Bundes-Tierärzteordnung
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Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
Bundes-Tierärzteordnung
Vom 17. Mai 1965
Sammlung des Bundesrechts, Bundesgesetzbl. III 7830-1
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
(1) Der Tierarzt ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken.
(2) Der tierärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.
§ 2
(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den tierärztlichen Beruf: ausüben will, bedarf der Bestallung als Tierarzt.
(2) Die vorübergehende Ausübung des tierärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch auf Grund einer Erlaubnis zulässig.
(3) Für die Ausübung des tierärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland nicht niedergelassene Tierärzte gelten die hierfür abgeschlossenen zwischenstaatlichen Verträge.
§ 3
Die Berufsbezeichnimg "Tierarzt" darf nur führen, wer als Tierarzt bestallt oder nach § 2 Abs. 2 oder 3 zur Ausübung des tierärztlichen Berufs befugt ist.
§ 4
(1) Die Bestallung als Tierarzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller
1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes oder heimatloser Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 269) ist,
2. die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt,
3. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs ergibt,
4. nicht wegen eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausübung des tierärztlichen Berufs unfähig oder ungeeignet ist,
5. nach einer Gesamtausbildungszeit von mindestens fünf Jahren, von denen sechs Monate auf die praktische Ausbildung entfallen müssen, die Tierärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat.
Eine in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder im Sowjetsektor von Berlin erworbene abgeschlossene Ausbildung für die Ausübung des tierärztlichen Berufs gilt als Ausbildung im Sinne der Nummer 5, es sei denn, daß die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht gegeben ist.
(2) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Nr. 5 nicht erfüllt, so kann die Bestallung als Tierarzt erteilt werden, wenn der Antragsteller eine abgeschlossene Ausbildung für die Ausübung des tierärztlichen Berufs erworben hat und die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
(3) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Nr, 1 nicht erfüllt, so darf die Bestallung als Tierarzt nur erteilt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt oder die Versagung eine außergewöhnliche Härte darstellen würde und der Antragsteller, sofern er zugleich die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 5 nicht erfüllt, eine abgeschlossene Ausbildung für die Ausübung des tierärztlichen Berufs erworben hat und die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
(4) Soll die Erteilung der Bestallung wegen Fehlens einer der in Absatz 1 Nr. 3 und 4 genannten Voraussetzungen abgelehnt werden, so ist der Antragsteller oder sein gesetzlicher Vertreter vorher zu hören.
(5) Ist gegen den Antragsteller wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs ergeben könnte, ein Strafverfahren eingeleitet, so kann die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Bestallung bis zur Beendigung des Strafverfahrens ausgesetzt werden.
§ 5
Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in einer Bestallungsordnung für Tierärzte die Mindestanforderungen an die Ausbildung, das Nähere über die Tierärztliche Prüfung und die Bestallung sowie die Prüfungsgebühren.
Nr. 21 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 22. Mai 1965
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§ 6 Die Bestallung ist zurückzunehmen, wenn
1. bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 zu Unrecht als gegeben angenommen worden ist oder
2. eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 nicht mehr gegeben ist.
§ 7
(1) Die Bestallung kann zurückgenommen werden, wenn
1. bei ihrer Erteilung die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 zu Unrecht als gegeben angenommen worden ist oder
2. eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 nicht mehr gegeben ist.
(2) Eine nach § 4 Abs. 2 oder 3 erteilte Bestallung kann auch zurückgenommen werden, wenn eine der nicht auf § 4 Abs. 1 bezogenen Voraussetzungen zu Unrecht als gegeben angenommen worden ist.
§ 8
(1) Das Ruhen der Bestallung kann angeordnet werden, wenn
1. gegen den Tierarzt wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung, aus der sich seine Un-würdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs ergeben könnte, ein Strafverfahren eingeleitet ist oder
2. eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 nicht mehr gegeben ist oder
3. Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 noch erfüllt sind und der Tierarzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
(3) Der Tierarzt, dessen Bestallung ruht, darf den tierärztlichen Beruf nicht ausüben.
§ 9
Der Tierarzt oder sein gesetzlicher Vertreter ist in den Fällen der §§ 6, 7 und 8 Abs. 1 vor der Entscheidung zu hören.
§ 10
Auf die Bestallung kann durch schriftliche Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde verzichtet werden. Ein Verzicht, der unter einer Bedingung erklärt wird, ist unwirksam.
§ 11
(1) Eine Erlaubnis zur Ausübung des tierärztlichen Berufs nach § 2 Abs. 2 kann auf Antrag Personen erteilt werden, die eine abgeschlossene Ausbildung für den tierärztlichen Beruf nachweisen.
