Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung
Nr. 26 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 9. August 1955
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Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung.
Vom 6. August 1955.
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Erster Abschnitt
Kunstwerke und anderes Kulturgut (außer Ardiivgut)
§ 1
(1) Kunstwerke und anderes Kulturgut – einschließlich Bibliotheksgut –, deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, werden in dem Land, in dem sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, in ein "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" eingetragen. Das Verzeichnis wird nach Bedarf ergänzt.
(2) Bei Ortswechsel eingetragenen Kulturgutes innerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von einem Lande in ein anderes Land behält die Eintragung ihre Wirkung.
(3) Die eingetragenen Gegenstände werden nach besonderer gesetzlicher Regelung bei der Heranziehung zu Steuern und zum Lastenausgleich begünstigt.
(4) Die Ausfuhr eingetragenen Kulturgutes bedarf der Genehmigung. Diese kann an Bedingungen geknüpft werden. Die Genehmigung zur Ausfuhr ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen.
§ 2
(1) über die Eintragung des Kulturgutes in das Verzeichnis entscheidet die oberste Landesbehörde.
(2) Vor der Entscheidung hat die oberste Landesbehörde einen von ihr zu berufenden Sachverständigen-Ausschuß zu hören. Er besteht aus fünf Sachverständigen. Einer von ihnen ist auf Vorschlag des Bundesministers des Innern zu berufen. Bei der Berufung der Sachverständigen sind die Kreise der Fachleute aus den öffentlichen Verwaltungen, der Hochschullehrer, der privaten Sammler, des Kunsthandels und Antiquariates zu berücksichtigen.
§ 3
(1) Die Eintragung kann auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen. Die Landesregierung regelt das Antragsrecht durch Rechtsverordnung. Sie kann diese Befugnis auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.
(2) Zur Wahrung eines gemeindeutschen Interesses kann der Bundesminister des Innern die Eintragung in das Verzeichnis beantragen.
§ 4
Ist die Eintragung eines Kulturgutes eingeleitet, so ist seine Ausfuhr untersagt, bis die Entscheidung über die Eintragung unanfechtbar geworden ist.
§ 5
(1) über die Genehmigung zur Ausfuhr (§ 1 Abs. 4) Von eingetragenem Kulturgut entscheidet der Bundesminister des Innern.
(2) Vor der Entscheidung hat der Bundesminister des Innern einen von ihm zu berufenden Sachverständigen-Ausschuß zu hören. Er besteht aus fünf Sachverständigen. Einer von ihnen wird auf Vorschlag des Bundesrates und zwei weitere Sachverständige auf Vorschlag des Landes berufen, in dessen Verzeichnis das Kulturgut eingetragen ist. Bei der Berufung der Sachverständigen sind die Kreise der Fachleute aus den öffentlichen Verwaltungen, der Hochschullehrer, der privaten Sammler, des Kunsthandels und Antiquariates zu berücksichtigen.
§ 6
(1) Jede Eintragung und ihre Veränderung ist den Beteiligten und dem Bundesminister des Innern mitzuteilen und von den obersten Landesbehörden nach dem jeweiligen Landesrecht sowie im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Dabei sollen Eigentümer und Standort des eingetragenen Kulturgutes nicht erwähnt werden.
(2) Der Bundesminister des Innern führt ein aus den Verzeichnissen der einzelnen Länder gebildetes "Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes".
§ 7
(1) Sind seit Bekanntmachung der Eintragung im Bundesanzeiger mehr als fünf Jahre vergangen und haben sich die Umstände wesentlich verändert, so kann der Eigentümer bei der obersten Landesbehörde die Löschung beantragen.
(2) Die Löschung ist in gleicher Weise wie die Eintragung gemäß § 6 bekanntzumachen sowie den Beteiligten und dem Bundesminister des Innern mitzuteilen.
