Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1991  Nr. 32 vom 29.05.1991  - Seite 1168 bis 1171 - Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut (Tollwut-Verordnung)

Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut (Tollwut-Verordnung) 1168 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1991, Teil I Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut (Tollwut-Verordnung) Vom 23. Mai 1991 Abschnitt 1: Abschnitt 2: Unterabschnitt 1: Unterabschnitt 2: Unterabschnitt 3: Unterabschnitt 4: Unterabschnitt 5: Abschnitt 3: Abschnitt 4: Inhaltsübersicht §§ Begriffsbestimmungen 1 Schutzmaßregeln 2 bis 14 Allgemeine Schutzmaßregeln 2 bis 5 Besondere Schutzmaßregeln bei Haustieren 6 bis 10 A. Vor amtlicher Feststellung 6 B. Nach amtlicher Feststellung 7 bis 10 Besondere Schutzmaßregeln bei wildlebenden Tieren 11 bis 12 Desinfektion 13 Aufhebung der Schutzmaßregeln 14 Ordnungswidrigkeiten 15 Inkrafttreten, Außerkrafttreten 16 Auf Grund des § 79 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b und c, des § 79 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 18, 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 2, den §§ 23, 24, 26, 27 Abs. 1 und 2 und § 28 sowie des § 79 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 78 des Tierseuchengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 1980 (BGBl. I S. 386), von denen § 17 Abs. 2 und die §§ 18, 23, 28 und 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 durch Artikel 1 Nr. 19, 25, 27, 29 und 44 des Gesetzes vom 15. Februar 1991 (BGBl. I S. 461) geändert worden sind, verordnet der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Abschnitt 1 Begriffsbestimmungen §1 Im Sinne dieser Verordnung liegen vor: 1. Ausbruch der Tollwut, wenn diese durch virologische Untersuchung (Virus- oder Antigennachweis) festgestellt ist; 2. Verdacht des Ausbruchs der Tollwut, wenn das Ergebnis der klinischen Untersuchung, der pathologisch-anatomischen Untersuchung oder der histologischen Untersuchung, jeweils in Verbindung mit epizootiologi-schen Anhaltspunkten, den Ausbruch der Tollwut befürchten läßt; 3. wirksamer Impfschutz, wenn eine Impfung gegen Tollwut a) im Falle einer Erstimpfung mindestens 30 Tage und längstens 12 Monate zurückliegt oder b) im Falle einer Wiederholungsimpfung längstens 12 Monate nach vorangegangener Tollwutschutzimpfung durchgeführt worden ist und längstens 12 Monate zurückliegt. Abschnitt 2 Schutzmaßregeln Unterabschnitt 1 Allgemeine Schutzmaßregeln §2 Impfungen und Heilversuche (1) Gegen die Tollwut darf nur mit Impfstoffen aus nicht vermehrungsfähigen (inaktivierten) Erregern geimpft werden. Impfungen seuchenkranker oder verdächtiger Tiere gegen die Tollwut sind verboten. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Impfung wildlebender Tiere. (2) Die zuständige Behörde kann Impfungen gegen die Tollwut anordnen, sofern dies aus Gründen der Seuchenbekämpfung erforderlich ist. (3) Heilversuche an verdächtigen Tieren sind verboten. §3 Ausnahmen Die zuständige Behörde kann Ausnahmen zulassen, sofern Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, 1. von § 2 Abs. 1 Satz 1 für die Impfung mit anderen als den dort bezeichneten Impfstoffen, Nr. 32 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 29. Mai 1991 1169 2. von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 für wissenschaftliche Versuche, 3. von § 2 Abs. 1 Satz 2 für ansteckungsverdächtige Tiere, sofern sie zu dem Zeitpunkt, an dem sie tatsächlich oder vermutlich mit seuchenkranken oder seuchenverdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind, unter wirksamem Impfschutz gestanden haben. §4 Anzeige von Tierausstellungen Hunde- und Katzenausstellungen sowie Veranstaltungen ähnlicher Art mit Hunden und Katzen sind der zuständigen Behörde mindestens acht Wochen vor Beginn anzuzeigen. Die