(2) Die Erlaubnis kann auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt und darf nur widerruflich und nur für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren erteilt werden;
sie kann einmal für einen Zeitraum von nicht mehr als zwei Jahren verlängert werden. Personen, denen die Erlaubnis erteilt worden ist, haben im übrigen die in Vorschriften des Bundesrechts begründeten Rechte und Pflichten eines Tierarztes.
§ 12
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für tierärztliche Leistungen einschließlich der Preise und Preisspannen für vom Tierarzt angewandte Arzneimittel in einer Gebührenordnung zu regeln. Dabei ist den berechtigten Interessen der Tierärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen. Die Vorschriften der Deutschen Arzneitaxe sind zu berücksichtigen.
§ 13
(1) Die Bestallung erteilt in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 1 die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller die Tierärztliche Prüfung abgelegt hat.
(2) Die Entscheidungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2, Abs. 2 und 3, §§ 6 bis 8 und 11 trifft die zuständige Behörde oder Stelle des Landes, in dem der Antragsteller oder Tierarzt
1. seinen Wohnsitz hat oder,
2. wenn eine Zuständigkeit nach Nummer 1 nicht gegeben ist, seinen Wohnsitz begründen will oder,
3. wenn eine Zuständigkeit nach Nummer 1 oder Nummer 2 nicht gegeben ist, zuletzt seinen Wohnsitz gehabt hat.
(3) Die Entscheidungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 sowie §7 Abs. 2 sollen nur im Benehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen getroffen werden.
(4) Die Landesregierung bestimmt die zur Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Stellen.
§ 14
Mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer
1. ohne als Tierarzt bestallt oder nach § 2 Abs. 2 oder 3 zur Ausübung des tierärztlichen Berufs befugt zu sein, eine Bezeichnung führt, die nach Lage der Umstände geeignet ist, den Anschein zu erwecken, er sei zur Ausübung des tierärztlichen Berufs berechtigt,
2. den tierärztlichen Beruf ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das Ruhen der Bestallung angeordnet ist.
§ 15
(1) Eine Approbation, oder Bestallung, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes in seinem Geltungsbereich zur Ausübung des tierärztlichen Berufs berechtigt, und eine Approbation, die nach § 1 der Tierärzteordnung für das Saarland vom 5. Dezember
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1947 (Amtsblatt des Saarlandes 1948 S. 196) erteilt worden ist, gelten als Bestallung im Sinne dieses Gesetzes.
(2) Abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 sind für Antragsteller, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes die tierärztliche Vorprüfung bestanden haben, die bisherigen Vorschriften über die tierärztliche Ausbildung und Prüfung anzuwenden.
(3) Eine Erlaubnis, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes in seinem Geltungsbereich zur Ausübung des tierärztlichen Berufs berechtigt, gilt mit ihrem bisherigen Inhalt als Erlaubnis im Sinne des § 2 Abs. 2.
(4) Bis zum Inkrafttreten der Rechtsverordnungen nach §§ 5 und 12 sind auf die Tierärztliche Prüfung und die Vorprüfungen sowie auf Entgelte und Preise die bisherigen Vorschriften anzuwenden.
§ 16
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes.
§ 17
Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme der §§ 5, 12, 13 Abs. 4 und § 15 Abs. 2 drei Monate nach seiner
Verkündung in Kraft. §§ 5, 12, 13 Abs. 4 und § 15 Abs. 2 treten am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft.
§ 18
Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes treten außer Kraft:
1. §§ 1 bis 11, 13 Abs. 2 Satz 2, §§ 15, 16, 84, 85, 91 und 92 der Reichstierärzteordnung vom 3. April 1936 (Reichsgesetzbl. I S. 347), zuletzt geändert durch die Verordnung zur Ergänzung der Reichs-tierärzteordnung vom 30. November 1940 (Reichsgesetzbl. I S. 1545),
2. §§ 1 bis 16, 22 und 23 der Ersten Verordnung zur Durchführung der Reichstierärzteordnung vom 25. Juli 1936 (Reichsgesetzbl. I S. 571),
3. § 1 der Verordnung zur Ergänzung der Reichstierärzteordnung vom 11. August 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1389),
4. §§ 1 bis 9 und 14 Abs. 3 der Tierärzteordnung für das Saarland vom 5. Dezember 1947 (Amtsblatt des Saarlandes 1948 S. 196),
5. das bayerische Gesetz zur Regelung des ärztlichen Niederlassungswesens vom 23. Dezember 1948 (Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts, Band II S. 62).
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Bonn, den 17. Mai 1965
Der Bundespräsident Lübke
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers Mende
Der Bundesminister für Gesundheitswesen Schwarzhaupt