Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil II  1954  Nr. 21 vom 18.10.1954  - Seite 1035 bis 1041 - Gesetz über das Seelotswesen

Gesetz über das Seelotswesen Bundesgesetzblatt 1035 Teil II 1954 •Ausgegeben zu Bonn am 18. Oktober 1954 Nr. 21 Tag Inhalt: Seite 13. 10. 54 Gesetz über das Seelotswesen.......................................................... 1035 24. 9.54 Bekanntmachung über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Schiffssicherheitsvertrag London 1948................................................... 1042 24. 9. 54 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Internationalen Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln, über Konnossemente (Beitritt der Schweiz) ............................ 1043 24. 9. 54 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Internationalen Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe (Beitritt der Schweiz)...... 1043 4. 10. 54 Bekanntmachung über den Geltungsbereich der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Ratifikation durch die Niederlande) ................................ 1044 30. 9. 54 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Handelsvertrages über die Gewährung der Meistbegünstigung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Uruguay........ 1044 24. 9. 54 Bekanntmachung zu § 35 des Warenzeichengesetzes .................................... 1045 Gesetz über das Seelotswesen. Vom 13. Oktober 1954. Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen § 1 (1) Seelotse im Sinne dieses Gesetzes ist, wer nach behördlicher Zulassung auf See oder auf Seeschifffahrtstraßen außerhalb der Häfen berufsmäßig Schiffe als orts- und schiffahrtskundiger Berater geleitet. Der Seelotse gehört nicht zur Schiffsbesatzung. (2) Seeschiffahrtstraße im Sinne von Absatz 1 Satz 1 ist auch der Nord-Ostsee-Kanal. § 2 Reviere im Sinne dieses Gesetzes sind Fahrtstrecken, für die zur Sicherheit der Schiffahrt die Bereitstellung einheitlicher ständiger Lotsendienste angeordnet ist. § 3 (1) Die Aufsicht über das Seelotswesen sowie die Einrichtung und Unterhaltung des Seelotswesens in den Revieren sind Aufgaben des Bundes. (2) Der Bundesminister für Verkehr bestimmt nachgeordnete Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes als Aufsichtsbehörden. § 4 Die Selbstverwaltung des Seelotswesens in den Revieren obliegt den .Lotsenbrüderschaften und der Bundeslotsenkammer. § 5 Auf das Seelotswesen der Reviere, in denen noch Bedienstete des Bundes als Seelotsen eingesetzt wer- den, finden die Vorschriften der §§ 4, 7 Satz 2, der §§ 9, 14, 16 bis 25, 31 bis 45, 46 Abs. 1 bis 3, der §§ 47 bis 53, 56 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und des § 57 keine Anwendung und die Vorschriften der §§ 6, 10 bis 13 und 15 nur sinngemäß Anwendung. Die allgemeinen Rechtsvorschriften für Bedienstete des Bundes bleiben unberührt. ZWEITER ABSCHNITT Lotswesen der Reviere 1. Allgemeine Revierordnung § 6 (1) Der Bundesminister für Verkehr bestimmt im Rahmen dieses Gesetzes und nach Anhörung der Küstenländer sowie der Bundeslotsenkammer durch 1. Lotsordnungen a) die Reviere und ihre Grenzen, b) die Verwaltung und Ordnung der Reviere, c) die Voraussetzungen, unter denen Schiffe beim Befahren des Reviers zur Annahme eines Lotsen verpflichtet sind; 2. Lotstarifordnungen a) die Voraussetzungen der Gebührenpflicht, b) die Höhe der Gebühren für die Lotseinrichtungen des Bundes (Lotsgebühren) und der Entgelte für die Leistungen der Seelotsen (Lotsgelder). (2) Die Lotsordnungen und Lotstarifordnungen sind Rechtsverordnungen. Die Lotstarifordnungen bedürfen, soweit sie die Gebühren für die Lotseneinrichtungen des Bundes betreffen, der Zustimmung des 1036 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1954, Teil II Bundesministers der Finanzen. Der Bundesminister für Verkehr kann die Ermächtigung nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstaben b und c durch Rechtsverordnung auf die Aufsichtsbehörde