Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1956  Nr. 36 vom 24.07.1956  - Seite 651 bis 661 - Wehrpflichtgesetz

Wehrpflichtgesetz Bundesgesetzblatt 651 Teill 1956 Ausgegeben zu Bonn am 24. Juli 1956 Nr. 36 Tag Inhalt: 21. 7. 56 Wehrpflichtgesetz .................................................. 21.7.56 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht Seite 651 662 Wehrpflichtgesetz. Vom 21. Juli 1956. Übersicht ABSCHNITT I Wehrpflicht Umfang der Wehrpflicht §§ Allgemeine Wehrpflicht ....................... 1 Wehrpflicht der Ausländer und Staatenlosen .... 2 Inhalt und Dauer der Wehrpflicht .............. 3 Wehr dienst Arten des Wehrdienstes ....................... 4 Grundwehrdienst .............................. 5 Wehrübungen ................................. 6 Anrechnung von freiwillig geleistetem Wehrdienst 7 Wehrdienst in fremden Streitkräften............ 8 Wehrdienstausnahmen Dauernde Dienstuntauglichkeit................. 9 Ausschluß vom Wehrdienst .................... 10 Befreiung vom Wehrdienst .................... 11 Zurückstellungen vom Wehrdienst.............. 12 Unabkömmlichstellung......................... 13 ABSCHNITT II Wehrersatzwesen 1. Wehrersatzbehörden........................... 2. Erfassung ..................................... 3. Heranziehung von ungedienten Wehrpflichtigen Zweck der Musterung ......................... Durchführung der Musterung .................. Musterungsausschuß .........................., Verfahrensgrundsätze .......................... Zurückstellungsanträge........................ Einberufung ................................... Verfahrensvorschriften ........................ 4. Heranziehung von gedienten Wehrpflichtigen 5. Wehrüberwachung ............................ ABSCHNITT III Vorschriften für Kriegsdienstverweigerer Wirkungen der Kriegsdienstverweigerung ........ Verfahren ....................................... Ziviler Ersatzdienst und waffenloser Dienst....... 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 ABSCHNITT IV Beendigung des Wehrdienstes und Verlust des Dienstgrades §§ Beendigungsgründe ............................... 28 Entlassung ....................................... 29 Ausschluß aus der Bundeswehr und Verlust des Dienstgrades ..................................... 30 Wiederaufnahme des Verfahrens .................. 31 ABSCHNITT V Rechtsmittel Rechtsweg ....................................... 32 Besondere Vorschriften für das Vorverfahren ...... 33 Besondere Vorschriften für das gerichtliche Verfahren 34 Anfechtungsklage gegen den Musterungs- und den Einberufungsbescheid ............................. 35 ABSCHNITT VI Übergangs- und Schlußvorschriften Angehörige der früheren Wehrmacht und Wehrpflichtige älterer Geburtsjahrgänge................ 36 Verzicht auf einen Dienstgrad..................... 37 Wiedergutmachung............................... 38 Verleihung eines höheren Dienstgrades ............ 39 Zeitweiliger Dienstgrad .......................... 40 Wehrpflicht bei Zuzug............................ 41 Bundesgrenzschutz und Polizei in den Ländern...... 42 Wehrpflichtige im Ausland........................ 43 Zustellung und Vorführung ....................... 44 Bußgeldvorschrift................................. 45 Stadtstaatklausel ................................. 46 Übergangsvorschriften für Rechtsmittel ............ 47 Zuständigkeit für den Erlaß der Rechtsverordnungen 48 Einschränkung von Grundrechten.................. 49 Zeitpunkt der ersten Musterungen und Einberufungen 50 Inkrafttreten ..................................... 51 652 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1956, Teil I Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: ABSCHNITT I Wehrpflicht 1. Umfang der Wehrpflicht § 1 Allgemeine Wehrpflicht (1) Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und 1. ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben oder 2. ihren ständigen Aufenthalt außerhalb des Gebietes des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 (Deutschland) haben und entweder a) ihren letzten innerdeutschen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatten oder b) einen Paß oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben. (2) Die Wehrpflicht ruht bei Deutschen, die ihren ständiger» Aufenthalt und ihre Lebensgrundlage außerhalb Deutschlands haben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie beabsichtigen, ihren ständigen Aufenthalt im Ausland beizubehalten. Das gilt insbesondere für Deutsche, die zugleich die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzen. (3) Verlegt ein Wehrpflichtiger seinen ständigen Aufenthalt während des Wehrdienstes innerhalb Deutschlands aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes hinaus, so bleibt er während der für diesen Wehrdienst festgesetzten Zeit wehrpflichtig. § 2 Wehrpflicht der Ausländer und Staatenlosen (1) Ausländer, deren Heimatstaat Deutsche gesetzlich zum Wehrdienst verpflichtet, können unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen Deutsche dort wehrpflichtig sind, durch Rechtsverordnung der Wehrpflicht unterworfen werden. (2) Staatenlose können durch Rechtsverordnung der Wehrpflicht unterworfen werden, wenn sie ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. § 3 Inhalt und Dauer der Wehrpflicht (1) Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 25 durch den zivilen Ersatzdienst erfüllt. Sie umfaßt die Pflicht, sich zu melden, vorzustellen und nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die geistige und körperliche Tauglichkeit untersuchen zu lassen. (2) Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das fünfundvierzigste Lebensjahr vollendet. Bei Offizieren und Unteroffizieren endet sie mit Ablauf des Jahres, in dem sie das sechzigste Lebensjahr vollenden. § 51 des Soldatengesetzes bleibt unberührt. (3) Im Verteidigungsfalle endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das sechzigste Lebensjahr vollendet. 