Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  1997  Nr. 23 vom 18.04.1997  - Seite 782 bis 785 - Verordnung zur ergänzenden Umsetzung der EG-Mutterschutz-Richtlinie (Mutterschutzrichtlinienverordnung - MuSchRiV)

Verordnung zur ergänzenden Umsetzung der EG-Mutterschutz-Richtlinie (Mutterschutzrichtlinienverordnung – MuSchRiV) 782 Bundesgesetzblatt Jahrgang 1997 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 18. April 1997 Verordnung zur ergänzenden Umsetzung der EG-Mutterschutz-Richtlinie (Mutterschutzrichtlinienverordnung - MuSchRiV)*) Vom 15. April 1997 Auf Grund - des § 2 Abs. 4 Nr. 2 und des § 4 Abs. 4 des Mutterschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Januar 1997 (BGBl. IS. 22,293), - des § 19 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 des Chemikaliengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 1994 (BGBl. IS. 1703), - des § 18 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 des Arbeitsschutzgesetzes vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246) und - des § 8 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. IS. 1170) verordnet die Bundesregierung: Artikel 1 Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz §1 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (1) Der Arbeitgeber muß rechtzeitig für jede Tätigkeit, bei der werdende oder stillende Mütter durch die chemischen Gefahrstoffe, biologischen Arbeitsstoffe, physikalischen Schadfaktoren, die Verfahren oder Arbeitsbedingungen nach Anlage 1 dieser Verordnung gefährdet werden können, Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung beurteilen. Die Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz bleiben unberührt. (2) Zweck der Beurteilung ist es, 1. alle Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit sowie alle Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit der betroffenen Arbeitnehmerinnen abzuschätzen und 2. die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu bestimmen. (3) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach dieser Verordnung in eigener Verantwortung wahrzunehmen. §2 Unterrichtung Der Arbeitgeber ist verpflichtet, werdende oder stillende Mütter sowie die übrigen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen und, wenn ein Betriebs- oder Personalrat vorhanden ist, diesen über die Ergebnisse der Beurteilung nach § 1 und über die zu ergreifenden Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu *) Die Verordnung dient der Umsetzung der Artikel 4 bis 6 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABI. EG Nr. L 348 S. 1) (EG-Mutterschutz-Richtlinie). unterrichten, sobald das möglich ist. Eine formlose Unterrichtung reicht aus. Die Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie weitergehende Pflichten nach dem Betriebs-verfassungs- und den Personalvertretungsgesetzen bleiben unberührt. §3 Weitere Folgerungen aus der Beurteilung (1) Ergibt die Beurteilung nach § 1, daß die Sicherheit oder Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmerinnen gefährdet ist und daß Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit möglich sind, so trifft der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen, damit durch eine einstweilige Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und gegebenenfalls der Arbeitszeiten für werdende oder stillende Mütter ausgeschlossen wird, daß sie dieser Gefährdung ausgesetzt sind. (2) Ist die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder gegebenenfalls der Arbeitszeiten unter Berücksichtigung des Standes von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse nicht möglich oder wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar, so trifft der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen für einen Arbeitsplatzwechsel der betroffenen Arbeitnehmerinnen. (3) Ist der Arbeitsplatzwechsel nicht möglich oder nicht zumutbar, dürfen werdende oder stillende Mütter so lange nicht beschäftigt werden, wie dies zum Schutze ihrer Sicherheit und Gesundheit erforderlich ist. §4 Verbot der Beschäftigung (1) Werdende oder stillende Mütter dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen die Beurteilung ergeben hat, daß die Sicherheit oder Gesundheit von Mutter oder Kind durch die chemischen Gefahrstoffe, biologischen Arbeitsstoffe, physikalischen Schadfaktoren oder die Arbeitsbedingungen nach Anlage 2 dieser Verordnung gefährdet wird. Andere Beschäftigungsverbote aus Gründen des Mutterschutzes bleiben unberührt. (2) § 3 gilt entsprechend, wenn eine Arbeitnehmerin, die eine Tätigkeit nach Absatz 1 ausübt, schwanger wird oder stillt und ihren Arbeitgeber davon unterrichtet. §5 Besondere Beschäftigungsbeschränkungen (1) Nicht beschäftigt werden dürfen 1. werdende oder stillende Mütter mit sehr giftigen, giftigen, gesundheitsschädlichen oder in sonstiger Weise den Menschen chronisch schädigenden Gefahrstoffen, wenn der Grenzwert überschritten wird; 2. werdende oder stillende Mütter mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, die ihrer Art nach erfahrungsgemäß Krankheitserreger übertragen können, wenn sie den Krankheitserregern ausgesetzt sind; Bundesgesetzblatt Jahrgang 1997 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 18. April 1997 783 3. werdende Mütter mit krebserzeugenden, fruchtschädigenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen; 4. stillende Mütter mit Gefahrstoffen nach Nummer 3, wenn der Grenzwert überschritten wird; 5. gebärfähige Arbeitnehmerinnen beim Umgang mit Gefahrstoffen, die Blei oder Quecksilberalkyle enthalten, wenn der Grenzwert überschritten wird; 6. werdende oder stillende Mütter in Druckluft (Luft mit einem Überdruck von mehr als 0,1 bar). In Nummer 2 bleibt § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Mutterschutzgesetzes unberührt. Nummer 3 gilt nicht, wenn die werdenden Mütter bei bestimmungsgemäßem Umgang den Gefahrstoffen nicht ausgesetzt sind. (2) Für Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 gelten die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung entsprechend. §6 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig im Sinne des § 25 Abs. 1 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 2 eine werdende oder stillende Mutter nicht, nicht richtig oder nicht vollständig unterrichtet. (2) Ordnungswidrig im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 4 des Mutterschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Abs. 3 oder § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 3, 4 oder 6 eine werdende oder stillende Mutter beschäftigt. (3) Ordnungswidrig im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b des Chemikaliengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 eine gebärfähige Arbeitnehmerin beschäftigt. (4) Wer vorsätzlich oder fahrlässig durch eine in Absatz 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung eine Frau in ihrer Arbeitskraft oder Gesundheit gefährdet, ist nach § 21 Abs. 3,4 des Mutterschutzgesetzes strafbar. (5) Wer vorsätzlich oder fahrlässig durch eine in Absatz 3 bezeichnete Handlung das Leben oder die Gesundheit einer Frau gefährdet, ist nach § 27 Abs. 2 bis 4 des Chemikaliengesetzes strafbar. Artikel 2 Änderung der Gefahrstoffverordnung Die Gefahrstoffverordnung vom 26. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1782, 2049), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 311), wird wie folgt geändert: 1. Im Inhaltsverzeichnis wird die Angabe "§ 46 Mutterschutzgesetz" durch die Angabe "§ 46 (entfällt)" ersetzt. 2. § 15b Abs. 5 bis 7 wird aufgehoben. 3. § 20 Abs. 2 Satz 2 wird aufgehoben. 4. § 46 wird aufgehoben. 5. In § 50 Abs. 1 werden die Nummern 5, 6 und 16 aufgehoben. Artikel 3 Änderung der Druckluftverordnung Die Druckluftverordnung vom 4. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1909), geändert durch § 69 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965), wird wie folgt geändert: 1. Im Inhaltsverzeichnis wird die Angabe "§ 24 Bußgeldvorschriften und Hinweise auf die Anwendung der Strafvorschriften des Mutterschutzgesetzes" durch die Angabe "§ 24 (entfällt)" ersetzt. 2. In § 6 wird in der Klammer die Angabe "Nr. 1" gestrichen. 3. In § 9 Abs. 2 werden die Nummer 2 und nach dem Wort "dürfen" die Angabe "1." und nach dem Wort "Jahren" das Komma gestrichen. 4. In § 22 Abs. 1 Nr. 2 wird die Angabe "Nr. 1" gestrichen. 