Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1970  Nr. 66 vom 16.07.1970  - Seite 1055 bis 1057 - Verordnung zum Schutz gegen die Psittakose und Ornithose (Psittakose-Verordnung)

Verordnung zum Schutz gegen die Psittakose und Ornithose (Psittakose-Verordnung) Nr. 66 — Tag der Ausgabe: Bonn, den 16. Juli 1970 1055 Verordnung zum Schutz gegen die Psittakose und Ornithose (Fsittakose-Verordnung) Vom 9. Juli 1970 Auf Grund des § 79 Abs. 1 des Viehseuchengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 158) sowie des Artikels 3 des Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes vom 22. Januar 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 77) wird mit. Zustimmung des Bundesrates verordnet: I. Begriffsbestimmung § 1 Papageien und Sittiche im Sinne dieser Verordnung sind alle Vögel der im zoologischen System zu der Ordnung Psittaciformes gehörenden Arten. IL Schutzmaßregeln gegen Psittakose 1. Schutzmaßregeln in Beständen von Züchtern und Händlern A. Vor amtlicher Feststellung der Psittakose oder des Psittakose Verdachts § 2 Im Falle des Ausbruchs oder des Verdachts des Ausbruchs der Psittakose in einem Bestand eines Züchters oder Händlers gilt vor der amtlichen Feststellung folgendes: 1. Alle Papageien und Sittiche sind abzusondern. 2. Die Räumlichkeiten, in denen sich die Tiere befinden, dürfen nur in Schutzkleidung und mit Atemschutz und nur von dem Tierbesitzer, seinem Vertreter, den mit der Beaufsichtigung, Wartung und Pflege der Tiere betrauten Personen und von Tierärzten betreten werden. Nach Verlassen der Räumlichkeiten haben diese Personen sofort a) die Schutzkleidung abzulegen, feucht zu reinigen und so zu verwahren, daß eine Verschleppung der Seuche vermieden wird, und b) die Hände, die Arme und das Schuhwerk feucht zu reinigen und zu desinfizieren. 3. Vögel jeder Art dürfen weder in den Bestand verbracht noch aus dem Bestand entfernt werden. 4. Verendete oder getötete Vögel jeder Art sind so aufzubewahren, daß sie vor äußeren Einflüssen geschützt sind und daß Menschen oder Tiere nicht mit ihnen in Berührung kommen können. 5. Tiere, Teile von Tieren, Futter und Einstreu sowie sonstige Gegenstände, die mit Papageien und Sittichen oder deren Ausscheidungen in Berührung gekommen sein können, dürfen nicht entfernt werden. B. Nach amtlicher Feststellung der Psittakose oder des Psittakoseverdachts § 3 (1) Ist der Ausbruch oder der Verdacht des Ausbruchs der Psittakose amtlich festgestellt, so unterliegen die Räumlichkeiten des Züchters oder Händlers, in denen Papageien und Sittiche gehalten werden, nach Maßgabe folgender Vorschriften der Sperre: 1. Der Besitzer hat an den Eingängen Schilder mit der deutlichen und haltbaren Aufschrift "Psittakose — Unbefugter Zutritt verboten" gut sichtbar anzubringen; dies gilt nicht im Falle des Verdachts des Ausbruchs der Psittakose. 2. Alle Papageien und Sittiche sind abzusondern und einzusperren. Sie dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde entfernt werden. Verendete oder getötete Vögel jeder Art sind, soweit sie nicht zu diagnostischen Untersuchungen benötigt werden, nach Anweisung des beamteten Tierarztes unschädlich zu beseitigen. 3. Die Räumlichkeiten dürfen nur in Schutzkleidung und mit Atemschutz und nur von dem Besitzer der Tiere, seinem Vertreter, den mit der Beaufsichtigung, Wartung und Pflege der Tiere betrauten Personen, von Tierärzten und von Personen im amtlichen Auftrag betreten werden. Nach Verlassen der Räume haben diese Personen sofort a) die Schutzkleidung abzulegen, feucht zu reinigen und so zu verwahren, daß eine Verschleppung der Seuche vermieden wird, und b) die Hände, die Arme und das Schuhwerk nach Anweisung des beamteten Tierarztes feucht zu reinigen und zu desinfizieren. Die Schutzkleidung ist im Abstand von drei Tagen zu wechseln und nach Anweisung des beamteten Tierarztes zu desinfizieren. 4. Vögel jeder Art dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde in den Bestand verbracht oder aus dem Bestand entfernt werden. 