Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1992  Nr. 55 vom 11.12.1992  - Seite 1977 bis 1980 - Verordnung zum Schutz von Kälbern bei Stallhaltung (Kälberhaltungsverordnung)

Verordnung zum Schutz von Kälbern bei Stallhaltung (Kälberhaltungsverordnung) Nr. 55 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. Dezember 1992 1977 Verordnung zum Schutz von Kälbern bei Stallhaltung (Kälberhaltungsverordnung) *) Vom 1. Dezember 1992 Auf Grund des § 2a Abs. 1 in Verbindung mit § 16b Abs. 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1986 (BGBl. I S. 1319) verordnet der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach Anhörung der Tierschutzkommission: §1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für das Halten von Rindern bis zu einem Alter von sechs Monaten (Kälbern) in Ställen. (2) Die Vorschriften dieser Verordnung sind nicht anzuwenden 1. während einer tierärztlichen Behandlung, soweit nach dem Urteil des Tierarztes im Einzelfall andere Haltungsanforderungen notwendig sind, 2. bei einem Tierversuch, soweit für den verfolgten Zweck andere Haltungsanforderungen unerläßlich sind. §2 Allgemeine Anforderungen an Ställe Kälber dürfen nur in Ställen gehalten werden, die folgenden Anforderungen entsprechen: 1. Der Stall muß nach seiner Bauweise, seinem Material, seiner technischen Ausstattung und seinem Zustand so beschaffen sein, daß bei den Kälbern keine vermeidbaren Gesundheitsschäden und keine Verhaltensstörungen verursacht werden. Durch geeignete bauliche Einrichtungen ist der Einfall von natürlichem Licht sicherzustellen. 2. Der Boden muß im ganzen Aufenthaltsbereich der Kälber und in den Treibgängen rutschfest und trittsicher sein. 3. Ein Boden mit Löchern, Spalten oder sonstigen Aussparungen muß so beschaffen sein, daß von ihm keine Gefahr von Verletzungen an Klauen oder Gelenken ausgeht; er muß der Größe und dem Gewicht der Tiere entsprechen. 4. Bei einem Spaltenboden darf die Spaltenweite höchstens 2,5 Zentimeter, bei elastisch ummantelten Balken oder bei Balken mit elastischen Auflagen höchstens 3,0 Zentimeter betragen. Die Spaltenweiten dürfen diese Maße infolge von Fertigungsungenauigkeiten bei einzelnen Spalten um höchstens 0,3 Zentimeter über- *) Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 91/629/EWG des Rates vom 19. November 1991 über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern (ABI. EG Nr. L 340 S. 28). schreiten. Die Auftrittsbreite der Balken muß mindestens 8 Zentimeter betragen. 5. Der Boden muß im ganzen Liegebereich so beschaffen sein, daß er die Erfordernisse für das Liegen erfüllt, insbesondere daß eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Kälber durch Wärmeableitung vermieden wird. 6. Außenwände, mit denen Kälber ständig in Berührung kommen können, müssen so beschaffen sein, daß eine stärkere Wärmeableitung vermieden wird. 7. Seitenbegrenzungen bei Boxen und Ständen müssen so durchbrochen sein, daß die Kälber Sichtkontakt zu anderen Kälbern haben können. §3 Allgemeine Anforderungen für das Halten von Kälbern Kälber dürfen nur nach Maßgabe folgender Vorschriften gehalten werden: 1. Die Kälber müssen ungehindert liegen, aufstehen, sich hinlegen, eine natürliche Körperhaltung einnehmen, sich putzen sowie ungehindert Futter und Wasser aufnehmen können. 2. Die Kälber dürfen nicht mehr als unvermeidbar mit Harn oder Kot in Berührung kommen; ihnen muß ein trockener Liegebereich zur Verfügung stehen. 3. Maulkörbe dürfen nicht verwendet werden. 4. Anbindevorrichtungen dürfen nur verwendet werden, wenn den Kälbern hierdurch keine Schmerzen oder vermeidbaren Schäden entstehen können. 