Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1950  Nr. 28 vom 30.06.1950  - Seite 257 bis 258 - Gesetz über den Bundesfinanzhof

Gesetz über den Bundesfinanzhof Nr. 28 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 30. Juni 1950 257 Gesetz über den Bundesfinanzhof. Vom 29. Juni 1950. Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: § 1 Errichtung des Bundesfinanzhofs Als oberes Bundesgericht für das Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit wird der Bundesfinanzhof mit dem Sitz in München errichtet. Der Bundesfinanzhof ist für Streitfragen über alle Abgaben zuständig, die von den Hauptzollämtern, von den Finanzämtern oder von den Oberfinanzdirektionen verwaltet werden. § 2 Anwendung der Reichsabgabenordnung Soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist, finden die Vorschriften der Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 161), die den ehemaligen Reichsfinanzhof, insbesondere seine Organisation, seine Zuständigkeit, •ein Verfahren und die Einlegung von Rechtsmitteln an ihn betreffen, in der zurzeit geltenden Fassung mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Reichsfinanzhofs der Bundesfinanzhof, an die Stelle des Reichsministers der Finanzen der Bundesminister der Finanzen und an die Stelle der Landesregierungen die Obersten Finanzbehörden der Länder treten. § 3 Mitglieder (1) Der Bundesfinanzhof besteht aus einem Präsidenten, aus Senatspräsidenten und Bundesfinanz-richtern. (2) Die Mitglieder des Bundesfinanzhofs werden vom Bundespräsidenten auf Lebenszeit ernannt. Die übrigen Beamten ernennt der Bundesminister der Finanzen. (3) Zum Mitglied des Bundesfinanzhofs kann nur ernannt werden, wer das 35. Lebensjahr vollendet hat. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß die Befähigung zum Richteramt erlangt haben. Die Mitglieder müssen, soweit sie nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen, die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst erlangt oder sich als hauptamtliche Mitglieder eines Finanzgerichts in mindestens dreijähriger Tätigkeit bewährt haben. (4) Die Mitglieder des Bundesfinanzhofs dürfen weder in der Bundesfinanzverwaltung noch in der Finanzverwaltung eines Landes hauptamtlich oder nebenamtlich beschäftigt werden. §4 Rechtsmittel Außer den nach der Reichsabgabenordnung zulässigen Rechtsmitteln (§ 2) sind folgende Rechtsmittel gegeben, über die der Bundesfinanzhof entscheidet: 1. Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Finanzgerichte im Beschwerdeverfahren; 2. Beschwerden a) gegen Beschlüsse der Finanzgerichte, durch die ein ehrenamtlicher Beisitzer eines Finanzgerichts seines Amtes enthoben wird, und gegen die Verhängung von Ordnungsstrafen durch die Finanzgerichte oder deren Vorsitzende; b) gegen Entscheidungen des Bundesmonopol-amts für Branntwein, soweit nicht das Berufungsverfahren oder das Anfechtungsverfahren nach der Reichsabgabenordnung gegeben ist. Dies gilt nicht für Beschwerden, die sich auf die Person von Bediensteten oder kaufmännische Angelegenheiten der Monopolverwaltung beziehen. In den Fällen zu 1 und 2 entscheidet der Bundesfinanzhof im Beschlußverfahren. §5 Ausschließliche Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs (1) Gegen Entscheidungen und Verfügungen, gegen die ein Rechtsmittel an den Bundesfinanzhof gegeben ist, können Klagen oder Rechtsmittel bei einem anderen Gericht nicht erhoben oder eingelegt werden. (2) Soweit eine Klage oder ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung oder Verfügung der im Absatz 1 bezeichneten Art beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei einem anderen Gericht anhängig ist, ist die Sache an den Bundesfinanzhof abzugeben. § 6 Verfahren (1) Fragen der Auslegung der Steuergesetze (§ 63 der Reichsabgabenordnung) können dem Bun- 258 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1950 desfinanzhof auch von den Obersten Finanzbehörden der Länder vorgelegt werden. (2) § 286 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung findet auf Zölle und Verbrauchsteuern keine Anwendung. Auf andere Steuern ist er mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Betrages von fünfhundert Reichsmark der Betrag von zweihundert Deutsche Mark tritt. (3) Die Ol .»ersten Finanzbehörden der Länder können ihren Beitritt zu jedem Rechtsbeschwerdeverfahren erklären; sie werden dadurch Beteiligte im Sinn des § 287 der Reichsabgabenordnung. (4) Die Verordnung zur Durchführung des § 294 der Reichsabgabenordnung vom 10. Januar 1940 (Reichsgcseizbl. I S. 43) wird aufgehoben. §7 Beginn der Tätigkeit des Bundesfinanzhofs, Übertragung der Aufgaben des Obersten Finanzgerichtshofs in München auf den Bundesfinanzhof (1) Der Bundesfinanzhof nimmt seine Tätigkeit zwei Monate nach Ablauf des Tages auf, an dem dieses Gesetz verkündet worden ist. (2) Mit Beginn des Tages, an dem der Bundesfinanzhof seine Tätigkeit aufnimmt, endet die Zuständigkeit des Obersten Finanzgerichtshofs in München für Abgabesachen im Sinn von § 1. Die Bearbeitung der anhängigen Abgabesachen geht auf den Bundesfinanzhof über. §8 Flaushaltsausgaben des Bundesfinanzhofs (1) Die Haushaltsausgaben des Bundesfinanzhofs trägt der Bund. (2) Von dem in § 7 Absatz 1 vorgesehenen Zeitpunkt ab übernimmt der Bund die Verpflichtungen des Landes Bayern, die durch den früheren Reichsfinanzhof oder den Obersten Finanzgerichtshof in München entstanden sind. § 9 Vorläufiger Richterwahlausschuß Bis zum Inkrafttreten eines allgemeinen Gesetzes über die Richterwahlausschüsse gelten für die Be- rufung der Richter des Bundesfinanzhofs folgende Bestimmungen: (1) Die zu wählenden Mitglieder des Richterwahlausschusses (Artikel 96 Absatz 2 des Grundgesetzes) werden vom Bundestag nach dem Höchstzahlverfahren (dHondt) gewählt. Sie müssen zum Bundes-Itag wählbar sein. (2) Der Bundesminister der Finanzen beruft dem Ausschuß und führt in ihm ohne Stimmrecht den Vorsitz. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn je die Mehrzahl der Landesfinanzminister (Finanzsenatoren) und der gewählten Mitglieder anwesend ist (3) Sowohl der Bundesminister der Finanzen als auch die Mitglieder des Ausschusses können Vorschläge für die Berufung machen. Der Ausschuß entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 1(4) Der Bundesminister der Finanzen hat im Anschluß an die Wahl zu erklären, ob er ihr zustimmt oder nicht. Stimmt er zu, so hat er die Ernennung durch den Bundespräsidenten herbeizuführen. § 10 Durchführung des Gesetzes Die zur Durchführung dieses Gesetzes, insbesondere zur Errichtung des Bundesfinanzhofs erforderlichen Verwaltungsvorschriften erläßt die Bundesregierung. § 11 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkün-dung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet Bonn, den 29. Juni 1950. DerBundespräsident Theodor Heuss Der Bundeskanzler Adenauer DerBundesministerderFinanzen Schäffer