2. Wehrdienst § 4 Arten des Wehrdienstes (1) Der auf Grund der Wehrpflicht zu leistende Wehrdienst umfaßt 1. den Grundwehrdienst (§5), 2. Wehrübungen (§6), 3. im Verteidigungsfalle den unbefristeten Wehrdienst. (2) Ungediente Wehrpflichtige gehören zur Ersatzreserve, gediente Wehrpflichtige zur Reserve. § 5 Grundwehrdienst (1) Die Dauer des Grundwehrdienstes wird durch Gesetz geregelt. (2) Der Grundwehrdienst beginnt in der Regel in dem Kalenderjahr, in dem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet. Einem Antrag, vorzeitig zum Grundwehrdienst herangezogen zu werden, soll entsprochen werden. (3) Wehrpflichtige werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollenden, statt zum vollen Grundwehrdienst zu einem verkürzten Grundwehrdienst, der sechs Monate dauert, einberufen. (4) Wehrpflichtige können zum verkürzten Grundwehrdienst einberufen werden, wenn sie auf Grund der jährlichen Einberufungsanordnungen des Bundesministers für Verteidigung nicht zum vollen Grundwehrdienst herangezogen werden können. (5) Wehrpflichtige, die während des Grundwehrdienstes Freiheitsstrafen einschließlich disziplinarer Arreststrafen von insgesamt mehr als 30 Tagen verbüßt haben, müssen die verbüßte Zeit nachdienen. § 6 Wehrübungen (1) Die Gesamtdauer der Wehrübungen wird durch Gesetz geregelt. (2) Wehrpflichtige können über ihre gesetzlichen Pflichten hinaus freiwillig Wehrübungen leisten. Sie haben auch dann die Rechtsstellung eines Soldaten, der auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet. Nr. 36 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 24. Juli 1956 653 § 7 Anrechnung von freiwillig geleistetem Wehrdienst Der auf Grund freiwilliger Verpflichtung in der Bundeswehr geleistete Wehrdienst ist auf den Grundwehrdienst anzurechnen; er kann auch auf Wehrübungen angerechnet werden. § 8 Wehrdienst in fremden Streitkräften (1) Wehrpflichtige dürfen sich nur mit Zustimmung des Bundesministers für Verteidigung oder der von ihm beauftragten Stelle zum Eintritt in fremde Streitkräfte verpflichten. Dies gilt nicht bei Wehrdienst, der auf Grund gesetzlicher Vorschrift des Aufenthaltsstaates zu leisten ist. (2) Der Bundesminister für Verteidigung kann im Einzelfall Wehrdienst in fremden Streitkräften auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz ganz oder zum Teil anrechnen. Der Wehrdienst soll angerechnet werden, wenn er auf Grund gesetzlicher Vorschrift geleistet worden ist oder wenn der Bundesminister für Verteidigung ihm zugestimmt hat. 3. Wehrdienstausnahmen § 9 Dauernde Dienstuntauglichkeit Zum Wehrdienst wird nicht herangezogen, 1. wer für den Wehrdienst körperlich oder geistig dauernd untauglich ist oder 2. wer entmündigt ist. § 10 Ausschluß vom Wehrdienst (1) Vom Wehrdienst ist ausgeschlossen, 1. wer durch ein deutsches Gericht zu Zuchthaus oder wegen einer hochverräterischen, staatsgefährdenden oder vorsätzlichen landesverräterischen Handlung zu Gefängnis von einem Jahr oder mehr verurteilt worden ist, es sei denn, daß der Vermerk über die Verurteilung im Strafregister getilgt ist, 2. wer die bürgerlichen Ehrenrechte oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt, 3. gegen wen auf Maßregeln der Sicherung und Besserung nach §§ 42 c bis 42 e des Strafgesetzbuchs erkannt ist, solange diese Maßregeln nicht erledigt sind. (2) Verurteilungen durch Gerichte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes kommen nur in Betracht, soweit die Vollstreckung nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 161) zulässig ist oder war. (3) Der Bundesminister für Verteidigung kann im Einzelfall Ausnahmen von Absatz 1 Nr. 1 zulassen. § 11 Befreiung vom Wehrdienst (1) Vom Wehrdienst sind befreit 1. ordinierte Geistliche evangelischen Bekenntnisses, 2. Geistliche römisch-katholischen Bekenntnisses, die die Subdiakonatsweihe empfangen haben, 3. hauptamtlich tätige Geistliche anderer Bekenntnisse, deren Amt dem eines ordinierten Geistlichen evangelischen oder eines Geistlichen römisch-katholischen Bekenntnisses, der die Subdiakonatsweihe empfangen hat, entspricht, 4. Schwerkriegsbeschädigte, 5. Heimkehrer im Sinne des Heimkehrergesetzes, die nach dem 1. Juli 1953 von ihrer Gewahrsamsmacht entlassen worden sind. (2) Vom Wehrdienst sind auf Antrag zu befreien Wehrpflichtige, deren sämtliche Brüder oder, falls keine Brüder vorhanden waren, deren sämtliche Schwestern an den Folgen einer Schädigung irn Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes verstorben sind. § 12 Zurückstellungen vom Wehrdienst (1) Vom Wehrdienst wird zurückgestellt, 1. wer für den Wehrdienst vorübergehend untauglich ist, 2. wer, abgesehen von den Fällen des § 10, eine Freiheitsstrafe verbüßt oder nach § 42 b des Strafgesetzbuchs in einer Heil-und Pflegeanstalt untergebracht ist, 3. wer unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist. (2) Vom Wehrdienst werden Wehrpflichtige, die sich auf das geistliche Amt (§ 11) vorbereiten, auf Antrag zurückgestellt. (3) Hat ein Wehrpflichtiger seiner Aufstellung für die Wahl zum Bundestag oder zu einem Landtag zugestimmt, so ist er bis zur Wahl zurückzustellen. Hat er die Wahl