Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil I  2019  Nr. 23 vom 27.06.2019  - Seite 840 bis 843 - Gesetz zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen

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840 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 27. Juni 2019 Gesetz zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen Vom 19. Juni 2019 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Strafvollzugsgesetzes 3. Nach § 121 werden die folgenden §§ 121a und 121b eingefügt: ,,§ 121a Gerichtliche Zuständigkeit bei dem Richtervorbehalt unterliegenden Maßnahmen (1) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. (2) Unterhält ein Land eine Anstalt, in der Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung vollzogen werden, auf dem Gebiet eines anderen Landes, so können die beteiligten Länder vereinbaren, dass für gerichtliche Entscheidungen im Sinne des Absatzes 1 das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Anstalt zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. § 121b Gerichtliches Verfahren bei dem Richtervorbehalt unterliegenden Maßnahmen (1) Das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 121a richtet sich nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die für Unterbringungssachen nach § 312 Nummer 4 des Gesetzes über Das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2571) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Der Angabe des Vierzehnten Titels des Zweiten Abschnitts werden die Wörter ,,und gerichtliches Verfahren" angefügt. b) Nach der Angabe zu § 121 werden die folgenden Angaben eingefügt: ,,§ 121a Gerichtliche Zuständigkeit bei dem Richtervorbehalt unterliegenden Maßnahmen § 121b Gerichtliches Verfahren bei dem Richtervorbehalt unterliegenden Maßnahmen". c) Nach der Angabe zu § 171 wird folgende Angabe eingefügt: ,,§ 171a Fixierung". 2. Der Überschrift des Vierzehnten Titels des Zweiten Abschnitts werden die Wörter ,,und gerichtliches Verfahren" angefügt. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 27. Juni 2019 841 das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwendenden Bestimmungen gelten entsprechend. Über die Beschwerde entscheidet das Landgericht, über die Rechtsbeschwerde der Bundesgerichtshof. (2) Für das Verfahren werden keine Kosten erhoben." 4. Dem § 138 wird folgender Absatz 4 angefügt: ,,(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend." 5. In § 167 wird die Angabe ,,bis 121" durch die Angabe ,,bis 121b, 171a" ersetzt. 6. In § 171 wird die Angabe ,,bis 121," durch die Angabe ,,bis 121b," ersetzt. 7. Nach § 171 wird folgender § 171a eingefügt: ,,§ 171a Fixierung (1) Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit des Gefangenen vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist. (2) Eine absehbar kurzfristige Fixierung wird durch die Anstaltsleitung angeordnet. Bei Gefahr im Verzug können auch andere zuständige Bedienstete der Anstalt die Fixierung vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleitung ist unverzüglich einzuholen. (3) Eine nicht nur kurzfristige Fixierung bedarf der vorherigen Anordnung durch das Gericht. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung der Fixierung durch die Anstaltsleitung oder einen anderen zuständigen Bediensteten der Anstalt getroffen werden. Ein Arzt ist unverzüglich hinzuzuziehen. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich herbeizuführen. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es nicht oder nicht mehr, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird, oder wenn die Fixierung vor der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. (4) Während der Dauer der Fixierung stellt ein Arzt eine angemessene medizinische Überwachung des Gefangenen sicher. Geschulte Vollzugsbedienstete stellen durch ständigen Sicht- und Sprechkontakt die Betreuung des Gefangenen sicher. (5) Die Anordnung, die maßgeblichen Gründe hierfür, ihre Durchsetzung, ihre Dauer und die Art der Überwachung sind durch die Anstalt zu dokumentieren. (6) Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht gerichtlich angeordnet wurde, ist der Gefangene durch den Arzt auf sein Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme beim zu- ständigen Gericht überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen." Artikel 2 Änderung der Strafprozessordnung Dem § 126 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466) geändert worden ist, wird folgender Absatz 5 angefügt: ,,(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend." Artikel 3 Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 18. Juni 2019 (BGBl. I S. 834) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird in den Angaben zu den §§ 310, 329 und 330 jeweils das Wort ,,Unterbringung" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. 2. In § 70 Absatz 3 Satz 2 werden die Wörter ,,die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme" durch die Wörter ,,die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung" ersetzt. 3. In § 104 Absatz 3 werden die Wörter ,,im Fall einer Unterbringung" durch die Wörter ,,in Verfahren" ersetzt. 4. § 151 Nummer 7 wird wie folgt gefasst: ,,7. die Genehmigung oder Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei einem Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder". 5. In § 310 wird in der Überschrift das Wort ,,Unterbringung" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. 6. § 312 wird wie folgt geändert: a) Nummer 4 wird wie folgt gefasst: ,,4. freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei Volljährigen nach 842 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 27. Juni 2019 den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker". b) In dem Satzteil nach Nummer 4 wird nach dem Wort ,,betreffen" das Wort ,,(Unterbringungsmaßnahme)" eingefügt. 