Bundesgesetzblatt  Bundesgesetzblatt Teil II  2019  Nr. 8 vom 05.06.2019  - Seite 444 bis 450 - Gesetz zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige

444 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 Gesetz zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige Vom 31. Mai 2019 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Der deutsche Vertreter im Rat darf dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige in der Fassung vom 10. Dezember 2018 zustimmen. Der Vorschlag wird nachstehend veröffentlicht. Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 31. Mai 2019 Der Bundespräsident Steinmeier Die Bundeskanzlerin Dr. A n g e l a M e r k e l Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil Der Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 445 Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige Der Rat der Europäischen Union ­ gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292 in Verbindung mit Artikel 153 und Artikel 352, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Gemäß Artikel 3 EUV sind die Ziele der Union unter anderem, das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern und auf die nachhaltige Entwicklung Europas hinzuarbeiten ­ auf der Grundlage einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt. Die Union bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes. Gemäß Artikel 9 AEUV trägt die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung. Gemäß Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe c AEUV unterstützt und ergänzt die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer. Auf der Grundlage von Artikel 352 AEUV, wonach die Union einen Rechtsakt zur Verwirklichung der in den Verträgen festgelegten Ziele erlassen kann, wenn die Verträge keine hierfür erforderlichen Befugnisse vorsehen, kann die Union auch tätig werden, um Herausforderungen zu bewältigen, die den Zugang selbstständig Erwerbstätiger zu sozialem Schutz betreffen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben in ihrer interinstitutionellen Proklamation vom 17. November 2017 feierlich die europäische Säule sozialer Rechte proklamiert. Gemäß Grundsatz 12 der Säule haben Arbeitnehmer und unter vergleichbaren Bedingungen Selbstständige unabhängig von Art und Dauer ihres Be(8) (5) schäftigungsverhältnisses das Recht auf angemessenen Sozialschutz. Die Sozialpartner haben zugesagt, weiter ihren Beitrag zu einem Europa zu leisten, von dem Arbeitnehmer und Unternehmen profitieren. Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung zu einer europäischen Säule sozialer Rechte den Bedarf für einen adäquaten Sozialschutz und soziale Investitionen während des gesamten Lebens unterstrichen, sodass alle voll an der Gesellschaft und der Wirtschaft teilhaben können und dabei über einen guten Lebensstandard verfügen. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme zur europäischen Säule sozialer Rechte hervorgehoben, dass dafür gesorgt werden muss, dass alle Arbeitnehmer von grundlegenden Arbeitsnormen abgedeckt sind und über einen angemessen Sozialschutz verfügen. Die Sozialschutzsysteme bilden in ihren verschiedenen Formen die Eckpfeiler des europäischen Sozialmodells sowie einer gut funktionierenden sozialen Marktwirtschaft. Der Sozialschutz dient in erster Linie dazu, Menschen gegen die finanziellen Auswirkungen sozialer Risiken wie Krankheit, Alter, Arbeitsunfälle oder Arbeitsplatzverlust abzusichern, Armut vorzubeugen und diese zu lindern und die Aufrechterhaltung eines angemessen Lebensstandards zu ermöglichen. Gut gestaltete Sozialschutzsysteme können auch die Erwerbsbeteiligung fördern, indem der Einzelne bei Übergängen auf dem Arbeitsmarkt durch Beteiligung an Aktivierungsmaßnahmen und bei seiner Rückkehr an eine Arbeitsstelle unterstützt wird, wenn er die Stelle wechselt, in die Erwerbstätigkeit oder Erwerbslosigkeit wechselt, ein Unternehmen gründet oder dieses auflöst. Dadurch dass sie Investitionen in Humankapital fördern und dazu beitragen können, dass Humanressourcen zugunsten aufstrebender, dynamischer Wirtschaftssektoren umverteilt werden, fördern sie Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wachstum. Sie fungieren auch als automatische Stabilisatoren, indem sie den Konsum im Laufe des Konjunkturzyklus gleichmäßiger machen. Sozialschutz kann in Form von Sach- oder Geldleistungen gewährt werden. In der Regel wird er im Wege von kollektiven Systemen gewährt, über die alle Einzelpersonen Schutz erfahren, und wird finanziert durch die allgemeine Besteuerung und/oder im Wege von Systemen, durch die die Menschen auf dem Arbeitsmarkt Schutz erfahren, häufig (6) (7) (2) (3) (4) 446 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 auf der Grundlage von Beiträgen in Abhängigkeit von ihrem Erwerbseinkommen. Der Sozialschutz umfasst mehrere Zweige, die eine große Bandbreite an sozialen Risiken von Alter über Krankheit bis hin zu Arbeitslosigkeit abdecken. Die vorliegende Empfehlung erstreckt sich auf diejenigen Zweige des Sozialschutzes, die oftmals in engerer Verbindung mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt und in erster Linie gegen den Verlust des arbeitsbezogenen