Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2022  Nr. 49 vom 13.12.2022  - Seite 2235 bis 2236 - Zweites Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes

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Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 13. Dezember 2022 2235 Zweites Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes Vom 8. Dezember 2022 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlos sen: Artikel 1 Das (BGBl. setzes ändert Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Ge vom 4. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2150) ge worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Die Angabe zum 2. Abschnitt wird wie folgt ge fasst: ,,2. Abschnitt ­ Koordinierung und Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit in besonderen Lagen". b) Nach der Angabe zu § 5b wird folgende Angabe zu § 5c eingefügt: ,,§ 5c Verfahren bei aufgrund einer übertragba ren Krankheit nicht ausreichend vorhan denen überlebenswichtigen intensivmedi zinischen Behandlungskapazitäten". 2. Die Überschrift des 2. Abschnittes wird wie folgt ge fasst: ,,2. Abschnitt Koordinierung und Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit in besonderen Lagen". 3. Nach § 5b wird folgender § 5c eingefügt: ,,§ 5c Verfahren bei aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandenen überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten (1) Niemand darf bei einer ärztlichen Entschei dung über die Zuteilung aufgrund einer übertrag baren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behand lungskapazitäten (Zuteilungsentscheidung) benach teiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Be hinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuel len Orientierung. Überlebenswichtige intensivmedi zinische Behandlungskapazitäten sind im Sinne des Satzes 1 in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden, wenn 1. der überlebenswichtige intensivmedizinische Be handlungsbedarf der Patientinnen und Patienten des Krankenhauses mit den dort vorhandenen überlebenswichtigen intensivmedizinischen Be handlungskapazitäten nicht gedeckt werden kann und 2. eine anderweitige intensivmedizinische Behand lung der betroffenen Patientinnen und Patienten nicht möglich ist, insbesondere, weil eine Ver legung nicht in Betracht kommt a) aus gesundheitlichen Gründen oder b) da die regionalen und überregionalen intensiv medizinischen Behandlungskapazitäten nach den dem Krankenhaus vorliegenden Erkennt nissen ausgeschöpft sind. (2) Eine Zuteilungsentscheidung darf nur auf grund der aktuellen und kurzfristigen Überlebens wahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten getroffen werden. Komorbiditäten dürfen bei der Beurteilung der aktuellen und kurz fristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nur berück sichtigt werden, soweit sie aufgrund ihrer Schwere oder Kombination die auf die aktuelle Krankheit be zogene kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich verringern. Kriterien, die sich auf die ak tuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit nicht auswirken, wie insbesondere eine Behin derung, das Alter, die verbleibende mittel- oder langfristige Lebenserwartung, der Grad der Ge brechlichkeit und die Lebensqualität, dürfen bei der Beurteilung der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nicht berücksichtigt werden. Bereits zugeteilte überlebenswichtige in tensivmedizinische Behandlungskapazitäten sind von der Zuteilungsentscheidung ausgenommen. (3) Die Zuteilungsentscheidung ist einvernehm lich von zwei Ärztinnen oder Ärzten zu treffen, die 1. Fachärztinnen oder Fachärzte sind, 2. im Bereich Intensivmedizin praktizieren, 3. über mehrjährige Erfahrung im Bereich Intensiv medizin verfügen und 4. die von der Zuteilungsentscheidung betroffenen Patientinnen und Patienten unabhängig von einander begutachtet haben. Besteht kein Einvernehmen, sind die von der Zutei lungsentscheidung betroffenen Patientinnen und Patienten von einer weiteren gleich qualifizierten Ärztin oder einem weiteren