7. In § 313 Absatz 3 Satz 1 wird das Wort ,,Unterbringungen" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahmen" ersetzt. 8. § 321 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 3 wird das Wort ,,Unterbringung" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. b) In Absatz 2 werden die Wörter ,,Maßnahme nach § 312 Nr. 2" durch die Wörter ,,freiheitsentziehende Maßnahme nach § 312 Nummer 2 oder 4" ersetzt. 9. In § 327 Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter ,,der Unterbringung" durch die Wörter ,,einer Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. 10. In § 329 wird in der Überschrift und in Absatz 1 Satz 1 jeweils das Wort ,,Unterbringung" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. 11. In § 330 wird in der Überschrift das Wort ,,Unterbringung" durch das Wort ,,Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. 12. In § 331 Satz 1 Nummer 2 werden die Wörter ,,in den Fällen des § 312 Nummer 1, 3 und 4 muss der Arzt, der das ärztliche Zeugnis erstellt, Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben und soll Arzt für Psychiatrie sein," durch die Wörter ,,der Arzt, der das ärztliche Zeugnis ausstellt, soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben; dies gilt nicht für freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 312 Nummer 2 und 4," ersetzt. 13. In § 337 Absatz 2 wird das Wort ,,Unterbringungsantrag" durch das Wort ,,Antrag" ersetzt. 14. In § 339 werden die Wörter ,,der Unterbringung" durch die Wörter ,,einer Unterbringungsmaßnahme" ersetzt. Artikel 4 Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes d) In Satz 5 werden die Wörter ,,das Landgericht gehört" durch die Wörter ,,die Landgerichte gehören" ersetzt. 2. In § 23d Satz 1 wird nach dem Wort ,,Handelssachen" das Wort ,,und" durch ein Komma ersetzt und werden nach dem Wort ,,Gerichtsbarkeit" die Wörter ,,und Entscheidungen über Maßnahmen, die nach den Vollzugsgesetzen der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedürfen" eingefügt. Artikel 5 Änderung des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen Die Anlage 1 (Kostenverzeichnis) des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2666), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2573) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Vorbemerkung 1.3.1 Absatz 1 Nummer 2 wird wie folgt gefasst: ,,2. Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG und". 2. In Nummer 1410 werden in der Anmerkung die Wörter ,,freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen oder eine freiheitsentziehende Maßnahme bei einem Minderjährigen betreffen (§ 151 Nr. 6 und 7 FamFG)" durch die Wörter ,,eine Kindschaftssache nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG betreffen" ersetzt. 3. In Vorbemerkung 2 Absatz 3 Satz 2 werden die Wörter ,,für eine freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen und eine freiheitsentziehende Maßnahme bei einem Minderjährigen (§ 151 Nr. 6 und 7 FamFG)" durch die Wörter ,,für Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG" ersetzt. Artikel 6 Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2573) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. In § 42 Absatz 1 Satz 1 und in § 51 Absatz 1 Satz 1 werden jeweils die Wörter ,,über freiheitsentziehende Unterbringungen und freiheitsentziehende Maßnahmen" gestrichen. 2. Die Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) wird wie folgt geändert: a) In der Gliederung werden bei der Angabe zu Teil 6 Abschnitt 3 die Wörter ,,und in Unterbringungssachen" durch die Wörter ,,,bei Unterbringung und bei sonstigen Zwangsmaßnahmen" ersetzt. b) In der Überschrift zu Teil 6 Abschnitt 3 werden die Wörter ,,und in Unterbringungssachen" durch die Wörter ,,, bei Unterbringung und bei sonstigen Zwangsmaßnahmen" ersetzt. c) In Nummer 6300 werden im Gebührentatbestand die Wörter ,,über eine freiheitsentziehende Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme" gestrichen. Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. § 22c Absatz 1 wird wie folgt geändert: a) In Satz 1 werden nach den Wörtern ,,eines Landgerichts" die Wörter ,,oder mehrerer Landgerichte im Bezirk eines Oberlandesgerichts" eingefügt. b) In Satz 3 werden die Wörter ,,des Landgerichts" durch die Wörter ,,der Landgerichte" ersetzt. c) In Satz 4 werden die Wörter ,,beschließt nach Maßgabe des § 21e das Präsidium des Landgerichts" durch die Wörter ,,beschließen nach Maßgabe des § 21e im Einvernehmen die Präsidien der Landgerichte sowie" ersetzt. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 27. Juni 2019 843 Artikel 7 Änderung des Jugendgerichtsgesetzes § 93 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3295) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst: ,,§ 93 Gerichtliche Zuständigkeit und gerichtliches Verfahren bei Maßnahmen, die der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedürfen Beim Vollzug des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung ist, soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der in Satz 1 genannten Freiheitsentziehung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten § 121b des Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Absatz 1 bis 3 und 5 entsprechend." Artikel 8 Einschränkung eines Grundrechts Durch § 171a des Strafvollzugsgesetzes wird das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes) eingeschränkt. Artikel 9 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 19. Juni 2019 Der Bundespräsident Steinmeier Die Bundeskanzlerin Dr. A n g e l a M e r k e l Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley