zuständig ist der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Verurteilten obliegen. Ist der Verurteilte volljährig, so ist der Jugendrichter zuständig, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. (2) Der Jugendrichter beauftragt mit den Ermittlungen über die Führung des Verurteilten und dessen Bewährung vorzugsweise die Stelle, die den Verurteilten nach der Verbüßung der Strafe betreut hat. Er kann eigene Ermittlungen anstellen. Er hört den Verurteilten und, wenn dieser minderjährig ist, den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter, ferner die Schule und die zuständige Verwaltungsbehörde. (3) Nach Abschluß der Ermittlungen ist der Staatsanwalt zu hören. § 99 Entscheidung (1) Der Jugendrichter entscheidet durch Beschluß. (2) Hält er die Voraussetzungen für eine Beseitigung des Strafmakels noch nicht für gegeben, so kann er die Entscheidung um höchstens zwei Jahre aufschieben. (3) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. § 100 Wirkung (1) Hat der Jugendrichter den Strafmakel als beseitigt erklärt, so gilt § 4 Abs. 4 des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken sinngemäß. (2) Der Beschluß, durch den der Strafmakel als beseitigt erklärt wird, wird in das Strafregister eingetragen, über die Verurteilung wird nur noch dem Strafrichter und dem Staatsanwalt für eine Strafverfolgung auf ausdrückliches Ersuchen Auskunft erteilt. (3) In den amtlichen Listen wird die Strafe gelöscht. § 101 Widerruf Wird der Verurteilte, dessen Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist, vor der Tilgung des Vermerks wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens erneut verurteilt, so widerruft der Richter in dem Urteil oder nachträglich durch Beschluß die Beseitigung des Strafmakels. In besonderen Fällen kann er von dem Widerruf absehen. FÜNFTES HAUPTSTÜCK Jugendliche vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind § 102 Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts sowie die Zuständigkeit der Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes werden durch die Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt. In Fällen von geringer Bedeutung kann die Strafkammer mit Zustimmung des Staatsanwalts die Strafsache gegen einen Jugendlichen an das Jugendschöffengericht abgeben. § 103 Verbindung mehrerer Strafsachen (1) Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene können nach den Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts verbunden werden, wenn es zur Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. (2) Der Staatsanwalt erhebt die Anklage vor dem Jugendgericht, wenn das Schwergewicht bei dem Verfahren gegen Jugendliche liegt. (3) Beschließt der Richter die Trennung der verbundenen Sachen, so erfolgt zugleich Abgabe der abgetrennten Sache an den Richter, der ohne die Verbindung zuständig gewesen wäre. § 104 Verfahren gegen Jugendliche (1) In Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über Voraussetzungen (1) Hat der Jugendrichter die Überzeugung erlangt, daß sich ein zu Jugendstrafe verurteilter Jugendlicher durch einwandfreie Führung als rechtschaffener Mensch erwiesen hat, so erklärt er von Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten, des Erziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Vertreters den Strafmakel als beseitigt. Dies kann auch auf Antrag des Staatsanwalts oder, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig ist, auf Antrag des Vertreters der Jugendgerichtshilfe geschehen. (2) Die Anordnung kann erst zwei Jahre nach Verbüßung oder Erlaß der Strafe ergehen, es sei denn, daß der Verurteilte sich der Beseitigung des Strafmakels besonders würdig gezeigt hat. Während des Vollzugs oder während einer Bewährungszeit ist die Anordnung unzulässig. 766 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I 1. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen (§§ 3 bis 32), 2. die Heranziehung und die Rechtsstellung der Jugendgerichtshilfe (§ 38, § 50 Abs. 3), 3. den Umfang der Ermittlungen im Vorverfahren (§ 43), 4. das Absehen von der Verfolgung und die Einstellung des Verfahrens durch den Richter (§§ 45, 47), 5. die Untersuchungshaft (§§ 52, 72), 6. die Urteilsgründe (§ 54), 7. das Rechtsmittelverfahren (§§ 55, 56), 8. das Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung und der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 57 bis 64), 9. die Beteiligung und die Rechtsstellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters (§ 67, § 50 Abs. 2), 10. die notwendige Verteidigung (§ 68), 11. Mitteilungen (§ 70), 12. die Unterbringung zur Beobachtung (§ 73), 13. Kosten und Auslagen (§ 74) und 14. den Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts (§§ 79 bis 81). (2) Die Anwendung weiterer Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes steht im Ermessen des Richters. (3) Soweit es aus Gründen der Staatssicherheit geboten ist, kann der Richter anordnen, daß die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe und die Beteiligung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters unterbleiben. (4) Hält der Richter Erziehungsmaßregeln für erforderlich, so hat er deren Auswahl und Anordnung dem Vormundschaftsrichter zu überlassen. § 53 Satz 2 gilt entsprechend. (5) Entscheidungen, die nach einer Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung erforderlich werden, sind dem Jugendrichter zu übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. Das gleiche gilt für Entscheidungen nach einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe mit Ausnahme der Entscheidungen über die Festsetzung der Strafe und die Tilgung des Schuldspruchs (§ 30). DRITTER TEIL Heranwachsende ERSTER ABSCHNITT Anwendung des sachlichen Strafrechts § 105 Anwendung des Jugendstraf rechts auf Heranwachsende (1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§4 bis 32 an, wenn 1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder 2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. (2) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. § 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende (1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Straf recht anzuwenden, so kann der Richter an Stelle von lebenslangem Zuchthaus auf eine Zuchthausstrafe von zehn bis fünfzehn Jahren und an Stelle einer zeitigen Zuchthausstrafe auf Gefängnisstrafe von gleicher Dauer erkennen. (2) Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung und der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter kann der Richter absehen. ZWEITER ABSCHNITT Gerichtsverfassung und Verfahren § 107 Gerichtsverfassung Die Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung (§§ 33 bis 38) gelten für Heranwachsende entsprechend. § 108 Zuständigkeit (1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender. (2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Amtsrichter allein zu entscheiden hätte. (3) Das Jugendschöffengericht darf wegen der Verfehlung eines Heranwachsenden nicht auf Zuchthaus von mehr als zwei Jahren und nicht auf Sicherungsverwahrung erkennen. Ist höhere Zuchthausstrafe oder Sicherungsverwahrung zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. § 109 Verfahren (1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden § 43, § 50 Abs. 2 und 3, §§ 67 bis 70 und 73 entsprechend anzuwenden. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung des Angeklagten geboten ist. (2) Wendet der Richter Jugendstraf recht an (§ 105), so gelten auch die §§52 bis 66, § 74, § 79 Abs. 1 und § 81 entsprechend. Nr. 44 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 6. August 1953 767 DRITTER ABSCHNITT Vollstreckung, Vollzug und Strafregister § HO Vollstreckung und Vollzug (1) Die Vorschriften über die Vollstreckung und den Vollzug bei Jugendlichen (§§82 bis 93) gelten für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstraf recht angewendet (§ 105) und nach diesem Gesetz zulässige Maßnahmen oder Jugendstrafe verhängt hat. (2) § 93 ist entsprechend anzuwenden, solange der Heranwachsende das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat. § 111 Strafregister und Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch Die Vorschriften über das Strafregister und die Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch (§§ 94 bis 101) gelten für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstrafe verhängt oder die Schuld des Heranwachsenden festgestellt hat (§ 27). VIERTER ABSCHNITT Heranwachsende vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind § 112 Entsprechende Anwendung Die §§102 bis 104 gelten für Verfahren gegen Heranwachsende entsprechend. Die in § 104 Abs. 1 genannten Vorschriften sind nur insoweit anzuwenden, als sie nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. VIERTER TEIL Schluß- und Übergangsvorschriften § 113 Bewährungshelfer Für den Bezirk eines jeden Jugendrichters ist mindestens ein hauptamtlicher Bewährungshelfer anzustellen. Die Anstellung kann für mehrere Bezirke erfolgen oder ganz unterbleiben, wenn wegen des geringen Anfalls von Strafsachen unverhältnismäßig