Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1976  Nr. 56 vom 21.05.1976  - Seite 1216 bis 1218 - Gesetz über die Pockenschutzimpfung

Gesetz über die Pockenschutzimpfung 1216 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1976, Teil I Gesetz über die Pockenschutzimpfung Vom 18. Mai 1976 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: §1 (1) Einer Pockenschutzimpfung haben sich zu unterziehen: 1. Kinder in dem Kalenderjahr, in dem sie das 12. Lebensjahr vollenden, wenn sie nach den Vorschriften des Impfgesetzes vom 8. April 1874 (Reichsgesetzbl. S. 31) mit Erfolg gegen Pocken geimpft sind, 2. ärztliches und anderes Personal in Krankenhäusern, einschließlich der Personen, die ausgebildet werden, sofern es Umgang mit Patienten hat, innerhalb von sechs Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit, 3. Personen, die in Laboratorien tätig sind, in denen mit Viren der Pox-Gruppe gearbeitet wird oder zu deren Aufgaben die Untersuchung pockenverdächtigen Materials gehört, vor Aufnahme ihrer Tätigkeit, 4. Personen, die nach einem behördlichen Plan für Maßnahmen bei Pockeneinschleppungen oder Pockenverdachtsfällen (Pockenalarmplan) zum Einsatz vorgesehen sind, soweit nicht durch die Art ihrer Aufgaben ausgeschlossen werden kann, daß sie mit Pockenkranken, Pockenkrankheits-verdächtigen, Pockenansteckungsverdächtigen oder mit Gegenständen, die mit Pockenviren behaftet sind, in Berührung kommen, unverzüglich nach ihrer Aufnahme in den Pockenalarmplan. Die Impfung nach Satz 1 Nr. 2 ist alle zehn Jahre, die Impfung nach Satz 1 Nr. 3 und 4 alle drei Jahre nach der letzten erfolgreichen Pockenschutzimpfung oder einer Pockenerkrankung zu wiederholen. Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) wird insoweit eingeschränkt. (2) Bei minderjährigen Impfpflichtigen haben die Eltern oder die Sorgeberechtigten dafür zu sorgen, daß die Impfung innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorgenommen wird. (3) Die Impfung nach Absatz 1 Satz 1 kann unterbleiben, wenn bei den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Personen in den letzten zehn Jahren, bei den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 genannten Personen in den letzten drei Jahren vor den in Absatz 1 Satz 1 genannten Terminen eine Pockenschutzimpfung mit Erfolg vorgenommen worden oder eine Pockenerkrankung überstanden ist. §2 (1) Von der Impfpflicht ist befreit, wer auch unter zusätzlicher immunbiologischer Behandlung nicht ohne Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit geimpft werden kann. Von der Impfpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist ferner befreit, wer mit Personen in häuslicher Gemeinschaft lebt, für die eine Übertragung des Impfvirus eine besondere Gefährdung bedeuten würde, über eine zeitweise Befreiung von der Impfpflicht bis zu einem Jahr ist ein ärztliches Zeugnis, über eine dauernde oder eine zeitweise Befreiung, die, auch bei mehrmaliger Befreiung, den Zeitraum von einem Jahr überschreitet, ist ein Zeugnis des Gesundheitsamtes auszustellen. In den Zeugnissen ist anzugeben, aus welchem Grund und bis zu welchem Zeitpunkt die Impfung unterbleiben darf. (2) Entfällt der Grund für die Befreiung von der Impfpflicht, so ist die Impfung unverzüglich nachzuholen. § 1 Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von der Impfpflicht für in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannte Impfpflichtige, die in Fach- oder Sonderkrankenhäusern tätig sind, zulassen, wenn wegen der Zusammensetzung des Patientenkreises dieser Krankenhäuser ausgeschlossen erscheint, daß sie bei ihrer Tätigkeit mit Pockenkranken, Pocken-krankheitsverdächtigen, Pockenansteckungsverdächtigen oder mit Gegenständen, die mit Pockenviren behaftet sind, in Berührung kommen können. Das gleiche gilt für Fach- oder Sonderabteilungen in Krankenhäusern, wenn sie von den anderen Krankenhausabteilungen getrennt in einem eigenen Gebäude untergebracht sind. Im übrigen dürfen