Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1978  Nr. 20 vom 18.04.1978  - Seite 497 bis 499 - Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung

Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Bundesgesetzblatt 497 Teill Z1997 A 1978 Ausgegeben zu Bonn am 18.April 1978 Nr. 20 Tag 14. 4. 78 10. 4. 78 12. 4. 78 13. 4. 78 14.4.78 Inhalt Seite Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung......................................___ 497 neu: 312-2-3: 312-2 Erste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung..................... 500 810-1-18 Verordnung zur Gleichstellung von Prüfungszeugnissen der Berufsfachschule für Elektrotechnik in Bremen mit den Zeugnissen über das Bestehen der Abschlußprüfung in Ausbildungsberufen.................................................................... 501 neu: 800-21-11-3 Verordnung zur Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit des Tabaks ................... 502 neu: 7823-3-2-8; 7823-1-10 Vierte Verordnung zum Sprengstoffgesetz (4. SprengV) ................................ 503 neu: 7134-2-4; 7134-1-1-2 Hinweis auf andere Verkündungsblätter Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 20...................................................... 507 Verkündungen im Bundesanzeiger................................................... 507 Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften................................... 508 Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Vom 14. April 1978 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung der Strafprozeßordnung Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Januar 1975 (BGBl. I S. 129, 650), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2181), wird wie folgt geändert: 1. § 103 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird folgender Satz 2 angefügt: "Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält." b) Absatz 2 erhält folgende Fassung: "(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat." 2. In § 105 Abs. 1 wird folgender Satz 2 angefügt: "Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ord- net der Richter an; die Staatsanwaltschaft hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist." ist 3. In § 108 wird folgender Satz 3 angefügt: "Satz 1 findet keine Anwendung, soweit eine Durchsuchung nach § 103 Abs. 1 Satz 2 stattfindet." 4. Nach § 110 wird folgender § 111 eingefügt: "§111 (1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches, eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten oder eine Straftat nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, so können auf öffentlichen Straßen und Plätzen und an anderen öffentlich zugänglichen Orten Kontrollstellen eingerichtet werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Maßnahme zur Ergreifung des Täters oder zur Sicherstellung von Beweismitteln führen kann, die der Aufklärung der Straftat dienen können. An einer Kontrollstelle ist jedermann verpflichtet, seine Identität feststellen und sich sowie mitgeführte Sachen durchsuchen zu lassen. 498 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1978, Teil I (2) Die Anordnung, eine Kontrollstelle einzurichten, trifft der Richter; die Staatsanwaltschaft und ihre I lilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) sind hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist. (3) Für die Durchsuchung und die Feststellung der Identität nach Absatz 1 gelten § 106 Abs. 2 Satz 1, § 107 Satz. 2 erster Halbsatz, die §§ 108, 109, HO Abs. 1 und 2 sowie die §§ 163b, 163c entsprechend." 5. § 127 wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 erhält folgende Fassung: "(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163 b Abs. 1." b) In Absatz 2 wird das Wort "Polizeibeamten" durch die Worte "Beamten des Polizeidienstes" ersetzt. 6. § 138 a erhält folgende Fassung: "§ 138 a (1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, daß er 1. an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist, 2. den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder 3. eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre. (2) Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er eine der in Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen begangen hat oder begeht. (3) Die Ausschließung ist aufzuheben, 1. sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist, 2. wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen oder wenn in einem Urteil des Ehrenoder Berufsgerichts eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht festgestellt wird, 3. wenn nicht spätestens ein Jahr nach der Ausschließung wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, das Hauptverfahren im Strafverfahren oder im ehren- oder berufsgerichtlichen Verfahren eröffnet oder ein Strafbefehl erlassen worden ist. Eine Ausschließung, die nach Nummer 3 aufzuheben ist, kann befristet, längstens jedoch insgesamt für die Dauer eines weiteren Jahres, aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Sache oder ein anderer wichtiger Grund die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht zuläßt. (4) Solange ein Verteidiger ausgeschlossen ist, kann er den Beschuldigten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. In sonstigen Angelegenheiten darf er den Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aufsuchen. (5) Andere Beschuldigte kann ein Verteidiger, solange er ausgeschlossen ist, in demselben Verfahren nicht verteidigen, in anderen Verfahren dann nicht, wenn diese eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zum Gegenstand haben und die Ausschließung in einem Verfahren erfolgt ist, das ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand hat. Absatz 4 gilt entsprechend." 