gleich qualifizierten Arzt zu begutachten und ist die Zuteilungsentscheidung mehrheitlich zu treffen. Von den an der Zuteilungs entscheidung beteiligten Ärztinnen und Ärzten darf nur eine Ärztin oder ein Arzt in die unmittelbare Behandlung der von der Zuteilungsentscheidung betroffenen Patientinnen oder Patienten eingebun den sein. Ist eine Patientin oder ein Patient mit einer Behinderung oder einer Komorbidität von der Zutei lungsentscheidung betroffen, muss die Einschät zung einer hinzuzuziehenden Person berücksichtigt werden, durch deren Fachexpertise den besonde 2236 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 13. Dezember 2022 ren Belangen dieser Patientin oder dieses Patienten Rechnung getragen werden kann. Die Begutach tung der von der Zuteilungsentscheidung betroffe nen Patientinnen und Patienten, die Mitwirkung an der Zuteilungsentscheidung sowie die Hinzuziehung nach Satz 4 kann in Form einer telemedizinischen Konsultation erfolgen. (4) Die oder der im Zeitpunkt der Zuteilungsent scheidung für die Behandlung der betroffenen Pa tientinnen und Patienten verantwortliche Ärztin oder Arzt hat Folgendes zu dokumentieren: 1. die der Zuteilungsentscheidung zugrunde geleg ten Umstände sowie 2. welche Personen an der Zuteilungsentscheidung mitgewirkt haben und hinzugezogen wurden und wie sie abgestimmt oder Stellung genommen ha ben. Die §§ 630f und 630g des Bürgerlichen Gesetz buchs finden entsprechende Anwendung. (5) Krankenhäuser mit intensivmedizinischen Be handlungskapazitäten sind verpflichtet, in einer Ver fahrensanweisung mindestens Folgendes festzule gen: 1. ein Verfahren zur Benennung der Ärztinnen und Ärzte, die für die Mitwirkung an der Zuteilungs entscheidung zuständig sind, und 2. die organisatorische Umsetzung der Entschei dungsabläufe nach Absatz 3. Sie haben die Einhaltung der Verfahrensanweisung sicherzustellen und müssen die Verfahrensanwei sungen mindestens einmal im Jahr auf Weiterent wicklungsbedarf überprüfen und anpassen. (6) Krankenhäuser sind verpflichtet, eine Zutei lungsentscheidung unverzüglich der für die Kran kenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzu zeigen und ihr mitzuteilen, weshalb im Zeitpunkt der Zuteilungsentscheidung überlebenswichtige inten sivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht aus reichend vorhanden waren, um die für die Kranken hausplanung zuständige Landesbehörde in die Lage zu versetzen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig zu werden. (7) Das Bundesministerium für Gesundheit be auftragt innerhalb von sechs Monaten, nachdem erstmals einer für die Krankenhausplanung zustän digen Landesbehörde eine Zuteilungsentscheidung angezeigt wurde, spätestens jedoch bis zum 31. De zember 2025, eine externe Evaluation dieser Vor schrift. Gegenstand der Evaluation sind insbeson dere 1. die Erreichung der Ziele, Vorkehrungen zum Schutz vor Diskriminierung zu schaffen und Rechtssicherheit für die handelnden Ärztinnen und Ärzte zu gewährleisten, und 2. die Auswirkungen der Vorschrift und der nach Absatz 5 Satz 1 zu erstellenden Verfahrensan weisungen auf die medizinische Praxis unter Be rücksichtigung der praktischen Umsetzbarkeit. Die Evaluation wird interdisziplinär insbesondere auf Grundlage rechtlicher, medizinischer und ethischer Erkenntnisse durch unabhängige Sachverständige durchgeführt, die jeweils zur Hälfte von dem Bun desministerium für Gesundheit und dem Deutschen Bundestag benannt werden. Die Sachverständigen haben bundesweite Verbände, Fachkreise und Selbstvertretungsorganisationen, deren Belange von der Vorschrift besonders berührt sind, ange messen zu beteiligen. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt dem Deutschen Bundestag spätestens ein Jahr nach der Beauftragung das Er gebnis der Evaluation sowie eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit zu diesem Ergebnis." Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 8. Dezember 2022 Der Bundespräsident Steinmeier Der Bundeskanzler Olaf Scholz Der Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach