Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1976  Nr. 56 vom 21.05.1976  - Seite 1213 bis 1215 - Fünfzehntes Strafrechtsänderungsgesetz

Fünfzehntes Strafrechtsänderungsgesetz Bundesgesetzblatt 1213 Teil I Z1997 A 1976 Ausgegeben zu Bonn am 21. Mai 1976 Nr. 56 Tag 18. 5. 76 Fünfzehntes Strafrechtsänderungsgesetz 450-2, 312-2 18. 5. 76 Gesetz über die Pockenschutzimpfung ., 2126-5, 2)26-5-1, 2126-5-2 Inhalt Seite 1213 1216 Hinweis auf andere Verkündungsblätter Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften ........... 1219 Fünfzehntes Strafrechtsänderungsgesetz Vom 18. Mai 1976 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Strafgesetzbuches Das Strafgesetzbuch wird wie folgt geändert; 1. In § 203 Abs. 1 Nr. 4 a werden das Wort "ermächtigten" durch das Wort "anerkannten" und die Angabe "§ 218 c" durch die Angabe "§ 218b Abs. 2 Nr. 1" ersetzt. 2. § 218 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 werden die Worte "später als am dreizehnten Tage nach der Empfängnis" gestrichen. b) Absatz 2 erhält folgende Fassung: "(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder 2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht. Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§68 Abs. 1 Nr. 2)." c) Dem Absatz 3 werden folgende Sätze 2 und 3 angefügt: "Die Schwangere ist nicht nach Satz 1 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 218 b Abs. 1 Nr. 1, 2) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von einer Bestrafung der Schwangeren nach Satz 1 absehen, wenn sie sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat." 3. § 218 a wird aufgehoben. 4. Die bisherigen §§ 218 b und 218 c werden und 218 b und erhalten folgende Fassung: 218 a "§ 218 a Indikation zum Schwangerschaftsabbruch (1) Der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nicht nach § 218 strafbar, wenn 1. die Schwangere einwilligt und 2. der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung 1214 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1976, Teil I des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. (2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis 1. dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann, 2. an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 begangen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, oder 3. der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die a) so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann, und b) nicht auf eine andere für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden kann. (3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 dürfen seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 und 3 nicht mehr als zwölf Wochen verstrichen sein. § 218b Abbruch der Schwangerschaft ohne Beratung der Schwangeren (1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, ohne daß die Schwangere 1. sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff wegen der Frage des Abbruchs ihrer Schwangerschaft an einen Berater (Absatz 2) gewandt hat und dort über die zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder beraten worden ist, insbesondere über solche Hilfen, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern, und 2. von einem Arzt über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte beraten worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist. Die Schwangere ist nicht nach Satz 1 strafbar. (2) Berater im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 ist 1. eine von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannte Beratungsstelle oder 2. ein Arzt, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vornimmt und a) als Mitglied einer anerkannten Beratungsstelle (Nummer 1) mit der Beratung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 betraut ist, b) von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts als Berater anerkannt ist oder c) sich durch Beratung mit einem Mitglied einer anerkannten Beratungsstelle (Nummer 1), das mit der Beratung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 betraut ist, oder mit einer Sozialbehörde oder auf andere geeignete Weise über die im Einzelfall zur Verfügung stehenden Hilfen unterrichtet hat. (3) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Schwangerschaftsabbruch angezeigt ist, um von der Schwangeren eine durch körperliche Krankheit oder Körperschaden begründete Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit abzuwenden." 