übertragen. Die in diesem Absatz genannten Rechtsverordnungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. § 7 Bei der Festsetzung der Lotsgebühren ist auf das öffentliche Interesse an der Förderung des Verkehrs und die Deckung der öffentlichen Ausgaben für Lotszwecke Bedacht zu nehmen. Bei der Festsetzung der Lotsgelder ist darauf zu achten, daß die Seelotsen bei normaler Inanspruchnahme ein der Vorbildung und Verantwortung ihres Berufes entsprechendes Einkommen haben, und daß eine ausreichende Versorgung für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes ermöglicht werden kann. § 8 Die Lotsgebühren und Lotsgelder werden nach näherer Bestimmung der Lotstarifordnung von Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes oder von der Lotsenbrüderschaft eingezogen. Sie werden nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes beigetrieben. 2. Bestallung der Seelotsen § 9 Wer den Beruf eines Seelotsen in einem Revier ausüben will, bedarf einer Bestallung. § 10 (1) Anträge auf Bestallung als Seelotse sind an die für das Revier zuständige Aufsichtsbehörde zu richten. (2) Die Aufsichtsbehörde führt für jedes Revier eine Liste der Bewerber. In die Liste werden nur Deutsche aufgenommen, die das Befähigungszeugnis als Kapitän auf großer Fahrt besitzen. Die Aufnahme in die Liste ist dem Bewerber zu bestätigen und der Lotsenbrüderschaft mitzuteilen. (3) Für Reviere, auf denen Schiffe mit einem Bruttoraumgehalt von mehr als 600 cbm im allgemeinen nicht verkehren, können die Lotsordnungen von der Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 Erleichterungen zulassen. § H (1) Die Eintragung in die Bewerberliste gewährt keinen Rechtsanspruch auf eine spätere Bestallung und keinen Rang für eine spätere Auswahl. (2) Jeder Bewerber hat von dem auf die Eintragung folgenden Kalenderjahr ab alljährlich bis zum 31. Dezember der Aufsichtsbehörde, welche die Bewerberliste führt, schriftlich anzuzeigen, ob er sein Bewerbungsgesuch aufrechterhält. § 12 (1) Die Aufsichtsbehörde wählt im Benehmen mit der Lotsenbrüderschaft die erforderliche Anzahl von Lotsenanwärtern aus der Bewerberliste aus. (2) Als Lotsenanwärter darf nur ausgewählt und verwendet werden, wer 1. die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 und 3 noch erfüllt; 2. nach dem Erwerb des erforderlichen Befähigungszeugnisses mindestens sechs Jahre Bordstellungen als Kapitän oder nautischer Schiffsoffizier innegehabt hat; 3. durch ein vertrauensärztliches Zeugnis der See-Berufsgenossenschaft nachweist, daß er geistig und körperlich für den Seelotsenberuf geeignet ist, insbesondere das volle Hör-, Seh- und Farbenunterscheidungsvermögen hat; 4. nach seiner Lebensführung die Gewähr dafür bietet, daß er die für den Seelotsenberuf erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. § 13 Der Anwärter hat sich der für das Revier vorgeschriebenen Ausbildung und nach deren Abschluß einer Prüfung durch die Aufsichtsbehörde zu unterziehen. § 14 (1) Nach Abschluß der Ausbildung und bestandener Prüfung ist der Anwärter von der Aufsichtsbehörde zum Seelotsen zu bestellen. Er erhält über die Bestallung als Seelotse eine von der Aufsichtsbehörde ausgefertigte Urkunde. Die Urkunde enthält 1. einen Hinweis auf dieses Gesetz, 2. den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort des Seelotsen, 3. die Bezeichnung des Reviers, für das er bestellt ist. Die Bestallung wird mit der Aushändigung der Urkunde wirksam. (2) Bei der Aushändigung der Urkunde ist der Seelotse auf die gewissenhafte Ausübung seines Berufes zu verpflichten. § 15 Die Lotsordnung kann vorsehen, daß der Seelotse nach seiner ersten Bestallung für eine Übergangszeit nur Schiffe bestimmter Art und Größe lotsen darf. § 16 Der Seelotse hat sich auf Verlangen der Aufsichtsbehörde der Untersuchung durch einen Vertrauensarzt der See-Berufsgenossenschaft zu unterziehen und den Untersuchungsbefund der Aufsichtsbehörde vorzulegen. § 17 (1) Die Bestallung ist zu