Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1989  Nr. 26 vom 15.06.1989  - Seite 1059 bis 1061 - Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten Nr. 26 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 15. Juni 1989 1059 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten Vom 9. Juni 1989 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Strafgesetzbuches Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBI.I S. 945, 1160), geändert durch Artikel 4 Abs. 20 des Gesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl. I S. 1026), wird wie folgt geändert: 1. § 239a wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 wird wie folgt gefaßt: "(1) Wer einen anderen entführt oder sich eines anderen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines anderen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft." b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt: "(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr." c) Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden Absätze 3 und 4. 2. § 239 b wird wie folgt gefaßt: "§ 239 b Geiselnahme (1) Wer einen anderen entführt oder sich eines anderen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 224) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines anderen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend." 3. § 243 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird in Nummer 6 der Punkt durch das Wort "oder" ersetzt; folgende Nummer wird angefügt: "7. eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt." b) Absatz 2 wird wie folgt gefaßt: "(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht." 4. Dem § 316 b wird folgender Absatz angefügt: "(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, insbesondere mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft, beeinträchtigt." Artikel 2 Änderung der Strafprozeßordnung Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 17 des Gesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl. I S. 1026), wird wie folgt geändert: § 112a Abs. 1 wird wie folgt geändert: In Satz 1 Nr. 2 wird nach dem Wort "Straftat" die Verweisung "nach § 125a," eingefügt. Artikel 3 Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches (1) Das Versammlungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBI.I 5. 1789), geändert durch das Gesetz vom 18. Juli 1985 (BGBl. I S. 1511), wird wie folgt geändert: 1. Nach § 12 wird eingefügt: "§ 12a (1) Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. (2) Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit 1060 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1989, Teil I unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden 1. für die Verfolgung von Straftaten von Teilnehmern oder 2. im Einzelfall zur Gefahrenabwehr, weil die betroffene Person verdächtig ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der öffentlichen Versammlung vorbereitet oder begangen zu haben, und deshalb zu besorgen ist, daß von ihr erhebliche Gefahren für künftige öffentliche Versammlungen oder Aufzüge ausgehen. Unterlagen, die aus den in Satz 1 Nr. 2 aufgeführten Gründen nicht vernichtet wurden, sind in jedem Fall spätestens nach Ablauf von drei Jahren seit ihrer Entstehung zu vernichten, es sei denn, sie würden inzwischen zu dem in Satz 1 Nr. 1 aufgeführten Zweck benötigt. (3) Die Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Informationen nach Maßgabe der Strafprozeßordnung und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten bleiben unberührt." 2. § 17a wird wie folgt gefaßt: ,,§ 17a (1) Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen. (2) Es ist auch verboten, 1. an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen, 2. bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn es sich um Veranstaltungen im Sinne des § 17 handelt. Die zuständige Behörde kann weitere Ausnahmen von den Verboten der Absätze 1 und 2 zulassen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu besorgen ist. (4) Die zuständige Behörde kann zur Durchsetzung der Verbote der Absätze 1 und 2 Anordnungen treffen. Sie kann insbesondere Personen, die diesen Verboten zuwiderhandeln, von der Veranstaltung ausschließen." 3. Nach § 19 wird eingefügt: .,§ 19a Für Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen gilt § 12a." 4. Nach § 22 wird eingefügt: "§23 Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen oder anderen Darstellungen zur Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung oder einem Aufzug auffordert, nachdem die Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt oder die Auflösung angeordnet worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." 5. § 27 wird wie folgt geändert: a) Die bisherige Vorschrift wird Absatz 1. b) Folgender Absatz wird angefügt: "(2) Wer 1. entgegen § 17a Abs. 1 bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich führt, 2. entgegen § 17a Abs. 2 Nr. 1 an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilnimmt oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurücklegt oder 3. sich im Anschluß an oder sonst im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen mit anderen zusammenrottet und dabei a) Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führt, b) Schutzwaffen oder sonstige in Nummer 1 bezeichnete Gegenstände mit sich führt oder c) in der in Nummer 2 bezeichneten Weise aufgemacht ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." 6. In § 29 Abs. 1 werden die Nummern 1 a und 1 b durch folgende Nummer ersetzt: "1 a. entgegen § 17a Abs. 2 Nr. 2 bei einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel, einem Aufzug oder einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Gegenstände, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern, mit sich führt." 7. § 30 wird wie folgt gefaßt: "§30 Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 27 oder §28 oder eine Ordnungswidrigkeit nach §29 Abs. 1 Nr. 1a oder 3 bezieht, können eingezogen Nr. 26 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 15. Juni 1989 1061 werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden." (2) Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160), geändert durch Artikel 4 Abs. 20 des Gesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl. I S. 1026), wird wie folgt geändert: In § 125 werden die Absätze 2 bis 4 durch folgenden Absatz ersetzt: "(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3,4 sinngemäß." Artikel 4 Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten §1 Offenbart der Täter oder Teilnehmer einer Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches oder einer mit dieser Tat zusammenhängenden Straftat selbst oder durch Vermittlung eines Dritten gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde sein Wissen über Tatsachen, deren Kenntnis geeignet ist, 1. die Begehung einer solchen Straftat zu verhindern, 2. die Aufklärung einer solchen Straftat, falls er daran beteiligt war, über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder 3. zur Ergreifung eines Täters oder Teilnehmers einer solchen Straftat zu führen, so kann der Generalbundesanwalt mit Zustimmung eines Strafsenats des Bundesgerichtshofes von der Verfolgung absehen, wenn die Bedeutung dessen, was der Täter oder Teilnehmer offenbart hat, insbesondere im Hinblick auf die Verhinderung künftiger Straftaten, dies im Verhältnis zu der eigenen Tat rechtfertigt. §2 In den Fällen des § 1 kann das Gericht im Urteil von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern; dabei kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen. Beabsichtigt das Gericht, das Verfahren nach §153b Abs. 2 der Strafprozeßordnung einzustellen, so ist die nach dieser Vorschrift erforderliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft vom Generalbundesanwalt zu erteilen. §3 Die §§ 1 und 2 sind auf Straftaten nach § 220 a des Strafgesetzbuches nicht anzuwenden. Bei Straftaten nach den §§ 211, 212 des Strafgesetzbuches ist ein Absehen von Verfolgung und Strafe nicht und eine Strafmilderung nach § 2 Satz 1 nur bis zu einer Mindeststrafe von drei Jahren zulässig; die Möglichkeit, von Verfolgung und Strafe wegen anderer, mit einer solchen Tat zusammenhängender Straftaten nach den §§ 1 und 2 abzusehen oder die Strafe nach § 2 zu mildern, bleibt unberührt. Satz 2 findet in den Fällen des Versuchs, der Anstiftung oder der Beihilfe keine Anwendung. §4 Ein Dritter im Sinne des § 1 ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Vermittler anvertraut worden ist. §5 Die §§ 1 bis 3 sind nur anzuwenden, wenn das Wissen über die Tatsachen bis zum 31. Dezember 1992 offenbart worden ist. Artikel 5 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin. Artikel 6 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und wird im Bundesgesetzblatt verkündet. Bonn, den 9. Juni 1989 Der Bundespräsident Weizsäcker Der Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Der Bundesminister der Justiz Engelhard Der Bundesminister des Innern Schäuble