Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1975  Nr. 23 vom 28.02.1975  - Seite 625 bis 625 - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts)

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts) Nr. 23 Tag der Ausgabe: Bonn, den 28. Februar 1975 625 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts In den Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. SfrRG) vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzblatt 1 S. 1297) hal das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 25. Heb mar 1975 1 BvF 1/74 — 6/74 -—¦ entschieden: I. § 218a des Slralgeselzbuches in der Fassung des Fünften Gesel/.es zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzbl. 1 S. 1297) ist mit Arlikel 2 Absatz 2 Satzl in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar und nichtig, als er den Schwangerschaftsabbruch auch dann von der Strafbarkeif ausnimmt, wenn keine Gründe vorliegen, die im Sinne der Entscheidungsgründe vor der Wertordnung des Grundgesetzes Bestand haben. II. Bis zum Inkrafltreten einer gesetzlichen Neuregelung wird gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht angeordnet: 1. § 218b und § 219 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (Bun- desgesetzbl. I S. 1297) sind auch auf Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis anzuwenden. 2. Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt innerhalb der ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht nach § 218 des Strafgesetzbuches strafbar, wenn an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 des Strafgesetzbuches vorgenommen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. 3. Ist der Abbruch der Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis von einem Arzt mit Einwilligung der Schwangeren vorgenommen worden, um von der Schwangeren die auf andere ihr zumutbare Weise nicht abzuwendende Gefahr einer schwerwiegenden Notlage abzuwenden, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach § 218 des Strafgesetzbuches absehen. Der vorstehende Entscheidungssatz Ziffer I hat gemäß § 31 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht Gesetzeskraft. Bonn, den 27. Februar 1975 Der Bundesminister der Justiz Dr. Vogel