die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Personen nach Ablauf der Fristen der §§ 1 und 14 in Krankenhäusern nur weiterbeschäftigt werden oder tätig sein, wenn sie dem Krankenhaus durch eine Bescheinigung eines Arztes oder eines Gesundheitsamtes nachweisen, daß sie ihre Impfpflicht erfüllt haben oder von der Impfpflicht befreit sind oder daß eine Impfung nach § 1 Abs. 3 unterbleiben kann. Das Krankenhaus hat die Bescheinigung oder eine Kopie der Bescheinigung für die Dauer der Beschäftigung oder Tätigkeit aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Behörde zur Einsicht vorzulegen. (4) Personen, die von der Impfpflicht befreit sind, dürfen in den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Einrichtungen nicht beschäftigt werden und dort nicht tätig werden. Im übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 für diese Einrichtungen entsprechend. Nr. 56 — Tag der Ausgabe: Bonn, den 21. Mai 1976 1217 (5) Personen, die von der Impfpflicht befreit sind, dürfen in Pockenalarmplänen nicht zum Einsatz vorgesehen werden. §3 Impfungen dürfen nur von Ärzten vorgenommen werden und sind, soweit es sich um Erstimpfungen handelt, unter zusätzlicher immunbiologischer Behandlung vorzunehmen, die als Teil der Impfung gilt. Die Gesundheitsämter haben Impfungen unentgeltlich vorzunehmen. §4 Jeder Geimpfte hat sich frühestens am sechsten, spätestens am achten Tage nach der Impfung dem Arzt, der die Impfung vorgenommen hat, oder beim Gesundheitsamt zur Feststellung des Impferfolges vorzustellen. Bei Minderjährigen haben die Eltern oder die Sorgeberechtigten dafür zu sorgen, daß die Vorstellung nach Satz 1 erfolgt. Stehen gesundheitliche Gründe einer Vorstellung entgegen, ist sie nach dem Wegfall dieser Gründe unverzüglich nachzuholen. §5 (1) Ist eine Impfung erfolglos geblieben, so soll sie am Tage der Nachschau, und, falls sie auch dann erfolglos bleibt, innerhalb eines Jahres wiederholt werden. (2) Die zuständige Behörde kann anordnen, daß danach weitere Impfungen durch das Gesundheitsamt oder eine andere von ihr zu bestimmende Stelle vorgenommen werden. § 6 Ist die Impfung ohne gesetzlichen Grund unterblieben, so ist sie binnen einer von der zuständigen Behörde zu setzenden Frist nachzuholen. §7 (1) Lassen Tatsachen darauf schließen, daß eine Impfpflicht besteht, kann die zuständige Behörde von den betroffenen Personen oder deren gesetzlichen Vertretern Nachweise verlangen, die ihr die Prüfung ermöglichen, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 vorliegen. (2) Auf Verlangen der zuständigen Behörde haben die in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personen, bei Minderjährigen die Eltern oder die Sorgeberechtigten, das Impfbuch (§16 des Bundes-Seuchengeset-zes) oder sonstige Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, daß die Impfung erfolgt oder aus einem gesetzlichen Grund unterblieben ist. §8 Personen mit ständigem Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die sich, ohne nach diesem Gesetz impfpflichtig zu sein, im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen Pocken impfen lassen und dadurch einen Impfschaden erleiden, werden dem in § 51 Abs. 1 des Bundes-Seuchengesetzes genannten Personenkreis gleichgestellt. Das gleiche gilt für Deutsche, die sich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von einem Arzt gegen Pocken imp- fen lassen, wenn sie sich zur Zeit der Impfung aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung nicht nur vorübergehend außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufgehalten haben, oder wenn diese Voraussetzungen bei einem Elternteil oder einem Sorgeberechtigten vorliegen, mit denen sie zur Zeit der Impfung in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. §9 Die zuständige Behörde erfaßt die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 Impfpflichtigen in Listen, Karteien oder auf sonstigen Datenträgern und überwacht die Erfüllung der Impfpflicht. Die Leiter von