5. Kranke oder verletzte Tiere müssen erforderlichenfalls in geeigneten Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu abgesondert werden können. §4 Besondere Anforderungen für das Halten von Kälbern im Alter von bis zu zwei Wochen Kälber im Alter von bis zu zwei Wochen dürfen 1. nur auf Böden gehalten werden, die mit Stroh oder ähnlichem Material eingestreut sind, 2. einzeln in Boxen nur gehalten werden, wenn die Boxen innen mindestens 120 Zentimeter lang, 80 Zentimeter breit und 80 Zentimeter hoch sind, 3. in Anbindehaltung nur gehalten werden, wenn die frei verfügbare Standbreite bei bis zum Boden und über 1978 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1992, Teil I mehr als die Hälfte der Standlänge reichenden Seitenbegrenzungen 80 Zentimeter, bei anderen Ständen mindestens 60 Zentimeter beträgt. §5 Besondere Anforderungen für das Halten von Kälbern im Alter von über zwei bis zu acht Wochen (1) Kälber im Alter von über zwei bis zu acht Wochen dürfen einzeln in Ständen oder Boxen nur gehalten werden, wenn 1. der Stand oder die Box a) bei innen angebrachtem Trog mindestens 180 Zentimeter, b) bei außen angebrachtem Trog mindestens 160 Zentimeter lang ist und 2. die frei verfügbare Stand- oder Boxenbreite bei Ständen oder Boxen mit bis zum Boden und über mehr als die Hälfte der Stand- oder Boxenlänge reichenden Seitenbegrenzungen mindestens 100 Zentimeter, bei anderen Ständen oder Boxen mindestens 90 Zentimeter beträgt. (2) Kälber im Alter von über zwei bis zu acht Wochen dürfen in Gruppen nur nach Maßgabe folgender Vorschriften gehalten werden: 1. Für jedes Kalb muß eine uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche von mindestens 1,3 Quadratmeter vorhanden sein. 2. Bei rationierter Fütterung, ausgenommen bei Abruffütterung und technischen Einrichtungen mit vergleichbarer Funktion, müssen alle Kälber der Gruppe gleichzeitig Futter aufnehmen können. (3) Auch wenn die Gruppe aus bis zu drei Kälbern besteht, muß die Bucht mindestens 4 Quadratmeter Bodenfläche haben. §6 Besondere Anforderungen für das Halten von Kälbern im Alter von über acht Wochen (1) Kälber im Alter von über acht Wochen dürfen nur in Gruppen gehalten werden, es sei denn, 1. in dem Betrieb sind jeweils nicht mehr als fünf nach ihrem Alter oder ihrem Körpergewicht für das Halten in einer Gruppe geeignete Kälber vorhanden oder 2. andere Haltungsanforderungen sind für die Dauer einer Quarantäne zur Vermeidung von Ansteckungsrisiken notwendig. (2) Für das Halten von Kälbern im Alter von über acht Wochen gelten folgende Vorschriften: 1. Für jedes Kalb muß eine uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche vorhanden sein, die mindestens so bemessen ist, daß es sich ohne Behinderung umdrehen und hinlegen kann. Für jedes Kalb mit einem Lebendgewicht bis 150 Kilogramm muß die uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche mindestens 1,5 Quadratmeter groß sein. 2. Die Kälber dürfen nur während und nach der Fütterung und nur für höchstens eine Stunde angebunden oder sonst festgelegt werden. 3. § 5 Abs. 2 Nr. 2 gilt entsprechend. (3) Auch wenn die Gruppe aus bis zu drei Kälbern besteht, muß die Bucht mindestens 6 Quadratmeter Bodenfläche haben. (4) Kälber im Alter von über acht Wochen, die nach Absatz 1 nicht in Gruppen gehalten werden müssen, dürfen einzeln in Ständen oder Boxen nur gehalten werden, wenn 1. der Stand oder die Box a) bei innen angebrachtem Trog mindestens 200 Zentimeter, b) bei außen angebrachtem Trog mindestens 180 Zentimeter lang ist und 2. die frei verfügbare Stand- oder Boxenbreite bei Ständen oder Boxen mit bis zum Boden und über mehr als die Hälfte der Stand- oder Boxenlänge reichenden Seitenbegrenzungen mindestens 120 Zentimeter, bei anderen Ständen oder Boxen mindestens 100 Zentimeter beträgt. §7 