hohe Aufwendungen entstehen würden. Das Nähere über die Tätigkeit des Bewährungshelfers ist durch Landesgesetz zu regeln. § 114 Vollzug von Gefängnisstrafe in der Jugendstrafanstalt In der Jugendstrafanstalt darf an Verurteilten, die das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben.und sich für den Jugendstrafvollzug eignen, auch Gefängnisstrafe vollzogen werden. § 115 Rechtsvorschriften der Bundesregierung über den Vollzug (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für den Vollzug der Jugendstrafe, des Jugendarrestes und der Untersuchungshaft Vorschriften zu erlassen über die Art der Unterbringung, die Behandlung, die Lebenshaltung, die erzieherische, seelsorgerische und berufliche Betreuung, die Arbeit, den Unterricht, die Gesundheitspflege und körperliche Ertüchtigung, die Freizeit, den Verkehr mit der Außenwelt, die Ordnung und Sicherheit in der Vollzugsanstalt und die Ahndung von Verstößen hiergegen, die Aufnahme und die Entlassung sowie das Zusammenwirken mit den der Jugendpflege und Jugendfürsorge dienenden Behörden und Stellen. (2) Die Rechtsverordnungen der Bundesregierung dürfen für die Ahndung von Verstößen gegen die Ordnung oder Sicherheit der Anstalt nur Hausstrafen vorsehen, die der Vollzugsleiter oder bei Untersuchungshaft der Richter verhängt. Die schwersten Hausstrafen sind die Beschränkung des Verkehrs mit der Außenwelt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten und Arrest bis zu zwei Wochen. Mildere Hausstrafen sind zulässig. Dunkelhaft ist verboten. § 116 Zeitlicher Geltungst ereich (1) Das Gesetz wird auch auf Verfehlungen angewendet, die vor seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Für diese Verfehlungen ist das Mindestmaß der Jugendstrafe drei Monate. (2) Auf Jugendstrafe darf gegen einen Heranwachsenden nicht erkannt werden, wenn die Straftat vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen ist und nach dem allgemeinen Strafrecht die Verhängung einer Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten zu erwarten gewesen wäre. (3) Auf Jugendstrafe von unbestimmter Dauer darf gegen einen Heranwachsenden nur erkannt werden, wenn die Tat nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen ist oder wenn bei mehreren Straftaten das Schwergewicht in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt. § 117 Gerichtsverfassung (1) Die Wahl der Jugendschöffen nach § 35 erfolgt erstmalig innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, später gleichzeitig mit der Wahl der Schöffen für die Schöffengerichte und die Strafkammern. Solange noch keine Jugendschöffen gewählt sind, werden dem Jugendschöffengericht und der Jugendkammer die auf Grund anderer Rechtsvorschriften gewählten Jugendschöffen oder, soweit solche nicht vorhanden sind, die nach den allgemeinen Vorschriften gewählten Schöffen beigegeben. Solange keine nach diesem Gesetz gewählten Jugendschöffen zur Verfügung stehen, kann von der Durchführung des § 33 Abs. 3 Satz 2 abgesehen werden. 768 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1953, Teil I (2) Wo ein Jugendwohlfahrtsausschuß noch nicht besteht, wird die Vorschlagsliste nach § 35 Abs. 3 vom Jugendamt aufgestellt. § 118 Zuständigkeit und Verfahren (1) Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Strafsachen gegen Jugendliche oder Heranwachsende gehen in der Lage, in der sie sich befinden, auf das zuständige Jugendgericht über. (2) Sind Strafsachen gegen Heranwachsende und Erwachsene verbunden, so sollen die Sachen gegen Heranwachsende abgetrennt und an das zuständige Jugendgericht verwiesen werden, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen. (3) Hat die Hauptverhandlung begonnen, so ist sie nach den bisherigen Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen. Die Bekanntmachung einer Entscheidung und ihre Anfechtung durch Rechtsmittel bestimmen sich, wenn die Entscheidung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes oder auf Grund einer nach Satz 1 zu Ende geführten Hauptverhandlung erlassen worden ist, nach den bisher geltenden Vorschriften. Die Besetzung des Rechtsmittelgerichts bestimmt sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. § 119 Freiheitsstrafen (1) Jugendgefängnisstrafen, auf die gegen einen Jugendlichen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erkannt worden ist, werden für die Anwendung dieses Gesetzes der Jugendstrafe gleichgestellt. (2) Die Vorschriften über die beschränkte Auskunft und Tilgung von Jugendstrafen (§ 95) werden auch auf Gefängnis- oder