5. In § 22a wird die Angabe "Nr. 1" gestrichen. 6. § 24 wird aufgehoben. Artikel 4 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Der Bundesrat hat zugestimmt. Bonn, den 15. April 1997 Der Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Claudia Nolte 784 Bundesgesetzblatt Jahrgang 1997 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 18. April 1997 Anlage 1 (zu Artikel 1§1 Abs. 1) Nicht erschöpfende Liste der chemischen Gefahrstoffe und biologischen Arbeitsstoffe, der physikalischen Schadfaktoren sowie der Verfahren und Arbeitsbedingungen nach § 1 Abs. 1 A. Gefahr- und Arbeitsstoffe (Agenzien) und Schadfaktoren 1. Chemische Gefahrstoffe Folgende chemische Gefahrstoffe, soweit bekannt ist, daß sie die Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerin und des ungeborenen Kindes gefährden und soweit sie noch nicht in Anlage 2 dieser Verordnung aufgenommen sind: a. nach der Richtlinie 67/548/EWG1) beziehungsweise nach § 4a der Gefahrstoffverordnung als R 40, R 45, R 46 und R 61 gekennzeichnete Stoffe, sofern sie noch nicht in Anlage 2 aufgenommen sind, b. die in Anhang I der Richtlinie 90/394/EWG2) aufgeführten chemischen Gefahrstoffe, c. Quecksilber und Quecksilberderivate, d. Mitosehemmstoffe, e. Kohlenmonoxid, f. gefährliche chemische Gefahrstoffe, die nachweislich in die Haut eindringen 2. Biologische Arbeitsstoffe Biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppen 2 bis 4 im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 90/679/EWG3), soweit bekannt ist, daß diese Arbeitsstoffe oder die durch sie bedingten therapeutischen Maßnahmen die Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerin und des ungeborenen Kindes gefährden und soweit sie noch nicht in Anlage 2 dieser Verordnung aufgenommen sind 3. Physikalische Schadfaktoren, die zu Schädigungen des Fötus führen und/oder eine Lösung der Plazenta verursachen können, insbesondere a. Stöße, Erschütterungen oder Bewegungen, b. Bewegen schwerer Lasten von Hand, gefahrenträchtig insbesondere für den Rücken- und Lendenwirbelbereich, c. Lärm, d. ionisierende Strahlungen, e. nicht ionisierende Strahlungen, f. extreme Kälte und Hitze, g. Bewegungen und Körperhaltungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Betriebs, geistige und körperliche Ermüdung und sonstige körperliche Belastungen, die mit der Tätigkeit der werdenden oder stillenden Mutter verbunden sind B. Verfahren Die in Anhang I der Richtlinie 90/394/EWG aufgeführten industriellen Verfahren C. Arbeitsbedingungen Tätigkeiten im Bergbau unter Tage ) ABl. EG Nr. 196 S. 1; Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/32/EWG (ABI. EG Nr. L 154 S.1). 2) ABI.EGNr.L196S.1. 3) ABI. EG Nr. L 374 S. 1; Richtlinie geändert durch die Richtlinie 93/88/EWG (ABI. EG Nr. L 268 S. 71), angepaßt durch die Richtlinie 95/30/EWG (ABI. EG Nr. L155 S. 41). Bundesgesetzblatt Jahrgang 1997 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 18. April 1997 785 Anlage 2 (zuArtikel1§4Abs. 1) Nicht erschöpfende Liste der chemischen Gefahrstoffe und biologischen Arbeitsstoffe, der physikalischen Schadfaktoren und der Arbeitsbedingungen nach § 4 Abs. 1 A. Werdende Mütter 1. Gefahr- und Arbeitsstoffe (Agenzien) und Schadfaktoren a. Chemische Gefahrstoffe Blei und Bleiderivate, soweit die Gefahr besteht, daß diese Gefahrstoffe vom menschlichen Organismus absorbiert werden. Die Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung nach § 52 Abs. 3 der Gefahrstoffverordnung sind zu beachten. b. Biologische Arbeitsstoffe Toxoplasma, Rötelnvirus, außer in Fällen, in denen nachgewiesen wird, daß die Arbeitnehmerin durch Immunisierung ausreichend gegen diese Arbeitsstoffe geschützt ist c. Physikalische Schadfaktoren Arbeit bei Überdruck, zum Beispiel in Druckkammern, beim Tauchen 2. Arbeitsbedingungen Tätigkeiten im Bergbau unter Tage B. Stillende Mütter 1. Gefahrstoffe (Agenzien) und Schadfaktoren a. Chemische Gefahrstoffe Blei und Bleiderivate, soweit die Gefahr besteht, daß diese Gefahrstoffe vom menschlichen Organismus absorbiert werden b. Physikalische Schadfaktoren Arbeit bei Überdruck, zum Beispiel in Druckkammern, beim Tauchen 2. Arbeitsbedingungen Tätigkeiten im Bergbau unter Tage