Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1988  Nr. 22 vom 08.06.1988  - Seite 673 bis 675 - Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung (Schweinehaltungsverordnung)

Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung (Schweinehaltungsverordnung) Nr. 22 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. Juni 1988 673 Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung (Schweinehaltungsverordnung) Vom 30. Mai 1988 Auf Grund des § 2a Abs. 1 in Verbindung mit § 16b Abs. 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1986 (BGBl. I S. 1319) wird nach Anhörung der Tierschutzkommission mit Zustimmung des Bundesrates verordnet: §1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für das Halten von Hausschweinen in Ställen. (2) Die Vorschriften dieser Verordnung sind nicht anzuwenden 1. während einer tierärztlichen Behandlung, soweit nach dem Urteil des Tierarztes im Einzelfall andere Haltungsanforderungen notwendig sind, 2. bei einem Tierversuch, soweit für den verfolgten Zweck andere Haltungsanforderungen unerläßlich sind, 3. bei der mutterlosen Aufzucht gnotobiotischer oder spezifiziert pathogenfreier Ferkel, soweit nach dem Urteil des Tierarztes in der Aufzuchtstation andere Haltungsanforderungen unerläßlich sind. (3) Die Befugnis der zuständigen Behörde, Maßnahmen nach § 16a Satz 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes und nach tierseuchenrechtlichen Vorschriften anzuordnen, bleibt unberührt. §2 Allgemeine Anforderungen an Ställe Schweine dürfen nur in Ställen gehalten werden, die folgenden Anforderungen entsprechen: 1. Der Stall muß nach seiner Bauweise, seinem Material, seiner technischen Ausstattung und seinem Zustand so beschaffen sein, daß von ihm keine vermeidbaren Gesundheitsschäden für die Schweine ausgehen und eine Deckung ihres Bedarfs möglich ist. 2. Der Boden muß im ganzen Aufenthaltsbereich der Schweine und in den Treibgängen rutschfest und trittsicher sein. 3. Ein Boden mit Löchern, Spalten oder sonstigen Aussparungen muß so beschaffen sein, daß von ihm keine Gefahr von Verletzungen an Klauen oder Gelenken ausgeht; er muß der Größe und dem Gewicht der Tiere entsprechen. 4. Bei einem Metallgitterboden aus geschweißtem oder gewobenem Drahtgeflecht muß der Draht ummantelt sein und der einzelne Draht mit Mantel mindestens 9 Millimeter Durchmesser haben. 5. Der Boden muß im Liegebereich so beschaffen sein, daß er die Erfordernisse für das Liegen erfüllt, insbesondere, daß eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Schweine durch Wärmeableitung vermieden wird. §3 Besondere Anforderungen an Ställe für das Halten nicht abgesetzter Ferkel Schweine mit einem Gewicht bis 30 Kilogramm (Ferkel), die nicht abgesetzt sind, dürfen nur in Ställen gehalten werden, die folgenden weiteren Anforderungen entsprechen: 1. In Abferkelbuchten müssen Schutzvorrichtungen gegen ein Erdrücken der Ferkel vorhanden sein. 2. Der Aufenthaltsbereich der Ferkel muß so beschaffen sein, daß alle Ferkel jeweils gleichzeitig ungehindert saugen und sich ausruhen können. 3. Der Liegebereich muß entweder ausreichend eingestreut oder wärmegedämmt und beheizbar sein; der Boden darf nicht perforiert oder muß abgedeckt sein. §4 Anforderungen für das Halten abgesetzter Ferkel in Gruppen Abgesetzte Ferkel dürfen in Gruppen nur nach Maßgabe folgender Vorschriften gehalten werden: 1. Das Durchschnittsgewicht der Ferkel muß mindestens 5 Kilogramm betragen; bei neu zusammengesetzten Gruppen darf das Gewicht der einzelnen Ferkel um höchstens 20 vom Hundert vom Durchschnittsgewicht abweichen. Entsprechend dem Durchschnittsgewicht der Ferkel darf auf der frei verfügbaren Fläche höchstens eine Besatzdichte nach folgender Tabelle erreicht werden: Durchschnittsgewicht kg Besatzdichte Tiere je m2 bis 20 über 20 bis 24 über 24 3. Bei rationierter Fütterung muß der Freßplatz so beschaffen sein, daß alle Ferkel gleichzeitig fressen können; bei tagesrationierter Fütterung genügt es, wenn für jeweils zwei Ferkel eine Freßstelle vorhanden ist. Bei Fütterung zur freien Aufnahme muß für jeweils höchstens vier Ferkel eine