öffentlichen und privaten dem allgemeinbildenden Unterricht dienenden Schulen haben der zuständigen Behörde zu einem von ihr festzusetzenden Zeitpunkt jährlich einmal die Kinder zu melden, die in dem jeweiligen Kalenderjahr das zwölfte Lebensjahr vollendet haben oder vollenden. §10 Soweit die Bundesländer Impfinstitute betreiben, gehört es zu deren Aufgaben, Impfstoffe insbesondere für die in § 1 Abs. 1 genannten Impfungen und für Pockeneinschleppungsfälle herzustellen und vorrätig zu halten sowie Forschung mit dem Ziel zu betreiben, risikoärmere Impfstoffe und Impftechniken zu entwickeln. Die Impfinstitute haben ferner Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte durchzuführen, um insbesondere die Kenntnisse über die Impftechnik und das Verhalten im Pockeneinschlep-pungsfall zu verbessern. §11 (1) Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten über die Pflichten des impfenden Arztes, die Impfung und die Nachschau, die Form der Eintragungen in das Impfbuch, die Durchführung der Meldungen nach § 9 und die Überwachung der Erfüllung der Impfpflicht zu regeln, soweit es erforderlich ist, um einen wirksamen Impfschutz zu gewährleisten. (2) Soweit der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 1 keinen Gebrauch macht, sind auch die Landesregierungen zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 ermächtigt. Die Landesregierungen sind befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden zu übertragen, §12 Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden zu bestimmen. Sie können diese Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen. §13 (1) Ordnungswidrig bandelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 oder 4 oder Satz 2, § 2 Abs. 2 Satz 1 oder § 14 sich nicht oder nicht rechtzeitig impfen läßt, 1218 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1976, Teil I 2. entgegen § 1 Abs. 2 oder § 2 Abs. 2 Satz 2 nicht dafür sorgt, daß die Impfung innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorgenommen wird, 3. entgegen § 2 Abs. 3 oder 4 in den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 genannten Einrichtungen Personen beschäftigt oder dort tätig wird, 4. entgegen § 4 Satz 1 sich dem Arzt oder beim Gesundheitsamt nach der Impfung nicht vorstellt oder entgegen § 4 Satz 2 nicht dafür sorgt, daß die Vorstellung erfolgt, 5. entgegen § 9 die Impfpflichtigen nicht meldet oder 6. einer auf Grund des § 11 erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Deutsche Mark geahndet werden. §14 Wer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes impfpflich-tig nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist, hat sich der Pok-kenschutzimpfung innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu unterziehen, wer impfpflichtig nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder 4 ist, hat sich der Impfung unverzüglich nach Inkraft- Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Bonn, den 18. Mai 1976 Der Bundespräsident Scheel Der Bundeskanzler Schmidt treten dieses Gesetzes zu unterziehen. Kann eine Pockenschutzimpfung oder eine Pockenerkrankung nachgewiesen werden, die kürzere Zeit als die in § 1 Abs. 1 Satz 2 genannten Fristen zurückliegt, so gilt für den Zeitpunkt der ersten Impfung nach diesem Gesetz § 1 Abs. 1 Satz 2 entsprechend. §15 Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. §16 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft das Impfgesetz vom 8. April 1874 (Reichsgesetzbl. S. 31), zuletzt geändert durch Artikel 67 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 469), die Verordnung zur Ausführung des Impfgesetzes vom 22. Januar 1940 (Reichsgesetzbl. I S. 214), zuletzt geändert durch die Zu-ständigkeitslockerungsverordnung vom 18. April 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 967), und die Zweite Verordnung zur Ausführung des Impfgesetzes vom 27. Januar 1966 (Bundesgesetzbl. I S. 89). Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit Katharina Focke