5. Tiere, Teile von Tieren, Futter sowie sonstige Gegenstände dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde entfernt werden; Dung und Einstreu dürfen nur zur unschädlichen Beseitigung nach Anweisung des beamteten Tierarztes entfernt werden. 6. An den Ein- und Ausgängen sind saugfähige Bodenauflagen anzubringen, die mit einer Desinfektionslösung nach § 6 Abs. 1 zu durchtränken und stets feucht zu halten sind. 1056 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I 7. Die Fußböden sind täglich nach Anweisung des beamteten Tierarztes feucht zu reinigen und zu desinfizieren. (2) Haben sich Papageien und Sittiche vor der Absonderung nach Absatz 1 Nr. 2 oder § 2 Nr. 1 in anderen Räumlichkeiten befunden, sind diese nach Anweisung des beamteten Tierarztes zu reinigen und zu desinfizieren. § 4 (1) Der Züchter oder Händler hat alle Papageien und Sittiche seines Bestandes mit einem wirksamen Mittel gegen Psittakose tierärztlich behandeln zu lassen oder unter behördlicher Aufsicht zu töten oder töten zu lassen. (2) Die zuständige Behörde kann die Tötung von Papageien und Sittichen des Bestandes anordnen, wenn eine Weiterverbreitung der Seuche zu befürchten ist. (3) Die zuständige Behörde kann die Maßnahmen nach Absatz 1 und 2 auch für Vögel anderer Art anordnen. C. Bei Ansteckungsverdacht (1) Sind aus einem verseuchten oder seuchenverdächtigen Bestand innerhalb der letzten 90 Tage vor amtlicher Feststellung der Seuche oder des Seuchenverdachts Papageien oder Sittiche in einen Papageien- oder Sittichbestand eines Züchters oder Händlers eingestellt worden, unterliegt dieser Bestand der amtlichen Beobachtung. Aus dem Bestand dürfen Papageien, Sittiche und andere Vögel nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde entfernt werden. Satz 1 und 2 gelten auch in sonstigen Fällen eines Ansteckungsverdachtes. (2) Die zuständige Behörde kann anordnen, daß Papageien und Sittiche des Bestandes nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 gegen Psittakose zu behandeln sind. (3) Die zuständige Behörde kann die Tötung der ansteckungsverdächtigen Papageien und Sittiche anordnen, wenn eine Weiterverbreitung der Seuche zu befürchten ist. D. Desinfektion § 6 (1) Zur Desinfektion sind eine 3°/oige Lösung von 50°/oigem Rohkresol in neutraler Seife oder von einem Desinfektionsmittel auf der Grundlage quarternärer Ammoniumverbindungen oder eine 1 % wirksames Formaldehyd enthaltende Lösung zu verwenden. Die Formaldehydlösung ist durch Mischen von 30 ml Formalm mit einem Liter Wasser herzustellen; der Formaldehydlösung darf kein Kalk zugesetzt werden. (2) Die Reinigung und Desinfektion ist unverzüglich nach Entfernung aller Vögel oder nach Abschluß der Behandlung des Bestandes nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes durchzuführen. Sie hat sich insbesondere auf die Räume und Käfige, in denen kranke und verdächtige Tiere gehalten worden sind, sowie auf Gegenstände jeder Art, die Träger des Ansteckungsstoffes sein können, zu erstrecken. (3) Dung sowie Futter und Einstreu einschließlich der Vorräte, die Träger des Ansteckungsstoffes sein können, sind zu verbrennen oder nach Durchtränken mit Formalin mindestens 0,50 m tief zu vergraben; andere Gegenstände, die nicht ordnungsgemäß zu reinigen oder zu desinfizieren sind, sind zu verbrennen oder nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes auf andere Weise unschädlich zu beseitigen. 2. Schutzmaßregeln bei sonstigen Tierhaltern und auf Tierschauen und Märkten § 7 (1) Wird bei Papageien und Sittichen von Tierhaltern, die nicht Züchter oder Händler sind, Psittakose festgestellt oder liegt Seuchen- oder Anstek-kungsverdacht vor, kann die zuständige Behörde die sinngemäße Anwendung der in den §§ 3 bis 6 enthaltenen Maßregeln anordnen, soweit veterinärpolizeiliche Gründe dies erfordern. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn bei Papageien und Sittichen, die sich auf Tierschauen, Märkten oder ähnlichen Veranstaltungen befinden, Psittakose festgestellt oder Seuchen- oder Ansteckungsverdacht vorliegt. 