Freßstelle vorhanden sein. 4. Bei Verwendung von Selbsttränken muß für jeweils höchstens 12 Ferkel eine Tränkstelle vorhanden sein. §5 Besondere Anforderungen an Ställe für das Halten von Schweinen über 30 Kilogramm (1) Schweine mit einem Gewicht über 30 Kilogramm dürfen in Ställen mit Betonspaltenboden nur gehalten werden, wenn die Ställe folgenden weiteren Anforderungen entsprechen: 674 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1988, Teil I 1. Die Spaltenweite darf bei Schweinen mit einem Gewicht a) bis 125 Kilogramm höchstens 1,7 Zentimeter, b) über 125 Kilogramm höchstens 2,2 Zentimeter betragen. Die Spaltenweiten dürfen diese Maße infolge von Fertigungsungenauigkeiten bei einzelnen Spalten um höchstens 0,3 Zentimeter überschreiten. 2. Die Auftrittsbreite der Balken muß mindestens 8 Zentimeter betragen. (2) Bei Stalleinrichtungen, die nach dem 31. Dezember 1989 fertiggestellt worden sind, darf für Schweine, die zur Zucht verwendet werden, der Liegebereich nicht voll perforiert sein; bei Einzelhaltung darf der Boden nur so weit perforiert sein, daß Kot oder Harn durchgetreten werden oder abfließen kann. §6 Anforderungen für das Halten von Schweinen über 30 Kilogramm in Gruppen Schweine mit einem Gewicht über 30 Kilogramm dürfen in Gruppen nur nach Maßgabe folgender weiterer Vorschriften gehalten werden: 1. a) Ist der Liegebereich vom Kotbereich getrennt, so darf entsprechend dem Durchschnittsgewicht der Tiere auf der frei verfügbaren Fläche des Liege-bereichs höchstens eine Besatzdichte nach folgender Tabelle erreicht werden: Durchschnittsgewicht Besatzdichte kg Tiere je Flächeneinheit bis 45 3 je m2 über 45 bis 110 2 je m2 über 110 bis 150 1 je m2 über 150 3 Tiere je 4 m2 b) Ist der Liegebereich vom Kotbereich nicht getrennt oder werden die Schweine auf Voll- oder Teilspaltenböden gehalten, so muß die frei verfügbare Fläche mindestens 20 vom Hundert größer sein als die jeweilige Fläche nach Buchstabe a. 2. Bei rationierter Fütterung, ausgenommen bei Abruffütterung und technischen Einrichtungen mit vergleichbarer Funktion, muß der Platz so beschaffen sein, daß alle Schweine gleichzeitig fressen können; bei tagesrationierter Fütterung genügt es, wenn für jeweils zwei Schweine eine Freßstelle vorhanden ist. Bei Fütterung zur freien Aufnahme muß für jeweils höchstens vier Schweine eine Freßstelle vorhanden sein. 3. Bei Verwendung von Selbsttränken muß für jeweils höchstens 12 Schweine eine Tränkstelle vorhanden sein. 4. Schweine, die gegenüber anderen Schweinen nachhaltig Unverträglichkeiten zeigen, dürfen nicht in der Gruppe gehalten werden. §7 Anbinde- und Kastenstandhaltung (1) Schweine dürfen in Anbindehaltung oder in Kastenständen nur gehalten werden, wenn 1. die Vorrichtungen für die Anbindehaltung und die Kastenstände so beschaffen sind, daß die Schweine sich nicht verletzen können, 2. jedes Schwein ungehinüti aufstehen, sich hinlegen und den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann und 3. nicht offensichtlich erkennbar ist, daß diese Haltungsformen zu nachhaltiger Erregung führen. Die Haisanbindung ist verboten. (2) Sauen dürfen jeweils nach dem Absetzen der Ferkel insgesamt vier Wochen lang nicht in Anbindehaltung gehalten werden; sie dürfen während dieser Zeit in Kastenständen nur gehalten werden, wenn sie täglich freie Bewegung erhalten. §8 Beleuchtung Werden Schweine in Ställen, in denen zu ihrer Pflege und Versorgung wegen eines zu geringen Lichteinfalls auch bei Tageslicht künstliche Beleuchtung erforderlich ist, gehalten, so muß der Stall täglich mindestens acht Stunden beleuchtet sein. Die Beleuchtung soll im Tierbereich eine Stärke von mindestens 50 Lux haben und dem Tagesrhythmus angeglichen sein. Jedes Schwein soll von ungefähr der gleichen Lichtmenge erreicht werden. Außerhalb der Beleuchtungszeit soll so viel Licht vorhanden sein, wie die Schweine zur Orientierung brauchen. §9 Stallklima (1) Es muß sichergestellt sein, daß Luftzirkulation, Staubgehalt, Temperatur, relative Luftfeuchte und Gaskonzentration im Stall in einem Bereich gehalten werden, der die Gesundheit der Schweine nicht nachteilig beeinflußt. (2) Im Liegebereich von Ferkeln darf während der ersten zehn Tage nach der Geburt eine Temperatur von 30 Grad Celsius nicht unterschritten sein. (3) Im Liegebereich von über zehn Tage alten Ferkeln dürfen die Temperaturen nach folgender Tabelle nicht unterschritten sein: Durchschschnittsgewicht bei Einstreu ohne Einstreu kg °C °C bis 10 16 20 über 10 bis 20 14 18 über 20 12 16 (4) Absatz 1 gilt nicht für Ställe, die vorwiegend dem Schutz der Schweine gegen Niederschläge, Sonne und Wind dienen und deren Stallraum nicht allseits von Bauteilen umschlossen ist §10 Fütterung und Pflege (1) Für die Fütterung und Riege der Schweine müssen ausreichend viele Personen mit den hierfür notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten vorhanden sein. Nr. 22 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. Juni 1988 675 (2) Es muß sichergestellt sein, daß eine für die Fütterung und Riege verantwortliche Person das Befinden der Schweine mindestens einmal morgens und abends überprüft. Soweit notwendig, sind unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung oder Tötung der Schweine zu ergreifen. (3) In einstreulosen Ställen muß sichergestellt sein, daß sich die Schweine täglich mehr als eine Stunde mit Stroh, Rauhfutter oder anderen geeigneten Gegenständen beschäftigen können. §11 Überwachung und Wartung der Anlagen, Vorsorge bei Betriebsstörungen (1) Technische Einrichtungen, wie die Wasserversorgung, müssen mindestens einmal täglich, Notstromaggregate in technisch erforderlichen zeitlichen Abständen überprüft werden. Mängel müssen unverzüglich, abgestellt werden. (2) Für den Fall einer Betriebsstörung muß für ausreichende Frischluftzufuhr, ausreichende Beleuchtung und ausreichende Fütterungs- und Tränkemöglichkeiten gesorgt sein. Für einen Stall, in dem bei Stromausfall eine ausreichende Versorgung der Schweine nicht sichergestellt ist, muß ein Notstromaggregat einsatzbereit gehalten werden. Ist ein Stall auf elektrisch betriebene Lüftung angewiesen, so muß für den Fall einer Betriebsstörung eine Alarmanlage vorhanden sein. §12 Ordnungswidrigkeiten Ordnungswidrig im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes handelt, wer als Halter vorsätzlich oder fahrlässig 1. a) entgegen § 2 Nr. 2 oder § 3, b) entgegen § 2 Nr. 4 oder c) entgegen § 5 Abs. 1 oder d) entgegen § 5 Abs. 2 Schweine in Ställen hält, die einer dort festgesetzten Anforderung nicht entsprechen, 2. entgegen § 4 oder § 6 Schweine in Gruppen hält, Bonn, den 30. Mai 1988 3. a) entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Satz 2, b) entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 2 oder c) entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Schweine in Anbindehaltung oder Kastenständen hält, 4. der Vorschrift des § 8 Satz 1 über die Mindestdauer der Beleuchtung zuwiderhandelt, 5. einer Vorschrift a) des § 9 Abs. 2 oder b) des § 9 Abs. 3 über die Mindesttemperatur zuwiderhandelt, 6. einer Vorschrift des § 10 Abs. 2 oder 3 über die Pflege zuwiderhandelt oder 7. einer Vorschrift a) des § 11 Abs. 1 oder b) des § 11 Abs. 2 über die Überwachung oder Wartung der Anlagen oder über die Vorsorge bei Betriebsstörungen zuwiderhandelt. §13 Berlin-Klausel Diese Verordnung gilt nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes in Verbindung mit § 22 des Tierschutzgesetzes auch im Land Berlin. § 14 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Abweichend hiervon treten in Kraft 1. am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden dreizehnten Kalendermonats § 2 Nr. 2,3 und 5, §§ 3,4, 6 und 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, §§ 8, 9 Abs. 3, §11 Abs. 2 und § 12 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, 3 Buchstabe a, Nr. 4, 5 Buchstabe b und Nr. 7 Buchstabe b, 2. am 1. Januar 1992 § 2 Nr. 4, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 2 und § 12 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 3 Buchstabe b, 3. am 1. Januar 1995 § 5 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 Buchstabe c. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und I. Kiechle Forsten