angenommen, so kann er für die Dauer des Mandats, außer auf seinen Antrag, nur während der Parlamentsferien einberufen werden. (4) Vom Wehrdienst soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche liegt in der Regel vor, 654 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1956, Teil I 1. wenn im Falle der Einberufung des Wehrpflichtigen a) die Versorgung seiner Familie, hilfsbedürftiger Angehöriger oder anderer hilfsbedürftiger Personen, für deren Lebensunterhalt er aus rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung aufzukommen hat, gefährdet würde oder b) für Verwandte ersten Grades besondere Notstände zu erwarten sind, 2. wenn der Wehrpflichtige für die Erhaltung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unentbehrlich ist, 3. wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen einen bereits weitgehend geförderten Ausbildungsabschnitt unterbrechen würde. (5) Vom Wehrdienst kann ein Wehrpflichtiger ferner zurückgestellt werden, wenn gegen ihn ein Strafverfahren anhängig ist, in dem eine Freiheitsstrafe oder eine-mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung zu erwarten ist. (6) In den Fällen des Absatzes 4 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2 und 3 sowie des Absatzes 5 darf der Wehrpflichtige vom vollen Grundwehrdienst höchstens so lange zurückgestellt werden, daß er noch in dem Kalenderjahr, in dem er das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet, einberufen werden kann. In Ausnahmefällen, in denen die Einberufung eine unzumutbare Härte bedeuten * würde, kann er auch darüber hinaus zurückgestellt werden. (7) Im Verteidigungsfalle treten Zurückstellungen nach Absatz 2, 4 und 5 außer Kraft. § 13 Unabkömmlichstellung (1) Zum Ausgleich des personellen Kräftebedarfs für die Aufgaben der Bundeswehr und aridere Aufgaben kann ein Wehrpflichtiger im öffentlichen Interesse für den Wehrdienst unabkömmlich gestellt werden, wenn und solange er für die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht entbehrt werden kann. Dies soll in der Regel erst nach dem Grundwehrdienst geschehen. Die Bundesregierung erläßt mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über Grundsätze, die dem Ausgleich des personellen KräfLebedarfs zugrunde zu legen sind. (2) über die Unabkömmlichstellung entscheidet die Wehrersatzbehörde auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde. Die Zuständigkeit, und das Verfahren regelt eine Rechtsverordnung, die im besonderen bestimmt, welche sachverständigen Stellen der öffentlichen Verwaltung und Wirtschaft zu hören und wie Meinungsverschiedenheiten zwischen der Wehrersatzbehörde und der beantragenden Verwaltungsbehörde unter Abwägung der verschiedenen Belange auszugleichen sind. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Wegfall der Voraussetzungen für die Unabkömmlichstellung eines seiner Arbeitnehmer der zuständigen Wehrersatzbehörde anzuzeigen. ABSCHNITT II Wehrersatzwesen 1. Wehrersatzbehörden § 14 (1) Für die Durchführung der Aufgaben des Wehrersatzwesens mit Ausnahme der Erfassung werden in bundeseigener Verwaltung Wehrersatzbehörden errichtet. Sie unterstehen dem Bundesminister für Verteidigung. (2) Die Wehrersatzbehörden gliedern sich in 1. das Bundes-Wehrersatzamt – Bundesoberbehörde –, 2. Bereichs-Wehrersatzämter als Abteilungen der Wehrbereichsverwaltungen und Bezirks-Wehrersatzämter – Bundesmittelbehörden –, 3. Kreis-Wehrersatzämter – Bundesunterbehörden –. (3) Die örtliche Zuständigkeit der Wehrersatzbehörden der Mittel- und Unterstufe ist den Grenzen der Länder und ihrer Verwaltungsbezirke anzupassen. (4) Die Stellen der Leiter der Bereichs- und Be-zirks-Wehrersatzämter werden im Benehmen mit den beteiligten Landesregierungen besetzt. 2. Erfassung § 15 (1) Im Wege der Erfassung werden für alle Wehrpflichtigen Personennachweise angelegt und laufend geführt. (2) Die Wehrpflichtigen haben sich nach Aufforderung durch die Erfassungsbehörde zur Erfassung persönlich zu melden. (3) Die Erfassung ist Aufgabe der Länder. Sie wird von den Meldebehörden durchgeführt; in Ländern, in denen amtsangehörige Gemeinden Meldebehörden sind, kann die Landesregierung bestimmen, daß sie von den Ämtern durchgeführt wird. Um die planmäßige und reibungslose Durchführung der Erfassung sicherzustellen, kann die Bundesregierung für besondere Fälle Einzelweisungen erteilen. (4) Die Erfassungsbehörde leitet das Erfassungsergebnis dem Kreis-Wehrersatzamt zu. 3. Heranziehung von ungedienten Wehrpflichtigen § 16 Zweck der Musterung (1) Ungediente Wehrpflichtige werden vor der Heranziehung zum Wehrdienst gemustert. (2) Durch die Musterung wird entschieden, welche ungedienten Wehrpflichtigen für den Wehrdienst zur Verfügung stehen und sich zum Wehrdienst zu stellen haben. Nr. 36 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 24. Juli 1956 655 § 17 Durchführung der Musterung (1) Die Musterung wird von den Kreis-Wehrersatzämtern im Benehmen mit den kreisfreien Städten und den Landkreisen durchgeführt. (2) In jeder kreisfreien Stadt und in jedem Landkreis werden ein oder mehrere Musterungsbezirke gebildet. (3) In den kreisfreien Städten und den Landkreisen sind die für die Musterung erforderlichen Räume bereitzustellen. Die Kosten trägt der Bund. (4) Die Wehrpflichtigen haben sich nach Aufforderung durch die Kreis-Wehrersatzämter zur Musterung vorzustellen. (5) Die Wehrpflichtigen sind vor ihrem Erscheinen vor dem Musterungsausschuß auf ihre körperliche und geistige Tauglichkeit ärztlich zu untersuchen. Das Ergebnis der Untersuchung ist unter