widerrufen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. (2) Die Bestallung ist zurückzunehmen, wenn 1. durch ein vertrauensärztliches Zeugnis der See-Berufsgenossenschaft festgestellt wird, daß der Seelotse infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte dauernd unfähig ist, seinen Beruf ordnungsmäßig auszuüben,- Nr. 21 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 18. Oktober 1954 1037 2. dem Seelotsen durch den unanfechtbar gewordenen Spruch eines Seeamtes das Befähigungszeugnis entzogen wird, dessen Besitz Voraussetzung für die Bestallung war; 3. der Seelotse die ihm obliegenden Pflichten wiederholt oder gröblich verletzt und dadurch ungeeignet erscheint, seinen Beruf weiterhin auszuüben. § 18 (1) Ist auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen des Seelotsen, die Gegenstand einer seeamtlichen Untersuchung oder eines Strafverfahrens sind, oder auf Grund des Gesundheitszustandes des Seelotsen die Annahme gerechtfertigt, daß der Seelotse die Sicherheit des Verkehrs durch die weitere Tätigkeit gefährdet, so ist ihm die Berufsausübung vorläufig zu untersagen, bis durch den unanfechtbar gewordenen Spruch eines Seeamtes, das rechtskräftige Urteil eines Gerichtes oder ein vertrauensärztliches Zeugnis der See-Berufsgenossenschaft geklärt ist, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 erfüllt sind. (2) Wird in dem vertrauensärztlichen Zeugnis der See-Berufsgenossenschaft festgestellt, daß der Seelotse nur vorübergehend außerstande ist, seinen Beruf ordnungsmäßig auszuüben, so ist die vorläufige Untersagung aufzuheben, sobald durch vertrauensärztliches Zeugnis bescheinigt wird, daß der Hinderungsgrund nicht mehr besteht. § 19 Der Widerruf und die Zurücknahme der Bestallung sowie die vorläufige Untersagung der Berufsausübung werden von der Aufsichtsbehörde verfügt. Vor der Verfügung ist der Seelotse, im Falle der Zurücknahme der Bestallung auch die Bundeslotsenkammer zu hören. Die Verfügung ist mit Gründen zu versehen und dem Seelotsen zuzustellen. § 20 Im Falle der Zurücknahme der Bestallung nach § 17 Abs. 2 kann die Aufsichtsbehörde, jedoch frühestens nach Ablauf eines Jahres, eine erneute Bestallung vornehmen, wenn die Annahme begründet ist, daß der Seelotse künftig den Anforderungen seines Berufes genügen wird. § 21 (1) Die Bestallung erlischt mit dem Ende des Monats, in dem der Seelotse das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. (2) Weist der Seelotse seine ausreichende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit durch ein vertrauensärztliches Zeugnis der See-Berufsgenossenschaft nach, so kann die Aufsichtsbehörde auf Antrag des Seelotsen die Dauer der Bestallung um jeweils ein Jahr verlängern, jedoch längstens bis zum Ende des Monats, in dem der Seelotse das siebzigste Lebensjahr vollendet. § 22 (1) Wird ein Revier aufgehoben, so sind die für dieses Revier geltenden Bestallungen zurückzuneh- men und dafür auf Antrag Erlaubnisse nach § 49 zu erteilen. (2) Werden mehrere Reviere zu einem Revier vereinigt, so gelten die für die einzelnen Reviere erteilten Bestallungen für das neue Revier. § 23 (1) Der Seelotse kann auf die Rechte aus der Bestallung verzichten. (2) Der Verzicht ist der Aufsichtsbehörde gegenüber schriftlich zu erklären. Er wird, falls die Aufsichtsbehörde nicht einem früheren Zeitpunkt zustimmt, mit Ablauf des dritten Monats wirksam, der auf die Abgabe der Erklärung folgt. § 24 Wird die Bestallung widerrufen oder nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 zurückgenommen, so hat die Aufsichtsbehörde die Bestallungsurkunde einzuziehen. Bei der Zurücknahme nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 oder § 22 Abs. 1, beim Erlöschen nach § 21 oder beim Verzicht auf die Bestallung ist die Bestallungsurkunde der Aufsichtsbehörde vorzulegen und von dieser mit einem Vermerk über den Grund des Erlöschens zu versehen. 