§ 8
Wird die Genehmigung zur Ausfuhr rechtskräftig versagt und ist der Eigentümer des geschützten Kulturgutes infolge einer wirtschaftlichen Notlage zum Verkauf gezwungen, so hat die oberste Landesbehörde des Landes, in dem sich das Kulturgut befindet, im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern auf einen billigen Ausgleich unter Berücksichtigung der dem § 1 Abs. 3 entsprechenden Steuervorteile hinzuwirken.
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Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1955, Teil I
§ 9
(1) Wird ein eingetragenes Kulturgut im Inland an einen anderen Ort gebracht oder gerät es in Verlust oder ist es beschädigt worden, so hat der Besitzer unverzüglich der obersten Landesbehörde Mitteilung zu machen, die dem Bundesminister des Innern davon Kenntnis gibt. Zur Mitteilung sind im Falle des Besitzwechsels der bisherige und der neue Besitzer verpflichtet.
(2) Sind Eigentümer und Besitzer des Kulturgutes nicht personengleich, so ist auch der Eigentümer zur Mitteilung verpflichtet.
(3) Wird ein eingetragenes Kulturgut nicht nur vorübergehend in ein anderes Land verbracht, so geht es in das Verzeichnis dieses Landes über.
Zweiter Abschnitt Archivgut
§ 10
(1) Archive, archivalische Sammlungen, Nachlässe und Briefsammlungen mit wesentlicher Bedeutung für die deutsche politische, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte werden in dem Land, in dem sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, in ein "Verzeichnis national wertvoller Archive" eingetragen. Die Ausfuhr von Archivgut dieser eingetragenen Archive bedarf der Genehmigung. Das Verzeichnis wird nach Bedarf ergänzt.
(2) Archivgut im Sinne dieses Gesetzes sind außer Schriftstücken aller Art auch Karten, Pläne, Siegel, Bild-, Film- und Tonmaterial.
(3) § 1 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.
§ 11
(1) Über die Eintragung des Archivgutes in das Verzeichnis (§ 10 Abs. 1) entscheidet die oberste Landesbehörde.
(2) § 2 Abs. 2, §§ 3 und 4 gelten entsprechend.
(3) Bei Archivgut, das sich auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der zonalen Verwaltungsorgane, des Deutschen Reiches, Preußens, des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Bundes bezieht, ist vor der Entscheidung auch das Bundesarchiv zu hören.
§ 12
(1) über die Genehmigung zur Ausfuhr (§ 10 Abs. 1) eines in ein Verzeichnis eingetragenen Archivgutes entscheidet der Bundesminister des Innern.
(2) § 5 Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 13
(1) Jede Eintragung und ihre Veränderung ist den Eigentümern und Besitzern der eingetragenen Archivbestände sowie dem Bundesminister des Innern und der zuständigen staatlichen Archivverwaltung mitzuteilen. Ist das Bundesarchiv gehört worden, so ist auch ihm die Entscheidung mitzuteilen.
(2) § 6 Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 14
(1) Wer Verhandlungen über die Ausfuhr von geschütztem Archivgut (§ 10) aus dem Geltungsbereich des Gesetzes führt oder vermittelt, hat dies dem Bundesminister des Innern unverzüglich mitzuteilen. Das gleiche gilt für den, der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Vertrag über die Ausfuhr von geschütztem Archivgut aus dem Geltungsbereich des Gesetzes geschlossen, aber noch nicht erfüllt hat.
(2) § 9 gilt entsprechend.
§ 15
Verpflichtungen auf Grund bestehender internationaler Verträge bleiben durch dieses Gesetz unberührt.
Dritter Abschnitt Strafvorschriften
§ 16
(1) Wer
a) ohne Genehmigung ein eingetragenes Kulturgut oder Archivgut oder
b) entgegen dem vorläufigen Ausfuhrverbot (§§4 und 11) ein Kulturgut oder Archivgut, dessen Eintragung eingeleitet ist,
aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausführt, wird mit Gefängnis und Geldstrafe bis zu dreihunderttausend Deutsche Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Neben der Strafe kann auf die Einziehung des Kulturgutes oder des geschützten Archivgutes erkannt werden. Die Einziehung erfolgt zugunsten des Landes, in dem das Kulturgut oder Archivgut durch die Eintragung in das Verzeichnis geschützt ist oder seine Eintragung eingeleitet war. Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf Einziehung selbständig erkannt werden.
§ 17
Ordnungswidrig handelt, wer seine Mitteilungspflicht nach den §§9 oder 14 verletzt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.
Vierter Abschnitt
Ergänzungs- und Schlußvorschriften
§ 18
Dieses Gesetz rindet auf das im öffentlichen Eigentum befindliche national wertvolle Kulturgut und Archivgut keine Anwendung, soweit zu dessen Veräußerung nur oberste Bundes- oder Landesbehörden befugt sind oder nach besonderen gesetzlichen Vorschriften die Genehmigung einer aufsichtführenden Stelle der öffentlichen Verwaltung erforderlich ist.
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(2) Ferner treten außer Kraft die Hessische Verordnung vom 22. September 1948 über die Befugnisse nach der Verordnung der Reichsregierung über die Ausfuhr von Kunstwerken vom 11. Dezember 1919 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 1948 S. 134) und das Bayerische Gesetz über die Ausfuhr von Kunstwerken vom 30. Mai 1949 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 120).
(3) Die Ausfuhr der Kunstwerke, die auf Grund der Verordnung der Reichsregierung vom 11. Dezember 1919 in das Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke eingetragen waren und bisher noch nicht in ein Landesverzeichnis neu aufgenommen worden sind, bleibt genehmigungspflichtig, bis über ihre Übernahme ""in die nach diesem Gesetz aufzustellenden Verzeichnisse entschieden worden ist.
(4) Die in den Ländern nach dem 8. Mai 1945 neu aufgestellten Verzeichnisse national wertvoller Kunstwerke bleiben in Kraft, bis sie durch die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes aufzustellenden Verzeichnisse ersetzt sind. Die Eigentümer der betroffenen Kunstwerke können binnen sechs Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Antrag auf Nachprüfung der Eintragung bei der obersten Landesbehörde stellen. § 2 gilt in diesem Nachprüfungsverfahren entsprechend.
§ 23
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes.
§ 24
Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Bonn, den 6. August 1955.
Der Bundespräsident Theodor Heuss
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers Blücher
Der Bundesminister des Innern Dr. Schröder
§ 19
Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Kulturgut und Archivgut, das im Eigentum der Kirchen oder einer anderen als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannten Religionsgesellschaft sowie deren kirchlich beaufsichtigten Einrichtungen und Organisationen steht, soweit durch eigene öffentlich-rechtliche Vorschriften die Veräußerung wertvollen Kultur- und Archivgutes von der Genehmigung einer aufsichtführenden kirchlichen Stelle oder auf Grund gesetzlicher Vorschriften von der Genehmigung einer staatlichen Stelle abhängig gemacht worden ist. Jedoch muß vor der Entscheidung über die Veräußerungsgenehmigung eine sachverständige Stelle unter den Gesichtspunkten dieses Gesetzes gehört werden.
§ 20
Ausfuhrverbote und Ausfuhrbeschränkungen auf Grund der Devisenbestimmungen bleiben durch dieses Gesetz unberührt.
§ 21
Der Bundesminister des Innern wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Durchführung des § 2 Abs. 2, der §§ 4, 5, 6, 9 Abs. 3, des § 11 Abs. 2, des § 12 Abs. 2, des § 13 Abs. 2 und des § 22 Abs. 4 zu erlassen.
§ 22
(1) Die Verordnung der Reichsregierung über die Ausfuhr von Kunstwerken vom 11. Dezember 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1961) in der Fassung der Gesetze vom 21. Dezember 1925 (Reichsgesetzbl. I S. 470) und vom 24. Dezember 1929 (Reichsgesetzbl. I S. 244) und der Verordnung vom 20. Dezember 1932 (Reichsgesetzbl. I S. 572) nebst den Ausführungsbestimmungen vom 11. Dezember 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1962) tritt außer Kraft.