3. Aufhebung der Schutzmaßregeln § 8 (1) Angeordnete Schutzmaßregeln sind aufzuheben, wenn die Psittakose erloschen ist oder sich der Verdacht als unbegründet erwiesen hat. (2) Die Psittakose gilt als erloschen, wenn 1. a) alle Papageien und Sittiche des Bestandes verendet oder getötet und unschädlich beseitigt worden sind, b) alle kranken und seuchenverdächtigen Papageien und Sittiche des Bestandes verendet sind oder getötet und unschädlich beseitigt wurden und die übrigen Tiere gegen Psittakose behandelt worden sind und bei diesen Tieren aa) zweimal frühestens fünf Tage nach Abschluß der Behandlung im Abstand von fünf Tagen entnommene Sammelkotproben als frei von Erregern der Psittakose befunden worden sind oder bb) frühestens zehn Tage nach Beginn der Behandlung stichprobenweise entnommene Blutproben einen therapeutisch ausreichenden Antibiotikumgehalt aufgewiesen haben und frühestens fünf Tage nach Abschluß der Behandlung stichprobenweise entnommene Tiere oder Kotproben als frei von Erregern der Psittakose befunden worden sind oder Nr, 66 — Tag der Ausgabe: Bonn, den 16. Juli 1970 1057 c) alle Papageien und Sittiche des Bestandes gegen Psittakose behandelt worden sind und die Behandlung zu dem unter Buchstabe b geforderten Ergebnis geführt hat und in den Fällen der Buchstaben b und c auf Grund einer Untersuchung durch den beamteten Tierarzt kein Verdacht auf Psittakose mehr besteht und 2. die Desinfektion unter amtlicher Aufsicht durchgeführt und vom beamteten Tierarzt abgenommen worden ist. III. Schutzmaßregeln gegen Ornithose § 9 Wird bei Vögeln, insbesondere beim Geflügel einschließlich der Tauben, Ornithose festgestellt oder liegt der Verdacht auf Ornithose vor, kann die zuständige Behörde die sinngemäße Anwendung der in den §§ 3 bis 6 enthaltenen Maßregeln anordnen. Die §§7 und 8 gelten entsprechend. IV. Ordnungswidrigkeiten § 10 Ordnungswidrig im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 2 des Viehseuchengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 2 Nr. 1 oder § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Papageien oder Sittiche nicht absondert oder nicht einsperrt, 2. einer Vorschrift des § 2 Nr. 2 oder § 3 Abs. 1 Nr. 3 über das Betreten von Räumlichkeiten oder das Verhalten nach ihrem Verlassen zuwiderhandelt, 3. entgegen § 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 4 oder § 5 Abs. 1 Satz 2 Vögel in einen Bestand verbringt oder aus einem Bestand entfernt, 4. entgegen § 2 Nr. 4 verendete oder getötete Vögel nicht vorschriftsmäßig aufbewahrt, Bonn, den 9. Juli 1970 5. entgegen § 2 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 oder Nr. 5 Tiere oder Gegenstände entfernt, 6. der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 über das Anbringen von Schildern zuwiderhandelt, 7. einer Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 oder Absatz 2 oder § 6 Abs. 2 über Reinigung oder Desinfektion oder des § 6 Abs. 3 über die unschädliche Beseitigung zuwiderhandelt oder 8. der Vorschrift des § 4 Abs. 1 über das Behandeln oder Töten von Papageien oder Sittichen zuwiderhandelt. V. Schlußvorschriiten § 11 Die Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit (Psittacosis) vom 14. August 1934 (Reichs-gesetzbl. I S. 774) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit (Psittacosis) vom 13. Dezember 1937 (Reichsgesetzblatt I S. 1383) mit Ausnahme ihres Artikels 3 und ihrer Anlage 1 sowie Artikel 5 und 6 der Dritten Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit (Psittacosis) vom 4. November 1938 (Reichs-gesetzbl. I S. 1561) in der Fassung der Vierten Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit (Psittacosis) vom 27. März 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 230) werden aufgehoben. § 12 Diese Verordnung gilt nach § 13 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 1) in Verbindung mit Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes vom 26. Juli 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 627) auch im Land Berlin. § 13 Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1970 in Kraft. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten J. Ertl