7. § 138 b Satz 2 erhält folgende Fassung: "§ 138 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend." 8. In § 138 c Abs. 3 Satz 1 werden nach dem Wort "ruhen" der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Halbsatz angefügt: "es kann das Ruhen dieser Rechte auch für die in § 138 a Abs. 4 und 5 bezeichneten Fälle anordnen". 9. § 148 Abs. 2 erhält folgende Fassung: "(2) Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß und ist Gegenstand der Untersuchung eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches, so sind Schriftstücke und andere Gegenstände zurückzuweisen, sofern sich der Absender nicht damit einverstanden erklärt, daß sie zunächst einem Richter vorgelegt werden. Das gleiche gilt unter den Voraussetzungen des Satzes 1 für den schriftlichen Verkehr zwischen dem Beschuldigten und einem Verteidiger in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren. Ist der schriftliche Verkehr nach Satz 1 oder 2 zu überwachen, so sind für das Gespräch zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger Vorrichtungen vorzusehen, die die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen ausschließen." 10. Nach § 163 a werden folgende §§ 163 b und 163 c eingefügt: "§ 163 b (1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Nr. 20 — Tag der Ausgabe: Bonn, den 18. April 1978 499 Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163 a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig. (2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden. § 163 c (1) Eine von einer Maßnahme nach § 163 b betroffene Person darf in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerläßlich festgehalten werden. Die festgehaltene Person ist unverzüglich dem Richter bei dem Amtsgericht, in, dessen Bezirk sie ergriffen worden ist, zum Zwecke der Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung vorzuführen, es sei denn, daß die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur Feststellung der Identität notwendig wäre. (2) Die festgehaltene Person hat ein Recht darauf, daß ein Angehöriger oder eine Person ihres Vertrauens unverzüglich benachrichtigt wird. Ihr ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, es sei denn, daß sie einer Straftat verdächtig ist und der Zweck der Untersuchung durch die Benachrichtigung gefährdet würde. (3) Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer von insgesamt zwölf Stunden nicht überschreiten. (4) Ist die Identität festgestellt, so sind in den Fällen des § 163 b Abs. 2 die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen Unterlagen zu vernichten." Artikel 2 Übergangsregelung (1) Ist ein Verteidiger im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nach § 138 a Abs. 1 oder 2 der Strafprozeßordnung in der bisherigen Fassung von der Mitwirkung in einem Verfahren ausgeschlossen, so ist § 138 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 der Strafprozeßordnung in der Fassung dieses Gesetzes erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden. (2) § 138 a Abs. 2 und 5, § 148 Abs. 2 der Strafprozeßordnung in der Fassung dieses Gesetzes finden auch Anwendung, wenn Gegenstand der Untersuchung eine vor dem Inkrafttreten des § 129 a des Strafgesetzbuches begangene Straftat nach § 129 des Strafgesetzbuches ist, sofern der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet war, 1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212, 220 a), 2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239 a oder des § 239 b oder 3. gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, des § 310 b Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311 a Abs. 1, der §§ 312, 316 c Abs. 1 oder des § 324 zu begehen. Artikels Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin. Artikel 4 Einschränkung von Grundrechten Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird durch Artikel 1 Nr. 1 dieses Gesetzes und das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) wird durch Artikel 1 Nr. 4 und 10 dieses Gesetzes eingeschränkt. Artikel 5 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft, § 148 Abs. 2 Satz 3 jedoch erst am ersten Tage des zweiten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und wird im Bundesgesetzblatt verkündet. Bonn, den 14. April 1978 Der Bundespräsident Scheel Der Bundeskanzler Schmidt Der Bundesminister der Justiz Dr. Vogel