3. Rechtsstellung und Pflichten der Seelotsen § 25 (1) Der für ein Revier bestellte Seelotse übt seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. (2) Der Seelotse führt die Lotsung in eigener Verantwortung durch. Im übrigen unterliegt er der Aufsicht nach Maßgabe dieses Gesetzes. § 26 Der Seelotse hat sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Dienstes der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, die sein Beruf erfordert. § 27 (1) Der Seelotse berät den Kapitän bei der Führung des Schiffes. (2) Für die Führung des Schiffes bleibt der Kapitän auch dann verantwortlich, wenn er selbständige Anordnungen des Seelotsen hinsichtlich der Führung des Schiffes zuläßt. § 28 (1) Der Seelotse hat seine Lotstätigkeit so lange auszuüben, bis er abgelöst oder vom Kapitän entlassen wird oder das Schiff den Bestimmungsort oder die Grenze des Reviers erreicht. (2) Auf Schiffen, die nach der Lotsordnung zur Annahme eines Seelotsen verpflichtet sind, darf der Kapitän den Lotsen nicht entlassen, bevor das Schiff die Reviergrenze erreicht hat. (3) Kann der Seelotse beim Verlassen des Reviers nicht ausgeholt werden, so ist er zu weiterer Lotstätigkeit nicht verpflichtet, jedoch auf Anforderung des Kapitäns berechtigt. 1038 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1954, Teil II § 29 (1) Der Seelotse hat seine für die Lotstätigkeit notwendigen Kenntnisse laufend zu ergänzen. (2) Der Seelotse hat sich bei der Lotstätigkeit der technischen Hilfsmittel zu bedienen, deren Anwendung durch die seemännische Praxis, durch Weisungen der Aufsichtsbehörde oder durch die besonderen Umstände des Falles geboten ist. Er hat die Einrichtungen des Lotswesens pfleglich zu behandeln. § 30 Der Seelotse hat der Aufsichtsbehörde und der Lotsenbrüderschaft jede Beobachtung, welche die Sicherheit der Schiffahrt betrifft, unverzüglich mitzuteilen; insbesondere hat er über jeden Unfall eines von ihm gelotsten Schiffes zu berichten und auf Verlangen weitere Auskünfte zu geben. Veränderungen oder Störungen an den Seezeichen hat er unverzüglich der zuständigen Bezirksbehörde der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes anzuzeigen. 4. Lotsenbrüderschaften § 31 (1) Die für ein Revier bestellten Seelotsen bilden eine Lotsenbrüderschaft. Die Lotsenbrüderschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Die Lotsenbrüderschaft hat die ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Sie hat im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des Reviers zu wahren und zu fördern. § 32 (1) Der Lotsenbrüderschaft obliegt es insbesondere, 1. die Erfüllung der Berufspflichten zu überwachen; 2. die Ausbildung und Fortbildung der Seelotsen zu fördern; 3. durch eine Börtordnung die Dienstfolge zu regeln; 4. Bestimmungen über den inneren Dienstbetrieb zu treffen; 5. auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern zu vermitteln; 6. Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen; 7. die Aufsichtsbehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben auf dem Gebiet des Seelotswesens zu beraten und durch die notwendige Berichterstattung zu unterstützen; 8. die Lotsgelder für Rechnung der Seelotsen einzunehmen; 9. von den eingenommenen Lotsgeldern die nach § 39 notwendigen Beträge, die Leistungen für die Versorgung der Seelotsen und im Falle des § 33 Abs. 2 die Beiträge für die Rücklage einzubehalten sowie den Rest der Lotsgelder nach Maßgabe einer Verteilungsordnung an die Seelotsen zu verteilen. (2) Die Börtordnung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. (3) Die Verteilungsordnung hat die Anteile des Seelotsen für den Fall einer Erkrankung oder einer vorläufigen Untersagung der Berufsausübung zu regeln. Sie kann dabei von der sonst vorgesehenen Verteilung abweichen. § 33 (1) Nach näherer Bestimmung der Lotsordnung kann der Lotsenbrüderschaft mit deren Zustimmung ferner die Vorhaltung oder der Betrieb von Lotseinrichtungen (feste und -schwimmende Lotsenstationen, Versetz- und Zubringerfahrzeuge) übertragen werden. (2) Ist der Lotsenbrüderschaft die Vorhaltung von Lotseinrichtungen übertragen, so kann