zuständige Behörde kann solche Ausstellungen und Veranstaltungen beschränken oder verbieten, wenn es aus Gründen der Seuchenbekämpfung erforderlich ist. §5 Kennzeichnung Es ist verboten, über drei Monate alte Hunde außerhalb geschlossener Räume frei laufen zu lassen oder mit sich zu führen, wenn sie nicht ein Halsband, einen Gurt oder ein sonstiges Hundegeschirr tragen, auf oder an dem Name und Anschrift des Besitzers angegeben sind oder an dem eine Steuermarke befestigt ist. Dies gilt nicht für Hunde auf umfriedeten Grundstücken, von denen sie nicht entweichen können, und für Jagdhunde bei jagdlicher Verwendung. Unterabschnitt 2 Besondere Schutzmaßregeln bei Haustieren A. Vor amtlicher Feststellung §6 Im Falle des Ausbruchs oder des Verdachts des Ausbruchs der Tollwut in einem Betrieb oder an einem sonstigen Standort gilt vor der amtlichen Feststellung für seuchenverdächtige Haustiere folgendes: 1. Der Besitzer muß alle Haustiere an ihrem jeweiligen Standort so absondern, daß sie nicht mit Haustieren anderer Besitzer sowie mit Menschen in Berührung kommen können. 2. Verendete oder getötete Haustiere sind so aufzubewahren, daß sie Witterungseinflüssen nicht ausgesetzt sind und daß Menschen oder Tiere nicht mit ihnen in Berührung kommen können. Sie dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde und nur zu diagnostischen Zwecken oder zur unschädlichen Beseitigung aus dem Betrieb oder von dem sonstigen Standort verbracht werden. Sie dürfen nur von einem Tierarzt oder unter dessen Leitung zerlegt werden; das Abtrennen des Kopfes gilt nicht als Zerlegen. 3. Führt die amtstierärztliche Untersuchung bei einem als seuchenverdächtig gemeldeten Haustier nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so ordnet die zuständige Behörde die behördliche Beobachtung des Tieres an; hierzu ist es sicher einzusperren. Die Beobachtung wird aufgehoben, wenn sich der Verdacht auf Grund amtstierärztlicher Untersuchung als unbegründet erwiesen hat. B. Nach amtlicher Feststellung §7 Tötung und unschädliche Beseitigung (1) Ist der Ausbruch oder der Verdacht des Ausbruchs der Tollwut in einem Betrieb oder an einem sonstigen Standort amtlich festgestellt, so kann die zuständige Behörde die sofortige Tötung und unschädliche Beseitigung der seuchenverdächtigen Tiere anordnen; bei seuchenverdächtigen Hunden und Katzen hat sie die Tötung und unschädliche Beseitigung anzuordnen. (2) Abweichend von Absatz 1 kann die zuständige Behörde bei seuchenverdächtigen Hunden oder Katzen anstelle der Tötung und unschädlichen Beseitigung die behördliche Beobachtung bis zur Bestätigung oder Beseitigung des Verdachts anordnen, wenn diese Tiere 1. einen Menschen gebissen haben oder 2. nachweislich unter wirksamem Impfschutz stehen. (3) Das Schlachten und Abhäuten seuchenverdächtiger Tiere sowie der Verkauf oder Verbrauch einzelner Teile, der Milch oder sonstiger Erzeugnisse solcher Tiere sind verboten. §8 Schutzmaßregeln für den gefährdeten Bezirk (1) Ist der Ausbruch oder der Verdacht des Ausbruchs der Tollwut bei einem Haustier oder einem wildlebenden Tier amtlich festgestellt, so erklärt die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Umgebung der Tierhaltung, der Abschuß-, Tötungs- oder Fundstelle bis zu einer Entfernung von etwa 10 Kilometern zum gefährdeten Bezirk und gibt dies öffentlich bekannt. (2) Die zuständige Behörde bringt an den Zugängen zu dem gefährdeten Bezirk und an anderen geeigneten Stellen Schilder mit der deutlichen und haltbaren Aufschrift "Tollwut! Gefährdeter Bezirk" gut sichtbar an. (3) Im gefährdeten Bezirk dürfen Hunde und Katzen nicht frei laufen gelassen werden. Hiervon ausgenommen sind Hunde, die nachweislich unter wirksamem Impfschutz stehen und die von einer Person begleitet werden, der sie zuverlässig gehorchen, sowie Katzen, die nachweislich unter wirksamem