Angabe des Tauglichkeitsgrades schriftlich dem Musterungsausschuß vorzulegen; dem Wehrpflichtigen ist eine Abschrift auszuhändigen. Der Musterungsausschuß kann eine nochmalige Untersuchung durch einen anderen Arzt anordnen. (6) Ärztliche Untersuchungsmaßnahmen, die einer ärztlichen Behandlung oder einer Operation im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 5 des Soldatengesetzes gleichkommen, dürfen nicht ohne Zustimmung des Wehrpflichtigen vorgenommen werden. (7) Nicht als ärztliche Behandlung und als Operation im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 5 des Soldatengesetzes und nicht als Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit gelten einfache ärztliche Maßnahmen wie Blutentnahme aus dem Ohrläppchen, dem Finger oder einer Blutader oder eine röntgenologische Untersuchung. § 18 Musterungsausschuß (1) Die Entscheidung nach § 16 Abs. 2 treffen Musterungsausschüsse, die bei den Kreis-Wehrersatzämtern gebildet werden. Bei Wehrpflichtigen, die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 vorzeitig zum Grundwehrdienst herangezogen werden sollen, entscheiden die Kreis-Wehrersatzämter. (2) Die Musterungsausschüsse sind mit dem Leiter des Kreis-Wehrersatzamtes oder seinem Vertreter als Vorsitzendem, einem Beisitzer, der von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle benannt wird, sowie einem ehrenamtlichen Beisitzer besetzt. (3) Die ehrenamtlichen Beisitzer werden von den Vertretungskörperschaften der kreisfreien Städte und der Landkreise binnen zwei Monaten nach Mitteilung der erforderlichen Zahl der Beisitzer gewählt. (4) Die Beisitzer haben über die ihnen bei der Ausübung ihres Amtes bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu wahren. Beisitzer, die nicht Beamte sind, sind auf gewissenhafte Er- füllung ihrer Amtsobliegenheiten nach § 1 der Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen in der Fassung vom 22. Mai 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 351) zu verpflichten. § 19 Verfahrensgrundsätze (1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet das Musterungsverfahren. Er hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. (2) Die Mitglieder des Musterungsausschusses haben gleiches Stimmrecht. Weisungen für den Einzelfall dürfen ihnen nicht erteilt werden. Das Verfahren ist nicht öffentlich. (3) Der Musterungsausschuß erforscht den Sachverhalt von Amts wegen und erhebt die erforderlichen Beweise. Der Wehrpflichtige ist zu hören. Eine Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen durch den Musterungsausschuß findet nicht statt. Die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen ist unzulässig. (4) Alle Behörden und Gerichte haben dem Musterungsausschuß Amts- und Rechtshilfe zu leisten. Der Musterungsausschuß kann insbesondere das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Zeuge oder Sachverständiger seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hat, um Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen ersuchen. Hierbei sind die Tatsachen und Vorgänge anzugeben, über welche die Vernehmung erfolgen soll. Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung sind sinngemäß anzuwenden. Die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen liegt im Ermessen des Amtsgerichts. Das Amtsgericht entscheidet auch über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung des Zeugnisses, des Gutachtens oder der Eidesleistung. Die Entscheidung kann nicht angefochten werden. (5) Außer dem Wehrpflichtigen kann auch sein gesetzlicher Vertreter binnen der für den Wehrpflichtigen laufenden Fristen selbständig Anträge stellen und von den zulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen. Die Vorschriften für die Anträge und Rechtsmittel des Wehrpflichtigen gelten entsprechend. (6) Kann die Entscheidung nicht im Musterungstermin getroffen werden, so entscheidet der Musterungsausschuß, ob der Wehrpflichtige erneut zu laden ist. Der Ausschuß kann den Vorsitzenden ermächtigen, allein schriftlich zu entscheiden, wenn die Entscheidung von dem Ergebnis einer vom Ausschuß angeordneten Beweisaufnahme abhängt und ein eindeutiges Ergebnis der Beweisaufnahme zu erwarten ist. Bei erneuter Ladung kann der Musterungsausschuß in anderer Zusammensetzung entscheiden. (7) über das Ergebnis der Musterung erhalten die Wehrpflichtigen einen schriftlichen Musterungsbescheid. (8) Das Verfahren vor dem Musterungsausschuß ist kostenfrei. Notwendige Auslagen sind dem Wehrpflichtigen zu erstatten. 656 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1956, Teil I § 20 Zurückstellungsanträge (1) Anträge auf Zurückstellung nach § 12 Abs. 2 und 4 sollen bei der Meldung zur Erfassung, spätestens zwei Wochen vor der Musterung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Erfassungsbehörde gestellt sein. Sie sind zu begründen. Ist die Frist versäumt oder tritt der Zurückstellungsgrund nach Ablauf dieser Frist ein, so können Zurückstellungsanträge bei dem Kreis-Wehrersatzamt gestellt werden. (2) Die Erfassungsbehörde prüft, ob die Angaben, die den Antrag begründen, sachlich richtig sind, und leitet das Prüfungsergebnis dem Kreis-Wehrersatzamt zu. über den Antrag entscheidet der Musterungsausschuß. § 21 Einberufung Ungediente Wehrpflichtige werden von den Kreis-Wehrersatzämtern in Ausführung des Musterungsbescheides zum Wehrdienst einberufen Ort und Zeit des Dienstantritts werden durch Einberufungsbescheid bekanntgegeben. Die Wehrpflichtigen haben sich entsprechend dem Einberufungsbescheid zum Wehrdienst in der Bundeswehr zu