5. § 219 erhält folgende Fassung: "§ 219 Abbruch der Schwangerschaft ohne ärztliche Feststellung (1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, ohne daß ihm die schriftliche Feststellung eines Arztes, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, darüber vorgelegen hat, ob die Voraussetzungen des § 218 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 gegeben sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist. Die Schwangere ist nicht nach Satz 1 strafbar. (2) Ein Arzt darf Feststellungen nach Absatz 1 nicht treffen, wenn ihm die zuständige Stelle dies untersagt hat, weil er wegen einer rechtswidrigen Tat nach Absatz 1 oder den §§ 218, 218 b, 219 a, 219 b oder 219 c oder wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die er im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch begangen hat, rechtskräftig verurteilt worden ist. Die zuständige Stelle kann einem Arzt vorläufig untersagen, Feststellungen nach Absatz 1 zu treffen, wenn gegen ihn wegen des Verdachts einer der in Satz 1 bezeichneten rechtswidrigen Taten das Hauptverfahren eröffnet worden ist." 6. Nach § 219 wird folgende Vorschrift eingefügt: "§ 219 a Unrichtige ärztliche Feststellung (1) Wer als Arzt wider besseres Wissen eine unrichtige Feststellung über die Voraussetzungen des § 218 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 zur Vorlage nach § 219 Abs. 1 trifft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist. (2) Die Schwangere ist nicht nach Absatz 1 strafbar." Nr. 56 — Tag der Ausgabe: Bonn, den 21. Mai 1976 1215 7. Der bisherige § 219 a wird § 219 b; in seinem Absatz 2 werden das Wort "ermächtigte" durch das Wort "anerkannte", die Angabe "(§ 218c)" durch die Angabe "(§ 218 b Abs. 2 Nr. 1)" und die Angabe "der §§ 218 a und 218 b" durch die Angabe "des § 218 a" ersetzt. 8. Der bisherige § 219 b wird § 219 c. 9. Nach § 219 c wird folgende Vorschrift eingefügt: "§ 219d Begriffsbestimmung Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes." Artikel 2 Änderung der Strafprozeßordnung Die Strafprozeßordnung wird wie folgt geändert: 1. In § 53 Abs. 1 Nr. 3 a werden das Wort "ermächtigten" durch das Wort "anerkannten" und die Angabe "§ 218 c" durch die Angabe "§ 218b Abs. 2 Nr. 1" ersetzt und die Worte "oder einer zur Begutachtung nach § 219 des Strafgesetzbuches zuständigen Stelle" gestrichen. 2. In § 97 Abs. 2 Satz 2 werden das Wort "ermächtigten" durch das Wort "anerkannten" und die Angabe "§ 218 c" durch die Angabe "§ 218 b Abs. 2 Nr. 1" ersetzt und die Worte "oder der zur Begutachtung nach § 219 des Strafgesetzbuches zuständigen Stelle" gestrichen. Artikel 3 Änderung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts Das Fünfte Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 1297) wird wie folgt geändert: 1. Artikel 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung: "(1) Der Schwangerschaftsabbruch darf nur in einem Krankenhaus oder in einer hierfür zugelassenen Einrichtung vorgenommen werden." 2. Artikel 4 wird wie folgt geändert: a) In Satz 1 wird die Angabe "der §§ 218 a und 218 b" durch die Angabe "des § 218 a" ersetzt; b) in Satz 2 wird in Nummer 5 das Wort "sowie" durch einen Beistrich ersetzt, der Nummer 6 das Wort "sowie" angefügt und folgende Nummer 7 eingefügt: "7. gegebenenfalls den fremden Staat, in dem die Schwangere ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat,". Artikel 4 Noch nicht vollstreckte Strafen; Beendigung von Strafverfahren Die Artikel 9 und 10 des Fünften Gesetzes zur Reform des Straf rechts vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 1297) sind entsprechend anzuwenden, soweit eine Tat nach dem vorliegenden Gesetz nicht mehr strafbar ist. Hierbei tritt an die Stelle der Angabe "(§ 73 Abs. 2 des Strafgesetzbuches)" in Artikel 9 Abs. 3 Satz 1 die Angabe "(§ 52 Abs. 2 des Strafgesetzbuches)". Artikel 5 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Artikel 6 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt einen Monat nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Bonn, den 18. Mai 1976 Der Bundespräsident Scheel Der Bundeskanzler Schmidt Der Bundesminister der Justiz ¦ Dr. Vogel