Impfschutz stehen. §9 Schutzmaßregeln bei Ansteckungsverdacht (1) Für Hunde und Katzen ordnet die zuständige Behörde die sofortige Tötung an, wenn anzunehmen ist, daß sie mit seuchenkranken Tieren in Berührung gekommen sind. Sie kann die sofortige Tötung dieser Hunde und Katzen anordnen, wenn anzunehmen ist, daß sie mit seuchenverdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind. (2) Andere als in Absatz 1 bezeichnete Haustiere, von denen anzunehmen ist, daß sie mit seuchenkranken oder seuchenverdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind, sind sofort behördlich zu beobachten. (3) Absatz 1 gilt nicht für Hunde und Katzen, die nachweislich bei der Berührung unter wirksamem Impfschutz standen. Solche Hunde und Katzen sind sofort behördlich 1170 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1991, Teil I zu beobachten und unverzüglich erneut gegen Tollwut zu impfen. Die zuständige Behörde kann zulassen, daß von der Impfung abgesehen wird, wenn die Tiere bereits mehrmals in kurzen Abständen gegen Tollwut geimpft worden sind. (4) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall für nicht unter wirksamem Impfschutz stehende Hunde und Katzen Ausnahmen von Absatz 1 zulassen, sofern die Tiere sofort für mindestens drei Monate sicher eingesperrt werden und Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen. § 10 Behördliche Überwachung (1) Die Dauer der behördlichen Beobachtung nach § 9 Abs. 2 und 3 beträgt sechs Monate. Die zuständige Behörde kann die Dauer bis auf zwei Monate verkürzen, sofern die ansteckungsverdächtigen Tiere vor dem Zeitpunkt, an dem sie tatsächlich oder vermutlich mit tollwutkranken oder seuchenverdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind, unter wirksamem Impfschutz standen und unverzüglich erneut gegen Tollwut geimpft werden. § 9 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend. (2) Während der behördlichen Beobachtung darf das Tier nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde von seinem Standort entfernt werden. Die Nutzung und der Weidegang von Einhufern, Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen sind gestattet; die Nutzung der Hunde bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Wird das Tier vom Standort entfernt, so unterliegt es der Beobachtung am neuen Standort. (3) Statt der behördlichen Beobachtung kann die zuständige Behörde für ansteckungsverdächtige Einhufer, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen die Tötung und unschädliche Beseitigung anordnen, sofern dies aus Gründen der Seuchenbekämpfung erforderlich ist. Unterabschnitt 3 Besondere Schutzmaßregeln bei wildlebenden Tieren §11 Bei seuchenverdächtigen Tieren Jagdausübungsberechtigte haben dafür zu sorgen, daß seuchenverdächtigen wildlebenden Tieren sofort nachgestellt wird und daß diese erlegt und unverzüglich unschädlich beseitigt werden. Ausgenommen von der Verpflichtung zur unschädlichen Beseitigung ist Untersuchungsmaterial zur Feststellung der Tollwut; bei Füchsen und kleineren Tieren ist das der ganze Tierkörper, bei größeren Tieren nur der Kopf. Wird das Untersuchungsmaterial nicht der zuständigen Behörde oder einem staatlichen Veterinäruntersuchungsamt abgeliefert, so ist der zuständigen Behörde mitzuteilen, wo es sich befindet. §12 Bei Füchsen (1) Liegen gesicherte Anhaltspunkte dafür vor, daß die Seuche durch den Fuchs verbreitet wird, so kann die zuständige Behörde anordnen, daß die Tollwut durch verstärkte Bejagung der Füchse und durch orale Immunisierung der Füchse bekämpft wird. Die Verpflichtung zur verstärkten Bejagung obliegt dem Jagdausübungsberechtigten. (2) Den Zeitraum und das Gebiet, in denen die orale Immunisierung nach Absatz 1 durchzuführen sind, bestimmt die zuständige oberste Landesbehörde im Benehmen mit der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, Tübingen; dabei