Beleuchtung Werden Kälber in Ställen gehalten, in denen zu ihrer Pflege und Versorgung wegen eines zu geringen Lichteinfalls auch bei Tageslicht künstliche Beleuchtung erforderlich ist, so muß der Stall täglich mindestens zehn Stunden beleuchtet sein. Die Beleuchtung soll im Tierbereich eine Stärke von mindestens 80 Lux haben und dem Tagesrhythmus angeglichen sein. Jedes Kalb soll von ungefähr der gleichen Lichtmenge erreicht werden. Außerhalb der Beleuchtungszeit soll so viel Licht vorhanden sein, wie die Kälber zur Orientierung brauchen. Eine geeignete Beleuchtung zur Überwachung der Tiere muß zur Verfügung stehen. §8 Stallklima (1) Es muß sichergestellt sein, daß Luftzirkulation, Staubgehalt, Temperatur, relative Luftfeuchte und Gaskonzentration in einem Bereich gehalten werden, der die Gesundheit der Kälber nicht nachteilig beeinflußt. Im Aufenthaltsbereich der Kälber sollen je Kubikmeter Luft folgende Werte nicht überschritten sein: Gas Kubikzentimeter Ammoniak 20 Kohlendioxid 3000 Schwefelwasserstoff 5 (2) Im Liegebereich von Kälbern soll eine Lufttemperatur von 25 Grad Celsius nicht überschritten sowie während der ersten zehn Tage nach der Geburt eine Temperatur von 10 Grad Celsius, danach eine Temperatur von 5 Grad Celsius nicht unterschritten sein. Die relative Luftfeuchte soll zwischen 60 und 80 vom Hundert liegen. (3) Die Absätze 1 bis 2 gelten nicht für Ställe, die als Kaltställe oder Kälberhütten vorwiegend dem Schutz der Kälber gegen Niederschläge, Sonne und Wind dienen. Nr. 55 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. Dezember 1992 1979 §9 Fütterung und Pflege (1) Für die Fütterung und Pflege der Kälber müssen ausreichend viele Personen mit den hierfür notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten vorhanden sein. (2) Es muß sichergestellt sein, daß eine für die Fütterung und Pflege verantwortliche Person das Befinden der Kälber mindestens einmal morgens und abends überprüft. Soweit notwendig, sind unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung oder Tötung der Kälber zu ergreifen. Soweit notwendig ist unverzüglich ein Tierarzt hinzuzuziehen. (3) Es muß sichergestellt sein, daß alle Kälber mit Futter und Wasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt werden. Spätestens vier Stunden nach der Geburt muß den Kälbern Biestmilch angeboten werden. Für Kälber bis zu einem Gewicht von 70 Kilogramm muß der Eisengehalt der Milchaustauschertränke mindestens 30 Milligramm je Kilogramm, bezogen auf einen Trockensubstanzgehalt von 88 vom Hundert, betragen. Auch bei schwereren Kälbern ist zur Gewährleistung eines guten Gesundheitszustandes, des Wohlbefindens und eines angemessenen Wachstums eine ausreichende Eisenversorgung sicherzustellen. Jedes über zwei Wochen alte Kalb muß jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität haben. Kälber müssen täglich mindestens zweimal gefüttert werden. (4) Kälbern muß spätestens vom achten Lebenstag an Rauhfutter oder sonstiges rohfaserreiches strukturiertes Futter angeboten werden, und zwar 1. Aufzuchtkälbern zur freien Aufnahme, 2. Mastkälbern im Alter bis zu acht Wochen mindestens 100 Gramm täglich; im Alter von mehr als acht Wochen mindestens 200 Gramm täglich. (5) Es muß sichergestellt sein, daß Mist, Jauche und Gülle in zeitlich erforderlichen Abständen aus dem Stand und dem Liegebereich entfernt werden oder daß regelmäßig neu eingestreut wird. Erforderlichenfalls sind Ställe und Einrichtungsgegenstände, mit denen Kälber in Berührung kommen, insbesondere Tränkeeinrichtungen, zu reinigen und zu desinfizieren. § 10 Überwachung und Wartung der Anlagen, Vorsorge bei Betriebsstörungen (1) Technische Einrichtungen, wie die Wasserversorgung, müssen mindestens einmal täglich, Notstromaggregate in technisch erforderlichen zeitlichen Abständen überprüft werden. Mängel müssen unverzüglich abgestellt werden. (2) Anbindevorrichtungen müssen mindestens wöchentlich auf beschwerdefreien Sitz überprüft und erforderlichenfalls angepaßt werden. (3) Für den Fall einer Betriebsstörung muß für ausreichende Frischluftzufuhr, ausreichende Beleuchtung und ausreichende Fütterungs- und Tränkemöglichkeiten gesorgt sein. Für einen Stall, in dem bei Stromausfall eine ausreichende Versorgung der Kälber nicht sichergestellt ist, muß ein Notstromaggregat einsatzbereit gehalten werden. Ist ein Stall auf elektrisch betriebene Lüftung angewiesen, so muß eine Alarmanlage vorhanden sein, die dem Tierhalter eine Betriebsstörung meldet. Die Alarmanlage muß regelmäßig auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. §11 Aufzeichnungen Über das Ergebnis der täglichen Überprüfung der Tierbestände, insbesondere über Zahl und Ursache von Tierverlusten, sind in Tierhaltungen mit mindestens 50 Kälbern laufend Aufzeichnungen zu machen. Die zuständige Behörde kann anordnen, daß auch andere Kälberhalter Aufzeichnungen zu machen haben, wenn es im Einzelfall zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes erforderlich ist. Die Aufzeichnungen sind drei Jahre lang aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen. §12 Ordnungswidrigkeiten Ordnungswidrig im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes handelt, wer als Halter vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen a) § 2 Nr. 2, §§ 4, 5 Abs. 2 oder § 6 Abs. 2, b) § 2 Nr. 4 Satz 1 oder 3, c) § 3 Nr. 1, 3 oder 4 oder d) § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 oder 4 Kälber hält, 2. der Vorschrift des § 7 Satz 1 über die Mindestdauer der Beleuchtung zuwiderhandelt, 3. einer Vorschrift a) des § 9 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 oder Abs. 4 oder b) des § 9 Abs. 3 Satz 5 oder 6 über die Fütterung und Pflege zuwiderhandelt, 4. einer Vorschrift a) des § 10 Abs. 1 oder b) des § 10 Abs. 3 Satz 1 bis 3 über die Überwachung oder Wartung der Anlagen oder über die Vorsorge bei Betriebsstörungen zuwiderhandelt, 5. entgegen § 10 Abs. 2 Anbindevorrichtungen nicht regelmäßig überprüft oder nicht anpaßt oder 6. entgegen § 11 Satz 1 oder 3 oder entgegen einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Satz 2 Aufzeichnungen nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, nicht aufbewahrt oder nicht vorlegt. §13 Übergangsregelung Abweichend von § 4 Nr. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 dürfen Kälber im Alter bis zu acht Wochen einzeln in Ständen oder Boxen, die vor dem 1. März 1993 in Benutzung genommen worden sind, noch bis zum 31. Dezember 1996 gehalten werden, wenn der Stand oder die Box mindestens so breit ist wie das 0,8fache der jeweiligen Widerristhöhe der Kälber. 1980 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1992, Teil I § 14 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1993 in Kraft. Abweichend hiervon treten in Kraft 1. am 1. Januar 1994 § 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2, §§ 7, 8 Abs. 2, § 10 Abs. 3 und § 12 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2 und 4 Buchstabe b, 2. am 1. Januar 1995 §§ 4, 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1, 3 und 4, § 9 Abs. 3 Satz 5 und § 12 Nr. 1 Buchstabe d und Nr. 3 Buchstabe b, 3. am 1. Januar 1999 § 2 Nr. 4 und § 12 Nr. 1 Buchstabe b, 4. am 1. Januar 2008 § 2 Nr. 1 Satz 2 für Ställe, die vor dem 1. Januar 1994 in Benutzung genommen worden sind. Der Bundesrat hat zugestimmt. Bonn, den 1. Dezember 1992 Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten I. Kiechle