stellen. § 22 Verfahrensvorschriften Durch Rechtsverordnung werden nähere Bestimmungen getroffen über 1. das Verfahren bei der Musterung und bei der Einberufung von ungedienten Wehrpflichtigen sowie die Erstattung der Auslagen gemäß § 19 Abs. 8, 2. die Voraussetzungen für die Berufung der ehrenamtlichen Beisitzer in die Musterungsausschüsse, über die Amtsdauer und die vorzeitige Beendigung des Amtes sowie über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer. 4. Heranziehung von gedienten Wehrpflichtigen § 23 (1) Wehrpflichtige, die bereits in der Bundeswehr gedient haben, werden nach Prüfung ihrer Verfügbarkeit durch die zuständigen Wehrersatzbehörden zum Wehrdienst einberufen. Sie sind zu hören und zu untersuchen, wenn seit dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Auf die Untersuchung findet § 17 Abs. 6 und 7 Anwendung. Die Wehrpflichtigen haben sich entsprechend dem Einberufungsbescheid zum Wehrdienst in der Bundeswehr zu stellen. Das Nähere über ihre Anhörung und Untersuchung sowie über den Zeitpunkt der Einberufung regelt eine Rechtsverordnung. (2) Als gedient im Sinne dieser Vorschrift gelten auch Wehrpflichtige, die mindestens drei Monate Wehrdienst geleistet und dabei eine Grundausbildung erhalten haben. 5. Wehrüberwachung § 24 (1) Die Wehrpflichtigen unterliegen von ihrer Musterung an der Wehrüberwachung. (2) Von der Wehrüberwachung sind diejenigen Wehrpflichtigen ausgenommen, die 1. für den Wehrdienst dauernd untauglich sind (§ 9), 2. vom Wehrdienst dauernd ausgeschlossen sind (§ 10), 3. vom Wehrdienst befreit sind (§ 11), 4. als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind und den zivilen Ersatzdienst geleistet haben. (3) Wehrpflichtige können in besonderen Fällen für begrenzte Zeit von der Erfüllung der ihnen im Rahmen der Wehrüberwachung übertragenen Aufgaben ganz oder teilweise befreit werden, wenn und solange sie für eine Einberufung nicht in Betracht kommen. (4) Während der Wehrüberwachung haben die Wehrpflichtigen 1. jede Änderung ihres ständigen Aufenthalts oder ihrer Wohnung binnen einer Woche der zuständigen Wehrersatzbehörde ihres Weg- und Zuzugsortes zu melden, 2. Vorsorge zu treffen, daß Mitteilungen der Wehrersatzbehörde sie unverzüglich erreichen, 3. auf Auffordern der zuständigen Wehrersatzbehörde sich persönlich zu melden. (5) Während der Wehrüberwachung haben die Wehrpflichtigen ferner der zuständigen Wehrersatzbehörde unverzüglich zu melden 1. die Absicht, ihrem ständigen Aufenthaltsort länger als acht Wochen fernzubleiben; 2. den Eintritt von Tatsachen, die eine dauernde Dienstuntauglichkeit begründen; 3. den Eintritt von Tatsachen, die eine vorübergehende Dienstuntauglichkeit von voraussichtlich mindestens sechs Monaten begründen; 4. den vorzeitigen Wegfall der Voraussetzungen für eine Zurückstellung. (6) Aufgaben der Wehrersatzbehörde bei der Wehrüberwachung von Wehrpflichtigen, die als Besatzungsmitglieder auf Seeschiffen gemäß Flaggenrechtsgesetz vom 8. Februar 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 79) fahren, können durch Rechtsverordnung den Seemannsämtern übertragen werden. Nr. 36 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 24 Juli 1956 657 ABSCHNITT III Vorschriften für Kriegsdienstverweigerer §25 Wirkungen der Kriegsdienstverweigerung Wer sich aus Gewissensgründen der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten widersetzt und deshalb den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, hat statt des Wehrdienstes einen zivilen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr zu leisten. Er kann auf seinen Antrag zum waffenlosen Dienst in der Bundeswehr herangezogen werden. § 26 Verfahren (1) über die Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, wird auf Antrag entschieden. (2) Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Kreis-Wohrersatzamt zu stellen. Er soll begründet werden. Der Antrag eines ungedienten Wehrpflichtigen soll vierzehn Tage vor der Musterung eingereicht werden. Er befreit nicht von der Pflicht, sich zur Erfassung zu melden und zur Musterung vorzustellen. (3) Die Entscheidung treffen besondere Ausschüsse (Prüfungsausschüsse für Kriegsdienstverweigerer). Sie sind mit einem vom Bundesminister für Verteidigung bestimmten Vorsitzenden und drei ehrenamtlichen Beisitzern besetzt; einer der Beisitzer wird von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle benannt. Der Vorsitzende hat im Ausschuß beratende Stimme; er muß zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst befähigt sein und das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet haben. Die Beisitzer müssen das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet haben und sollen für ihre Aufgabe auf Grund ihrer Lebenserfahrung geeignet sein. Aus jeder kreisfreien Stadt und jedem Landkreis sind von den Vertretungskörperschaften mindestens zwei Beisitzer zu wählen. Die Reihenfolge ihrer Heranziehung wird von dem zuständigen Kreis-Wehrersatzamt jeweils für ein Jahr durch das Los bestimmt. (4) Die Ausschüsse haben bei ihrer Entscheidung die gesamte Persönlichkeit des Antragstellers und sein sittliches Verhalten zu berücksichtigen. Die Mitglieder der Ausschüsse sind an Weisungen nicht gebunden, (5) Die Prüfungsausschüsse werden für den Bezirk eines oder mehrerer Kreis-Wehrersatzämter bei Kreis-Wehrersatzämtern gebildet. (6) Im übrigen gelten § 18 Abs. 3 und 4, § 19 Abs. 1 bis 5, 7 und 8 sowie § 22 entsprechend. Der Wehrpflichtige ist über die zulässigen Rechtsmittel (§§ 32 bis 35, 47) zu belehren. (7) Einer Entscheidung über den