sind die Epidemiologie der Seuche und die landschaftsstrukturellen Gegebenheiten zugrundezulegen. (3) Die zuständige oberste Landesbehörde kann eine großflächige orale Immunisierung zum Schutz gegen die Einschleppung der Tollwut oder zum Schutz gegen die Ausbreitung der Tollwut anordnen. Unterabschnitt 4 Desinfektion §13 Nach Tötung und unschädlicher Beseitigung der verdächtigen Tiere muß der Besitzer die Ställe oder sonstigen Standorte sowie sämtliche Gegenstände, die Träger des Seuchenerregers sein können, unverzüglich nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes reinigen und desinfizieren. Unterabschnitt 5 Aufhebung der Schutzmaßregeln § 14 (1) Die zuständige Behörde hebt angeordnete Schutzmaßregeln auf, wenn die Tollwut erloschen ist oder der Verdacht auf Tollwut beseitigt ist oder sich als unbegründet erwiesen hat. (2) Die Tollwut gilt als erloschen, wenn 1. die seuchenkranken Haustiere und die seuchenverdächtigen Hunde und Katzen verendet sind oder getötet worden sind, die toten Tiere unschädlich beseitigt worden sind und die Desinfektion nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes durchgeführt und von ihm abgenommen worden ist und 2. in den Fällen des § 8 seit Bestimmung des gefährdeten Bezirkes drei Monate vergangen sind und Tollwut bei Haustieren sowie bei Wild nicht mehr festgestellt worden ist. Abschnitt 3 Ordnungswidrigkeiten § 15 (1) Ordnungswidrig im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b des Tierseuchengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. einer vollziehbaren Anordnung nach § 2 Abs. 2, § 4 Nr. 32 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 29. Mai 1991 1171 Satz 2, § 6 Nr. 3 Satz 1, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 3 oder § 12 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 oder 2. einer mit einer Genehmigung nach § 3, § 6 Nr. 2 Satz 2, nach § 9 Abs. 3 Satz 3, auch in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 3, nach § 9 Abs. 4 oder § 10 Abs. 2 Satz 1 oder 2 verbundenen vollziehbaren Auflage zuwiderhandelt. (2) Ordnungswidrig im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 2 des Tierseuchengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 oder 2 eine Impfung oder entgegen § 2 Abs. 3 einen Heilversuch durchführt, 2. entgegen § 4 Satz 1 eine Tierausstellung oder eine Veranstaltung ähnlicher Art nicht oder nicht rechtzeitig anzeigt, 3. entgegen § 5 Satz 1 einen über drei Monate alten Hund außerhalb geschlossener Räume ohne die vorgeschriebene Kennzeichnung frei laufen läßt oder mit sich führt, 4. entgegen § 6 Nr. 1 ein Haustier nicht absondert, 5. entgegen § 6 Nr. 2 Satz 1 ein verendetes oder getötetes Haustier aufbewahrt oder entgegen § 6 Nr. 2 Satz 3 zerlegt, 6. ohne Genehmigung nach a) § 6 Nr. 2 Satz 2 ein verendetes oder getötetes Haustier verbringt, b) § 10 Abs. 2 Satz 1 ein Tier entfernt oder c) § 10 Abs. 2 Satz 2 einen Hund nutzt, 7. entgegen § 7 Abs. 3 ein seuchenverdächtiges Tier schlachtet oder abhäutet oder einzelne Teile, Milch oder ein sonstiges Erzeugnis eines solchen Tieres verkauft oder verbraucht, 8. entgegen § 8 Abs. 3 Satz 1 in einem gefährdeten Bezirk einen Hund oder eine Katze frei laufen läßt, 9. entgegen § 11 Satz 1 nicht dafür sorgt, daß einem seuchenverdächtigen wildlebenden Tiere sofort nachgestellt wird, dieses erlegt und unschädlich beseitigt wird oder 10. einer Vorschrift des § 13 über die Reinigung und Desinfektion zuwiderhandelt. Abschnitt 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten § 16 Diese Verordnung tritt am 1. Juni 1991 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Tollwut-Verordnung vom 11. März 1977 (BGBl. I S. 444) außer Kraft. Der Bundesrat hat zugestimmt. Bonn, den 23. Mai 1991 Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten In Vertretung Kurt Eisenkrämer