Festungshaftstrafen angewendet, die von Wehrmachtgerichten oder Gerichten wehrmachtähnlicher Formationen gegen einen Jugendlichen verhängt worden sind. § 120 Verweisungen Verweisungen auf Vorschriften des Reichsjugendgerichtsgesetzes vom 6. November 1943 (Reichsge-setzbl. I S. 637) gelten als Verweisungen auf die an ihre Stelle getretenen Vorschriften dieses Gesetzes. § 121 Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes Das Gerichtsverfassungsgesetz wird wie folgt geändert: 1. §26 wird durch folgende Vorschrift ersetzt: "§ 26 (1) Für Straftaten Erwachsener, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher verletzt oder unmittelbar gefährdet wird, sowie für Verstöße Erwachsener gegen Vorschriften, die dem Jugendschutz oder der Jugenderziehung dienen, sind neben den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten auch die Jugendgerichte zuständig. Die §§24 und 25 gelten entsprechend. (2) In Jugendschutzsachen soll der Staatsanwalt Anklage bei den Jugendgerichten nur erheben, wenn in dem Verfahren Kinder oder Jugendliche als Zeugen benötigt werden oder wenn aus sonstigen Gründen eine Verhandlung vor dem Jugendgericht zweckmäßig erscheint." 2. Nach §74a wird folgender § 74b eingefügt: "§ 74b In Jugendschutzsachen (§26 Abs. 1 Satz 1) ist neben der für allgemeine Strafsachen zuständigen Strafkammer auch die Jugendkammer als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. §26 Abs. 2 und §§73 und 74 gelten entsprechend." § 122 Aufhebung von Rechtsvorschriften Vorschriften, die diesem Gesetz entgegenstehen oder gegenstandslos werden, treten außer Kraft. Aufgehoben werden namentlich folgende Vorschriften, soweit sie nicht bereits außer Kraft getreten sind: 1. Das Reichsjugendgerichtsgesetz in der Fassung der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts (Jugendstrafrechtsverord-nung) vom 6. November 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 637), 2. die Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts (Ju-gendstrafrechtsverordnung) vom 6. November 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 635), 3. die Verordnung zur Durchführung der Jugend-strafrechtsverordnung in den Alpen- und Donau-Reichsgauen, im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren (Erste Durchführungsverordnung zum Reichsjugendgerichts-gesetz) vom 6. Dezember 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 669), 4. die Verordnung zur Anwendung des Reichsjugendgerichtsgesetzes in der Wehrmachtgerichtsbarkeit und der SS- und Polizeigerichtsbarkeit (Zweite Durchführungsverordnung zum Reichsjugendgerichtsgesetz) vom 28. Dezember 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 687), 5. § 1 des württembergisch-badischen Gesetzes Nr. 205 zur Abänderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes und der Jugendarrestvollzugsordnung vom 14. August 1946 (Regierungsbl. der Regierung Württemberg-Baden S. 246), 6. § 6a der Landesverordnung des Landes Rheinland-Pfalz über Gerichtsverfassung und Verfah-ren vom 11. April 1947 (Verordnungsbl. der Landesregierung Rheinland-Pfalz S. 155) in der Fassung des Landesgesetzes zur Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege und zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 2. September 1949 (Gesetz-und Verordnungsbl. der Landesregierung Rheinland-Pfalz Teil I S. 374), 7. § 6 des badischen Landesgesetzes zur Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in Nr. 44 – Tag der Ausgabe : Bonn, den 6. August 1953 769" der Strafrechtspflege vom 30. Dezember 1947 (Badisches Gesetz- und Verordnungsbl. 1948 S. 39), 8. § 6 des Gesetzes des Landes Württemberg-Hohenzollern zur Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege vom 14. Mai 1948 (Regierungsbl. für das Land Württemberg-Hohenzollern S. 85), 9. das Landesgesetz des Landes Rheinland-Pfalz zur Änderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes vom 30. Dezember 1948 (Gesetz- und Verordnungsbl. der Landesregierung Rheinland-Pfalz 1949 Teil IS. 1), 10. § 6 der Rechtsanordnung des Kreispräsidenten von Lindau zur Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege vom 26. April 1949 (Amtsblatt des Bayerischen Kreises Lindau Nr. 18). § 123 Land Berlin Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund der in diesem Gesetz enthaltenen Ermächtigung erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. § 124 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Bonn, den 4. August 1953. Der Bundespräsident Theodor Heuss Der Bundeskanzler Adenauer Der Bundesminister der Justiz Dehler