die Lotsordnung Bestimmungen über die Bildung einer Rücklage treffen, die zur Deckung der damit verbundenen außerordentlichen Aufwendungen und zur Erneuerung der Lotseinrichtungen dient. Beschaffen die Seelotsen in diesem Falle Lotseinrichtungen aus eigenen Mitteln, so können sie sich zum Erwerb der Einrichtungen in einer besonderen juristischen Person zusammenschließen. § 34 (1) Der Sitz und die Verfassung der Lotsenbrüderschaft werden im Rahmen der folgenden Vorschriften durch die Satzung bestimmt. (2) Die Satzung wird von den Mitgliedern durch mündliche oder schriftliche Erklärung beschlossen. Zu dem Beschluß ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder erforderlich. Die Satzung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Sie ist im Verkehrsblatt zu veröffentlichen. (3) Kommt eine genehmigungsfähige Satzung nicht zustande, so kann die Aufsichtsbehörde nach Ablauf einer von ihr gesetzten Frist eine vorläufige Satzung in Kraft setzen. § 35 (1) Organe der Lotsenbrüderschaft sind der Ältermann und die Mitgliederversammlung. (2) Die Satzung kann vorsehen, daß neben dem Ältermann für bestimmte Aufgabengebiete besondere Beauftragte zu bestellen sind. § 36 (1) Der Ältermann vertritt die Lotsenbrüderschaft gerichtlich und außergerichtlich. Der Umfang seiner Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. (2) Der Ältermann und sein Stellvertreter werden durch die Mitgliederversammlung auf die Dauer von drei Jahren gewählt. (3) Die Wahl bedarf der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Bestätigung kann nur aus wichtigem Grund versagt werden. Nr. 21 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 18. Oktober 1954 1039 (4) Ist ein Ältermann noch nicht gewählt, so ist in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels von der Aufsichtsbehörde ein Ältermann zu bestellen. (5) Die Aufsichtsbehörde und die Mitgliederversammlung können im gegenseitigen Einvernehmen den Ältermann aus wichtigem Grund vorzeitig abberufen. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so entscheidet der Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der Bundeslotsenkammer. § 37 Die Angelegenheiten der Lotsenbrüderschaft werden, soweit sie nicht vom Ältermann oder einem anderen satzungsmäßig berufenen Vertreter zu besorgen sind, durch Beschluß der Mitglieder geordnet. § 38 Ein Mitglied ist. nicht stimmberechtigt, wenn der Beschluß die Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites zwischen ihm und der Lotsenbrüderschaft betrifft. § 39 Die Verwaltungsausgaben der Lotsenbrüderschaft und die etwaigen Kosten der für die Berufsausübung ihrer Mitglieder erforderlichen Lotseinrichtungen werden von den Mitgliedern anteilsmäßig getragen. § 40 Werden bestehende Reviere vereinigt oder aufgehoben, so entscheidender Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der Bundeslotsenkammer durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates über die Vereinigung oder Auflösung der Lotsenbrüderschaften. Die Rechtsverordnung regelt auch die Einzelheiten der Vereinigung. Im Falle der Auflösung sind die Vorschriften der §§ 48 bis 53 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Abwicklung entsprechend anzuwenden. 5. Bundeslotsenkammer § 41 (1) Die Lotsenbrüderschaften bilden die Bundeslotsenkammer. Die Bundeslotsenkammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts,- ihren Sitz bestimmt die Mitgliederversammlung. (2) Der Bundesminister für Verkehr führt die Aufsicht über die Bundeslotsenkammer. § 42 (1) Die Bundeslotsenkammer hat die ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen. (2) Der Bundeslotsenkammer obliegt es insbesondere, 1. in Fragen, welche die Gesamtheit der Lotsenbrüderschaften angehen, deren Auffassung zu ermitteln; 2. die Gesamtheit der Lotsenbrüderschaften gegenüber Behörden und Organisationen zu vertreten; 3. an der Gesetzgebung, soweit.das Seelotswesen berührt wird, gutachtlich mitzuarbeiten; 4. Gutachten zu erstatten, die eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht in Angelegenheiten des Lotswesens anfordert; 5. auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Lotsenbrüderschaften oder Mitgliedern verschiedener Brüderschaften zu vermitteln. § 43 Die Verfassung der Bundeslotsenkammer wird im Rahmen der folgenden Vorschriften durch die Satzung bestimmt. Die Vorschriften des § 34 Abs. 2 und 3 sind entsprechend anzuwenden. § 44 (1) Organe der Bundeslotsenkammer sind der Vorsitzende und die Mitgliederversammlung. (2) Die Lotsenbrüderschaften werden in der Mitgliederversammlung durch ihre Ältermänner vertreten. Jede Brüderschaft hat mindestens eine Stimme; Brüderschaften mit mehr als einhundert Mitgliedern haben zwei Stimmen. (3) Die Satzung kann vorsehen, daß neben dem Vorsitzenden für bestimmte Angelegenheiten besondere Beauftragte zu bestellen sind. . § 45 (1) Der Vorsitzende der Bundeslotsenkammer und sein Stellvertreter werden aus der Reihe der Seelotsen von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Sie können von der Mitgliederversammlung vorzeitig nur aus wichtigem Grund abberufen werden. (2) Die Wahl bedarf der Bestätigung durch den Bundesminister für Verkehr. Nur aus wichtigem Grund kann die Bestätigung versagt oder vorzeitig widerrufen werden. (3) Die Vorschriften des § 36 Abs. 1 und 4 sind auf die Bundeslotsenkammer sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Aufsichtsbehörde der Bundesminister für Verkehr tritt. § 46 (1) Die Angelegenheiten der Bundeslotsenkammer werden, soweit sie nicht vom Vorsitzenden oder einem anderen satzungsmäßig berufenen Vertreter zu besorgen sind, durch Beschluß der Mitglieder geordnet. (2) Der Vorsitzende ist in der Mitgliederversammlung stimmberechtigt. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag. (3) Die Vorschriften des § 38 sind auf die Mitglieder der Bundeslotsenkammer sinngemäß anzuwenden. (4) Bei Beratungen, die gemeinsame Angelegenheiten aller Reviere oder des gesamten Lotswesens zum Gegenstand haben, müssen auch die im Dienst des Bundes stehenden Seelotsen stimmberechtigt vertreten sein. Die Zahl der Vertreter wird vom 1040 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1954, Teil II Bundesminister für Verkehr bestimmt. Dabei ist die Zahl der im Dienst des Bundes stehenden Seelotsen und der Reviere, für die sie eingesetzt sind, zu berücksichtigen. Die Vertreter werden von den im Dienst des Bundes stehenden Seelotsen mit einfacher Stimmenmehrheit für die Dauer von drei Jahren gewählt. § 47 Die Mitgliederversammlung stellt den Betrag fest, der zur Deckung des persönlichen und sachlichen Bedarfs erforderlich ist. Die Lotsenbrüderschaften haben im Verhältnis ihrer Mitgliederzahl die hierfür erforderlichen Beiträge zu leisten. 6. Aufsichtsmaßnahmen § 48 (1) Die Aufsichtsbehörde kann die Lotsenbrüderschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben unter Fristsetzung anhalten. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann sie auf Kosten der Lotsenbrüderschaft die Aufgaben selbst durchführen oder die Durchführung Dritten übertragen. (2) Der Beschluß über die zu treffenden Maßnahmen ist zu begründen und der Lotsenbrüderschaft zuzustellen. DRITTER ABSCHNITT Lotswesen außerhalb der Reviere § 49 Der Erlaubnis bedarf, wer über See oder auf einer Seeschiffahrtstraße, die nicht zu den Lotsrevieren gehört, die Tätigkeit eines Seelotsen gewerbsmäßig ausüben will. § 50 (1) Die Erlaubnis wird von der Aufsichtsbehörde erteilt, wenn der Antragsteller die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 erfüllt und die erforderliche Kenntnis der Fahrtstrecken oder Seegebiete, auf denen er sein Gewerbe ausüben will, in einer vor der Aufsichtsbehörde abzulegenden Prüfung nachweist. (2) Für einzelne Fahrtgebiete kann der Bundesminister für Verkehr durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates an den Grad des Befähigungszeugnisses geringere Anforderungen stellen. § 51 Die Vorschriften der §§ 16 bis 18, 20, 23 Abs. 1 und des § 24 sind auf