2126-13
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 13. Dezember 2022
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Zweites Gesetz
zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Vom 8. Dezember 2022
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlos
sen:
Artikel 1
Das
(BGBl.
setzes
ändert
Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000
I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Ge
vom 4. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2150) ge
worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
a) Die Angabe zum 2. Abschnitt wird wie folgt ge
fasst:
,,2. Abschnitt
Koordinierung und Sicherstellung der
öffentlichen Gesundheit in besonderen Lagen".
b) Nach der Angabe zu § 5b wird folgende Angabe
zu § 5c eingefügt:
,,§ 5c Verfahren bei aufgrund einer übertragba
ren Krankheit nicht ausreichend vorhan
denen überlebenswichtigen intensivmedi
zinischen Behandlungskapazitäten".
2. Die Überschrift des 2. Abschnittes wird wie folgt ge
fasst:
,,2. Abschnitt
Koordinierung und Sicherstellung der
öffentlichen Gesundheit in besonderen Lagen".
3. Nach § 5b wird folgender § 5c eingefügt:
,,§ 5c
Verfahren bei aufgrund einer
übertragbaren Krankheit nicht ausreichend
vorhandenen überlebenswichtigen
intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten
(1) Niemand darf bei einer ärztlichen Entschei
dung über die Zuteilung aufgrund einer übertrag
baren Krankheit nicht ausreichend vorhandener
überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behand
lungskapazitäten (Zuteilungsentscheidung) benach
teiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Be
hinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des
Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder
Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuel
len Orientierung. Überlebenswichtige intensivmedi
zinische Behandlungskapazitäten sind im Sinne des
Satzes 1 in einem Krankenhaus nicht ausreichend
vorhanden, wenn
1. der überlebenswichtige intensivmedizinische Be
handlungsbedarf der Patientinnen und Patienten
des Krankenhauses mit den dort vorhandenen
überlebenswichtigen intensivmedizinischen Be
handlungskapazitäten nicht gedeckt werden
kann und
2. eine anderweitige intensivmedizinische Behand
lung der betroffenen Patientinnen und Patienten
nicht möglich ist, insbesondere, weil eine Ver
legung nicht in Betracht kommt
a) aus gesundheitlichen Gründen oder
b) da die regionalen und überregionalen intensiv
medizinischen Behandlungskapazitäten nach
den dem Krankenhaus vorliegenden Erkennt
nissen ausgeschöpft sind.
(2) Eine Zuteilungsentscheidung darf nur auf
grund der aktuellen und kurzfristigen Überlebens
wahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen
und Patienten getroffen werden. Komorbiditäten
dürfen bei der Beurteilung der aktuellen und kurz
fristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nur berück
sichtigt werden, soweit sie aufgrund ihrer Schwere
oder Kombination die auf die aktuelle Krankheit be
zogene kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit
erheblich verringern. Kriterien, die sich auf die ak
tuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit
nicht auswirken, wie insbesondere eine Behin
derung, das Alter, die verbleibende mittel- oder
langfristige Lebenserwartung, der Grad der Ge
brechlichkeit und die Lebensqualität, dürfen bei
der Beurteilung der aktuellen und kurzfristigen
Überlebenswahrscheinlichkeit nicht berücksichtigt
werden. Bereits zugeteilte überlebenswichtige in
tensivmedizinische Behandlungskapazitäten sind
von der Zuteilungsentscheidung ausgenommen.
(3) Die Zuteilungsentscheidung ist einvernehm
lich von zwei Ärztinnen oder Ärzten zu treffen, die
1. Fachärztinnen oder Fachärzte sind,
2. im Bereich Intensivmedizin praktizieren,
3. über mehrjährige Erfahrung im Bereich Intensiv
medizin verfügen und
4. die von der Zuteilungsentscheidung betroffenen
Patientinnen und Patienten unabhängig von
einander begutachtet haben.
Besteht kein Einvernehmen, sind die von der Zutei
lungsentscheidung betroffenen Patientinnen und
Patienten von einer weiteren gleich qualifizierten
Ärztin oder einem weiteren gleich qualifizierten Arzt
zu begutachten und ist die Zuteilungsentscheidung
mehrheitlich zu treffen. Von den an der Zuteilungs
entscheidung beteiligten Ärztinnen und Ärzten darf
nur eine Ärztin oder ein Arzt in die unmittelbare
Behandlung der von der Zuteilungsentscheidung
betroffenen Patientinnen oder Patienten eingebun
den sein. Ist eine Patientin oder ein Patient mit einer
Behinderung oder einer Komorbidität von der Zutei
lungsentscheidung betroffen, muss die Einschät
zung einer hinzuzuziehenden Person berücksichtigt
werden, durch deren Fachexpertise den besonde
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ren Belangen dieser Patientin oder dieses Patienten
Rechnung getragen werden kann. Die Begutach
tung der von der Zuteilungsentscheidung betroffe
nen Patientinnen und Patienten, die Mitwirkung an
der Zuteilungsentscheidung sowie die Hinzuziehung
nach Satz 4 kann in Form einer telemedizinischen
Konsultation erfolgen.
(4) Die oder der im Zeitpunkt der Zuteilungsent
scheidung für die Behandlung der betroffenen Pa
tientinnen und Patienten verantwortliche Ärztin oder
Arzt hat Folgendes zu dokumentieren:
1. die der Zuteilungsentscheidung zugrunde geleg
ten Umstände sowie
2. welche Personen an der Zuteilungsentscheidung
mitgewirkt haben und hinzugezogen wurden und
wie sie abgestimmt oder Stellung genommen ha
ben.
Die §§ 630f und 630g des Bürgerlichen Gesetz
buchs finden entsprechende Anwendung.
(5) Krankenhäuser mit intensivmedizinischen Be
handlungskapazitäten sind verpflichtet, in einer Ver
fahrensanweisung mindestens Folgendes festzule
gen:
1. ein Verfahren zur Benennung der Ärztinnen und
Ärzte, die für die Mitwirkung an der Zuteilungs
entscheidung zuständig sind, und
2. die organisatorische Umsetzung der Entschei
dungsabläufe nach Absatz 3.
Sie haben die Einhaltung der Verfahrensanweisung
sicherzustellen und müssen die Verfahrensanwei
sungen mindestens einmal im Jahr auf Weiterent
wicklungsbedarf überprüfen und anpassen.
(6) Krankenhäuser sind verpflichtet, eine Zutei
lungsentscheidung unverzüglich der für die Kran
kenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzu
zeigen und ihr mitzuteilen, weshalb im Zeitpunkt der
Zuteilungsentscheidung überlebenswichtige inten
sivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht aus
reichend vorhanden waren, um die für die Kranken
hausplanung zuständige Landesbehörde in die Lage
zu versetzen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig zu
werden.
(7) Das Bundesministerium für Gesundheit be
auftragt innerhalb von sechs Monaten, nachdem
erstmals einer für die Krankenhausplanung zustän
digen Landesbehörde eine Zuteilungsentscheidung
angezeigt wurde, spätestens jedoch bis zum 31. De
zember 2025, eine externe Evaluation dieser Vor
schrift. Gegenstand der Evaluation sind insbeson
dere
1. die Erreichung der Ziele, Vorkehrungen zum
Schutz vor Diskriminierung zu schaffen und
Rechtssicherheit für die handelnden Ärztinnen
und Ärzte zu gewährleisten, und
2. die Auswirkungen der Vorschrift und der nach
Absatz 5 Satz 1 zu erstellenden Verfahrensan
weisungen auf die medizinische Praxis unter Be
rücksichtigung der praktischen Umsetzbarkeit.
Die Evaluation wird interdisziplinär insbesondere auf
Grundlage rechtlicher, medizinischer und ethischer
Erkenntnisse durch unabhängige Sachverständige
durchgeführt, die jeweils zur Hälfte von dem Bun
desministerium für Gesundheit und dem Deutschen
Bundestag benannt werden. Die Sachverständigen
haben bundesweite Verbände, Fachkreise und
Selbstvertretungsorganisationen, deren Belange
von der Vorschrift besonders berührt sind, ange
messen zu beteiligen. Das Bundesministerium für
Gesundheit übermittelt dem Deutschen Bundestag
spätestens ein Jahr nach der Beauftragung das Er
gebnis der Evaluation sowie eine Stellungnahme
des Bundesministeriums für Gesundheit zu diesem
Ergebnis."
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in
Kraft.
Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates
sind gewahrt.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt.
Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
Berlin, den 8. Dezember 2022
Der Bundespräsident
Steinmeier
Der Bundeskanzler
Olaf Scholz
Der Bundesminister für Gesundheit
Karl Lauterbach