Antrag bedarf es nicht, wenn und solange eine Einberufung aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt. §27 Ziviler Ersatzdienst und waffenloser Dienst (1) Durch den zivilen Ersatzdienst werden Aufgaben des Allgemeinwohls wahrgenommen. Seine Dauer faßt im Frieden die Dauer des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen zusammen; im Verteidigungsfall ist der Ersatzdienst unbefristet. (2) Die Einrichtung und Organisation des zivilen Ersatzdienstes sowie die Rechtsstellung der Wehrpflichtigen, die den Ersatzdienst zu leisten haben, regelt ein besonderes Gesetz. (3) Die Verfügbarkeit für den zivilen Ersatzdienst wird durch die Musterung nach den Vorschriften, die für die Heranziehung zum Wehrdienst gelten, geprüft. (4) Der waffenlose Dienst in der Bundeswehr befreit von der Pflicht zum Kampf mit der Waffe und der Pflicht zur Teilnahme an einer Ausbildung, die den Wehrpflichtigen auf den Kampf mit der Waffe vorbereitet. ABSCHNITT IV Beendigung des Wehrdienstes und Verlust des Dienstgrades §28 Beendigungsgründe Der Wehrdienst endet 1. durch Entlassung (§ 29), 2. durch Ausschluß (§ 30). § 29 Entlassung (1) Ein Soldat, der auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet, ist zu entlassen: 1. mit Ablauf der für den Wehrdienst festgesetzten Zeit, 2. wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen des § 1 nicht erfüllt sind, 3. wenn der Einberufungsbescheid aufgehoben wird, 4. wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist und keinen Antrag auf Heranziehung zum waffenlosen Dienst stellt, 5. wenn er seiner Aufstellung für die Wahl zum Bundestag oder zu einem Landtag zugestimmt hat, 6. wenn er unabkömmlich gestellt ist. 658 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1956, Teil I (2) Er ist ferner zu entlassen, wenn er körperlich oder geistig dauernd dienstunfähig ist. Auf seinen Antrag kann er auch dann entlassen werden, wenn die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit innerhalb der gesetzlichen Wehrdienstzeit nicht zu erwarten ist. Er ist verpflichtet, sich von Ärzten der Bundeswehr oder von hierzu bestimmten Ärzten untersuchen zu lassen. Auf die Untersuchung findet § 17 Abs. 6 und 7 Anwendung. Der Arzt der Bundeswehr muß einen Arzt der Versorgungsverwaltung hinzuziehen, wenn mit der Geltendmachung von Versorgungsansprüchen zu rechnen ist oder wenn der Soldat dies beantragt. Das Recht des Soldaten, darüber hinaus Gutachten von Ärzten seiner Wahl einzuholen, bleibt unberührt. Die über die Entlassung entscheidende Dienststelle kann auch andere Beweise erheben. (3) Bestehen Zweifel über das Vorliegen einer Dienstbeschädigung, so ist vor der Entlassung eine Ärztekommission zu hören. Sie ist bei den Bereichs-Wehrersatzämtern zu bilden. Die Kommission besteht aus drei Ärzten, die von der medizinischen Fakultät einer im Bereiche des Wehrersatzamtes liegenden Universität, vom Wehrbereichsarzt und von dem zur Entlassung stehenden Soldaten der über die Entlassung entscheidenden Dienststelle benannt werden. Die Kommission bestimmt ihren Vorsitzenden selbst. (4) Er kann entlassen werden 1. auf seinen Antrag nach Anhörung der Wehrersatzbehörde, wenn das Verbleiben im Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher- oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde, 2. wenn gegen ihn auf Freiheitsstrafe von drei Monaten oder mehr erkannt ist. (5) Die Entlassung wird von der Stelle verfügt, die nach § 4 Abs. 2 des Soldatengesetzes für die Ernennung des Soldaten zuständig wäre. Die Entlassung nach Abschluß einer Wehrübung verfügt der nächste Disziplinarvorgesetzte. § 30 Ausschluß aus der Bundeswehr und Verlust des Dienstgrades (1) Ein Soldat, der auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet, ist aus der Bundeswehr ausgeschlossen, wenn gegen ihn durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich des Grundgesetzes auf die in § 10 bezeichneten Strafen, Maßregeln oder Nebenfolgen erkannt wird. Er verliert seinen Dienstgrad. (2) Ein Wehrpflichtiger verliert seinen Dienstgrad, wenn gegen ihn durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich des Grundgesetzes erkannt wird 1. auf die in § 38 Abs. 1 des Soldatengesetzes bezeichneten Strafen, Maßregeln oder Nebenfolgen oder 2. wegen vorsätzlich begangener Tat auf Gefängnis von einem Jahr oder mehr. §31 Wiederaufnahme des Verfahrens Wird ein Urteil mit den Folgen des § 30 im Wiederaufnahmeverfahren durch ein Urteil ersetzt, das diese Folgen nicht hat, so gilt der Verlust des Dienstgrades als nicht eingetreten. Die Beendigung des Wehrdienstes durch einen Ausschluß darf für die Erfüllung der Wehrpflicht nicht zum Nachteil des Betroffenen geltend gemacht werden. ABSCHNITT V Rechtsmittel § 32 Rechtsweg Für Rechtsstreitigkeiten bei der Ausführung dieses Gesetzes gilt die Verwaltungsgerichtsordnung nach Maßgabe der §§ 33 bis 35. § 33 Besondere Vorschriften für das Vorverfahren (1) über den Widerspruch gegen den Musterungsbescheid entscheidet eine Musterungskammer. (2) Die Musterungskammern werden bei den Bezirks-Wehrersatzämtern gebildet. Sie sind mit einem zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst befähigten Angehörigen der Wehrersatzverwaltung als Vorsitzendem, einem Beisitzer, der von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle benannt wird, sowie einem ehrenamtlichen Beisitzer besetzt. (3) über den Widerspruch gegen den Bescheid der Prüfungsausschüsse für Kriegsdienstverweigerer entscheiden Prüfungskammern für Kriegsdienstverweigerer, die für den Bezirk eines oder mehrerer Bezirks-Wehrersatzämter bei Bezirks-Wehrersatzämtern gebildet werden. Im übrigen gilt § 26 Abs. 3, 4, 6 und 7 entsprechend. (4) Die ehrenamtlichen Beisitzer werden von den Vertretungskörperschaften der im Bereich des Bezirks-Wehrersatzamtes gelegenen kreisfreien Städte und Landkreise binnen zwei Monaten nach Mitteilung der erforderlichen Zahl der Beisitzer gewählt. Soweit in Ländern für den Bereich einer höheren Verwaltungsbehörde Bezirksvertretungen bestehen, werden die Beisitzer von diesen gewählt. In Schleswig-Holstein werden die Beisitzer vom Landtag gewählt. § 18 Abs. 4 und § 22 gelten entsprechend. (5) Auch der Leiter des Kreis-Wehrersatzamtes kann Widerspruch einlegen. (6) Für das Verfahren der Musterungskammern gilt § 19 entsprechend. Der Wehrpflichtige kann mit seinem Einverständnis von der Pflicht, sich vorzustellen, befreit werden. Nr. 36 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 24. Juli 1956 659 (7) über den Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid entscheidet das Bezirks-Wehr-ersatzamt. (8) Der Widerspruch gegen den Musterungsbescheid hat aufschiebende Wirkung. (9) Ist der Musterungsbescheid unanfechtbar geworden, so ist ein Rechtsbehelf gegen den Einberufungsbescheid nur insoweit zulässig, als eine Rechtsverletzung durch den Einberufungsbescheid selbst geltend gemacht wird. (10) Der Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid (§ 21 und § 23 Abs. 1) hat keine aufschiebende Wirkung. § 34 Besondere Vorschriften für das gerichtliche Verfahren (1) In Rechtsslreitigkeiten bei der Ausführung dieses Gesetzes ist die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen. (2) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist binnen eines Monats nach Zustellung die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens im Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung gerügt werden oder das Verwaltungsgericht die Revision in seiner Entscheidung zugelassen hat. Die Zulassung der Revision kann nur verweigert werden, wenn offensichtlich eine Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen nicht zu erwarten ist. Die Revision muß zugelassen werden, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht ist ausgeschlossen. § 35 Anfechtungsklage gegen den Musterungsund den Einberufungsbescheid (1) Die Anfechtungsklage gegen den Musterungsund den Einberufungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen. Vor der Anordnung ist das Bezirks-Wehrersatzamt zu hören. (2) Auch der Leiter des Bezirks-Wehrersatzamtes kann gegen den Musterungsbescheid Anfechtungsklage erheben. ABSCHNITT VI Übergangs- und Schlußvorschriften § 36 Angehörige der früheren Wehrmacht und Wehrpflichtige älterer Geburtsjahrgänge (1) Offiziere und Unteroffiziere der früheren Wehrmacht sind bis zum Ablauf des Jahres wehrpflichtig, in dem sie das sechzigste Lebensjahr vollenden. (2) Für die Heranziehung von Wehrpflichtigen, die in der früheren Wehrmacht gedient haben, gilt § 23 entsprechend. Sie sind mit ihrem letzten früheren Dienstgrad einzuziehen. Sie unterliegen der Wehrüberwachung von ihrer Erfassung an. (3) Wehrpflichtige, die in der früheren Wehrmacht Wehrdienst von mindestens drei Monaten Dauer mit einer militärischen Grundausbildung geleistet haben, werden nur zu Wehrübungen herangezogen. (4) Für Wehrpflichtige, die außerhalb der früheren Wehrmacht mindestens drei Monate Dienst geleistet und dabei eine militärische Grundausbildung erhalten haben, gilt Absatz 3 entsprechend. (5) Der Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid hat bei der erstmaligen Einberufung zur Bundeswehr aufschiebende Wirkung. (6) Ungediente Wehrpflichtige, die vor dem 1. Juli 1937 geboren sind, werden nur zum verkürzten Grundwehrdienst und zu Wehrübungen herangezogen. § 37 Verzicht auf einen Dienstgrad (1) Wehrpflichtige, die nicht in der Bundeswehr gedient haben, können auf ihren früheren Dienstgrad verzichten. In diesem Falle erhalten sie den untersten Mannschaftsdienstgrad. (2) Die Verzichterklärung ist bei dem für den Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Kreis-Wehrersatzamt zu Protokoll zu geben. (3) Die Verzichterklärung kann nicht widerrufen werden. § 38 Wiedergutmachung (1) Angehörigen der früheren Wehrmacht, die Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 29. Juni 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 559, 562) sind und deshalb in ihrer militärischen Laufbahn benachteiligt wurden, ist auf Antrag der Dienstgrad zu verleihen, den sie bei normalem Verlauf ihrer Laufbahn wahrscheinlich erreicht hätten. (2) § 39 Abs. 2 ist anzuwenden. § 39 Verleihung eines höheren Dienstgrades (1) Einem Wehrpflichtigen, der sich die für einen höheren Dienstgrad erforderliche militärische Eignung durch Lebens- und Berufserfahrung außerhalb der Bundeswehr oder der früheren Wehrmacht erworben hat, kann dieser Dienstgrad verliehen werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 des Soldatengesetzes). (2) Die Verleihung des Dienstgrades kann von dem Ergebnis einer Wehrübung abhängig gemacht werden. In diesem Fall ist der Wehrpflichtige zu der Wehrübung mit einem vorläufigen Dienstgrad einzuberufen. (3) Für die Heranziehung zum Wehrdienst gilt § 23. 660 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1956, Teil I § 40 Zeitweiliger Dienstgrad Wird ein Wehrpflichtiger auf Grund seiner durch Lebens- und Berufserfahrung erworbenen besonderen Eignung für eine militärfachliche Verwendung vorgesehen, so kann ihm der für die Dienststellung erforderliche Dienstgrad für die Dauer der Verwendung verliehen werden. § 41 Wehrpflicht bei Zuzug Wer seinen ständigen Aufenthalt in Deutschland in den Geltungsbereich dieses Gesetzes hinein verlegt hat, wird erst ein Jahr danach wehrpflichtig. § 42 Bundesgrenzschutz und Polizei in den Ländern (1.) Wehrpflichtige werden während ihrer Zugehörigkeit zum Vollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes oder der Polizei in den Ländern nur mit Zustimmung des Bundesministers des Innern oder des zuständigen Landasministers zu Wehrübungen herangezogen. (2) Wehrpflichtige, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes dem Vollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes oder der Bereitschaftspolizei der Länder angehören oder innerhalb von fünf Jahren in diesen Vollzugsdienst eintreten, werden nicht zum Grundwehrdienst herangezogen. Haben sie im Vollzugsdienst mindestens zwei Jahre Dienst geleistet, so erlischt ihre Pflicht, Grundwehrdienst zu leisten. Sind sie vor Ablauf von zwei Jahren ausgeschieden, so kann der bis dahin geleistete Dienst auf den Grundwehrdienst angerechnet werden. § 43 Wehrpflichtige im Ausland Erfassung, Musterung, Einberufung und Wehrüberwachung der im Ausland lebenden Wehrpflichtigen werden durch besonderes Gesetz geregelt. §44 Zustellung und Vorführung (1) Die in diesem Gesetz vorgesehenen Bescheide sind zuzustellen. Für das Zustellungsverfahren gilt das Verwaltungszustellungsgesetz vom 3. Juli 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 379). Für das Zustellungsverfahren bei der Erfassung gelten die Zustellungsvorschriften der Länder. Bei minderjährigen Wehrpflichtigen ist an diese zuzustellen; § 7 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften gelten insoweit nicht. (2) Bei Wehrpflichtigen, die bei der Erfassung oder Musterung oder auf eine Aufforderung der Wehrersatzbehörde, sich persönlich zu melden (§ 24 Abs. 4 Nr. 3), unentschuldigt fernbleiben, kann die Vorführung angeordnet werden. Die Polizeibehörde ist um Durchführung zu ersuchen. §45 Bußgeldvorsdirift (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. der Aufforderung nach § 15 Abs. 2 und § 17 Abs. 4, sich zur Erfassung zu melden oder zur Musterung vorzustellen, nicht Folge leistet, 2. den in § 24 Abs. 4 und 5 begründeten Pflichten zuwiderhandelt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn sie vorsätzlich begangen ist, mit einer Geldbuße bis zu eintausend Deutsche Mark, wenn sie fahrlässig begangen ist, mit einer Geldbuße bis zu dreihundert Deutsche Mark geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 73 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist, soweit es sich nicht um Ordnungswidrigkeiten bei der Erfassung handelt, das Bundes-Wehrersatzamt oder die von ihm bestimmte Stelle. Das Bundes-Wehrersatzamt oder die von ihm bestimmte Stelle nimmt insoweit auch die Befugnisse der obersten Verwaltungsbehörde im Sinne des § 66 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten wahr. § 46 Stadtstaaiklausel Die Länder Bremen und Hamburg bestimmen, welche Stellen die Aufgaben erfüllen, die in diesem Gesetz und ..den dazu ergehenden Rechtsverordnungen den Landesbehörden, den kreisfreien Städten und den Landkreisen oder den Gemeinden sowie deren Vertretungskörperschaften zugewiesen sind. § 47 Übergangsvorschriften für Rechtsmittel (1) Bis zum Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung gelten das Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 625) und die landesrechtlichen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. (2) Vor Erhebung der Anfechtungsklage gegen einen nach diesem Gesetz von einer Bundesbehörde erlassenen Verwaltungsakt sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs nach Maßgabe des § 33. Vorschriften, nach denen vor Erhebung der Anfechtungsklage erfolglos Einspruch oder Beschwerde gegen den Verwaltungsakt einzulegen ist, sind nicht anzuwenden. Der Anfechtungsklage steht die Rechtsbeschwerde nach Artikel 13 des Württembergischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Dezember 1876 (Regierungsblatt für Württemberg S. 485) gleich. (3) Der Widerspruch ist binnen zwei Wochen, nachdem der Verwaltungsakt dem Wehrpflichtigen bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Wehrersatzbehörde zu er- Nr. 36 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 24. Juli 1956 661 heben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Wehrersatzbehörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt. § 48 Zuständigkeit für den Erlaß der Rechtsverordnungen (1) Die Bundesregierung erläßt die Rechtsverordnungen 1. über die Unterwerfung von Ausländern und Staatenlosen unter die Wehrpflicht (§ 2), 2. über die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Unabkömmlichstellung (§13 Abs. 2), 3. über die Übertragung von Aufgaben der Wehrersatzbehörde bei der Wehrüberwachung auf die Seemannsämter (§ 24 Abs. 6), 4. über das Verfahren in den Fällen der §§ 22, 23 Abs. 1 Satz 5, des § 26 Abs. 6 und des § 33 Abs. 3 und 4. (2) Die Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. § 49 Einschränkung von Grundrechten Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt. § 50 Zeitpunkt der ersten Musterungen und Einberufungen Die Bundesregierung bestimmt den Tag der ersten Musterungen und Einberufungen. §51 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet Bonn, den 21. Juli 1956. Der Bundespräsident Theodor Heuss Der Bundeskanzler Adenauer Der Bundesminister für Verteidigung Blank Der Bundesminister des Innern Dr. Schröder Für den Bundesminister der Finanzen Der Bundesminister für Atomfragen Strauß