Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1992  Nr. 58 vom 24.12.1992  - Seite 2086 bis 2087 - Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes

Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 2086 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1992, Teil I Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes Vom 21. Dezember 1992 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten: Artikel 1 Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1254), wird wie folgt geändert: 1. Nach Artikel 22 wird folgender Artikel 23 eingefügt: "Artikel 23 (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3. (2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. (3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz. (4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. (5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder be- rührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich. (6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, soll die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen werden. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. (7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf." 2. Nach Artikel 24 Abs. 1 wird folgender Absatz 1 a eingefügt: "(1 a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbar-schaftliche Einrichtungen übertragen." 3. Nach Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 wird folgender Satz eingefügt: "Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar." 4. Nach Artikel 44 wird folgender Artikel 45 eingefügt: "Artikel 45 Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Er kann ihn er- Nr. 58 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 24. Dezember 1992 2087 mächtigen, die Rechte des Bundestages gemäß Artikel 23 gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen." 5. Artikel 50 wird wie folgt gefaßt: "Artikel 50 Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit." 6. Nach Artikel 52 Abs. 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt: "(3a) Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bundesrat eine Europakammer bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten; Artikel 51 Abs. 2 und 3 Satz 2 gilt entsprechend." 7. Dem Artikel 88 wird folgender Satz angefügt: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet." 8. Artikel 115e Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Zum Erlaß von Gesetzen nach Artikel 23 Abs. 1 Satz 2, Artikel 24 Abs. 1 oder Artikel 29 ist der Gemeinsame Ausschuß nicht befugt." Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und wird im Bundesgesetzblatt verkündet. Bonn, den 21. Dezember 1992 Der Bundespräsident Weizsäcker Der Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Der Bundesminister des Innern Seiters Der Bundesminister des Auswärtigen Kinkel Die Bundesministerin der Justiz S. Leutheusser-Schnarrenberger Der Bundesminister der Finanzen Theo Waigel Der Bundesminister für Wirtschaft JürgenW. Möllemann