die Erlaubnis, die Vorschriften der §§ 26, 27 und 29 auf die Pflichten des Seelotsen anzuwenden. Die Vorschriften des § 14 Abs. 1, der §§ 19, 28 Abs. 1 und des § 30 sind sinngemäß anzuwenden. § 52 Vereinbarungen von Seelotsen, durch die das Lotswesen bestimmter Fahrtgebiete geordnet wird, bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. § 53 Der Bundesminister für Verkehr kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Höhe der Entgelte für die Leistungen der Seelotsen im Sinne dieses Abschnitts von seiner Genehmigung abhängig machen oder selbst festsetzen. VIERTER ABSCHNITT Zuwiderhandlungen § 54 (1) Wer als Schiffsführer der auf Grund einer Lotsordnung bestehenden Verpflichtung zur Annahme eines Lotsen nicht nachkommt, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer auf einem Schiff, dessen Führer zur Annahme eines Seelotsen verpflichtet ist, die beratende Tätigkeit des Seelotsen behindert. § 55 Wer unbefugt auf Revieren die Tätigkeit eines Seelotsen ausübt, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist auf Geldstrafe zu erkennen. § 56 (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. das Gewerbe eines Seelotsen im Sinne des Dritten Abschnitts der Vorschrift des § 49 zuwider ohne Erlaubnis betreibt; 2. als Seelotse vorsätzlich oder fahrlässig den ihm nach der Börtordnung obliegenden Dienst nicht wahrnimmt oder entgegen der Vorschrift des § 28 vorzeitig beendet; 3. als Seelotse die nach § 30 vorgeschriebenen Mitteilungen oder Anzeigen unterläßt; 4. als Seelotse andere als die nach § 53 genehmigten oder festgesetzten Entgelte fordert; 5. der nach § 58 Nr. 4 erlassenen Lotsensignal-ordnung zuwiderhandelt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 73 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Aufsichtsbehörde. Die Befugnisse der obersten Verwaltungsbehörde nach § 66 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten werden vom Bundesminister für Verkehr wahrgenommen. FÜNFTER ABSCHNITT Übergangs- und Schlußbestimmuiigen § 57 (1) Nach den bisherigen Vorschriften erteilte Genehmigungen zur Ausübung des Lotsenberufes gelten für Fahrtstrecken, die nach diesem Gesetz zu Revieren bestimmt werden, als Bestallungen, im übrigen als Erlaubnisse im Sinne des Dritten Abschnitts fort. Nr. 21 – Tag der Ausgabe: Bonn, den 18. Oktober 1954 1041 (2) Hat der Seelotse das siebzigste Lebensjahr bereits vollendet, so erlischt die Bestallung mit Ablauf des dritten Monats, der auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgt. § 58 Der Bundesminister für Verkehr wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen über 1. die Lotsenausweise; 2. die Anforderungen an die nach diesem Gesetz vorgesdiriebenen vertrauensärztlichen Untersuchungen; 3. den Umfang der vorgeschriebenen Ausbildung und Prüfungen sowie das Verfahren bei Abnahme der Prüfungen; 4. die Signale, mit denen die Schiffsführung einen Seelotsen anfordern kann. § 59 (1) In § 6 der Gewerbeordnung werden nach den Worten "öffentlicher Fähren" ein Beistrich und die Worte "das Seelotswesen" eingefügt. (2) Das Handelsgesetzbuch wird wie folgt geändert: 1. § 485 Satz 1 erhält folgende Fassung: "Der Reeder ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Seelotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt." 2. In § 486 Nr. 3 werden nach dem Wort "Schiffsbesatzung" die Worte "oder eines an Bord tätigen Seelotsen" eingefügt. § 60 Bis zum Erlaß von Lots- und Lotstarifordnungen nach § 6 bleiben die Vorschriften über das Lotswesen der einzelnen Reviere in Kraft, soweit sie nicht diesem Gesetz widersprechen. § 61 Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund der in diesem Gesetz enthalteneu Ermächtigungen erlassen werden, gelten im Land~Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. § 62 Dieses Gesetz tritt einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Bonn, den 13. Oktober 1954. Der Bundespräsident Theodor Heuss Der Bundeskanzler Adenauer Der Bundesminister für Verkehr Seebohm