Einkommens im Falle eines bestimmten Risikos absichern. Diese Empfehlung findet keine Anwendung auf die Bereitstellung eines Zugangs zu Sozialhilfesystemen oder Mindesteinkommensregelungen. Sie ergänzt auf Unionsebene vorliegende Leitlinien zu Sozialleistungen und Sozialhilfe sowie allgemeiner zur aktiven Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen1. auch die Einnahmen für den Sozialschutz verringern, wenn eine wachsende Zahl von Menschen nicht in die Systeme einzahlt. (14) Arbeitnehmer und Selbstständige können als unter einem bestimmten Sozialschutzzweig formell abgesichert gelten, wenn in den bestehenden Rechtsvorschriften oder dem bestehenden Tarifvertrag festgelegt ist, dass sie Anspruch auf Sozialschutz unter dem betreffenden Zweig des Systems haben. Die formelle Absicherung kann durch ein Pflichtsystem oder ein auf Freiwilligkeit basierendes System erfolgen. Bei Letzteren hat der Einzelne die Möglichkeit, sich dem System aktiv anzuschließen, oder sie erfassen standardmäßig alle Personen der Zielgruppe, die jedoch die Möglichkeit haben, auf Wunsch aktiv aus dem System auszuscheiden. Es ist erwiesen, dass auf Freiwilligkeit basierende Systeme, aus denen man ausscheiden kann, höheren Zuspruch aufweisen und damit eine bessere Absicherung gewährleisten als freiwillige Systeme mit der Möglichkeit, sich aktiv anzuschließen. (15) Arbeitnehmer und Selbstständige können als unter einem bestimmten Sozialschutzzweig tatsächlich abgesichert gelten, wenn sie die Möglichkeit haben, angemessene Leistungsansprüche aufzubauen, und bei Eintreten des entsprechenden Risikos Leistungen in einer bestimmten Höhe in Anspruch nehmen können. Einer Person kann formell Zugang gewährt werden, ohne dass sie tatsächlich Ansprüche auf Leistungen aufbauen und geltend machen kann. (16) Sozialer Schutz gilt dann als angemessen, wenn er derart gestaltet ist, dass die Einzelpersonen einen angemessenen Lebensstandard aufrechterhalten können, dass er ihr Einkommen angemessen ersetzt, dass er ihnen ein würdevolles Leben ermöglicht und dass sie nicht in die Armut abgleiten, während er gegebenenfalls zur Aktivierung beiträgt und eine Rückkehr in die Beschäftigung unterstützt. Bei der Bewertung der Angemessenheit muss das Sozialschutzsystem des Mitgliedstaats insgesamt berücksichtigt werden, es müssen also sämtliche Sozialversicherungsansprüche eines Mitgliedstaats in Betracht gezogen werden. (17) In einigen Mitgliedstaaten sind bestimmte Arten von Arbeitnehmern wie Arbeitnehmer in geringfügiger Teilzeitbeschäftigung, Saisonarbeitnehmer, auf Abruf beschäftigte Arbeitnehmer, über Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer sowie Leiharbeitnehmer und Praktikanten von den Sozialschutzsystemen ausgeschlossen. Darüber hinaus kann es für Arbeitnehmer, die keine unbefristete Vollzeitbeschäftigung ausüben, schwierig sein, einen wirksamen Sozialschutz zu erhalten, weil sie möglicherweise nicht die Anspruchskriterien für den Erhalt von Leistungen aus beitragsbasierten Sozialschutzsystemen erfüllen. Selbstständige sind in einigen Mitgliedstaaten vollständig vom formellen Zugang zu wichtigen Sozialschutzsystemen ausgeschlossen; in anderen Mitgliedstaaten können sie sich den Systemen auf freiwilliger Basis anschließen. Im Falle der Arbeitslosenversicherung, die in engem Zusammenhang mit dem unternehmerischen Risiko steht, kann eine freiwillige Absicherung eine angemessene Lösung sein. Weniger gerechtfertigt ist sie bei anderen Risiken wie Krankheit, die weitgehend losgelöst vom Arbeitsmarktstatus bestehen. (18) Für atypisch Beschäftigte und Selbstständige können sich die Anspruchsregelungen nachteilig auswirken. Insbesondere die Schwellenwerte hinsichtlich Einkommen und Dauer (Beitragszeiten, Wartezeiten, Mindestarbeitszeiten, Dauer der Leistungsgewährung) können einigen Gruppen atypischer Arbeitnehmer und den Selbstständigen den Zugang zum Sozialschutz ungebührlich erschweren. Allgemein können zwei Problemfelder ausgemacht werden: Zunächst können die unterschiedlichen Regelungen für herkömmlich Beschäftigte und atypisch Beschäftigte bzw. Selbstständige dazu führen, dass eine Gruppe unnötigerweise benachteiligt wird; zweitens kann die Anwendung derselben Regelung auf alle Gruppen dazu führen, dass Menschen, die sich nicht in (9) In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Globalisierung, technologische Entwicklungen, Änderungen bei den persönlichen Vorlieben und die Alterung der Bevölkerung Änderungen auf den Arbeitsmärkten in Europa bewirkt und werden dies auch weiterhin tun. Die Beschäftigung wird sich immer stärker diversifizieren und berufliche Laufbahnen werden immer weniger linear verlaufen. (10) Auf den Arbeitsmärkten in der Union bestehen unterschiedliche Arten von Beschäftigungsverhältnissen und selbstständiger Erwerbstätigkeit und unbefristete Vollzeitarbeitsverträge nebeneinander. Einige davon sind auf dem Arbeitsmarkt schon seit Langem bekannt (wie unbefristete oder befristete Arbeitsverträge, Teilzeitarbeit, Hausarbeit oder Praktika); andere sind erst vor Kurzem entstanden und seit den 2000er Jahren immer wichtiger geworden wie Arbeit auf Abruf, Arbeit auf der Grundlage von Gutscheinen, Arbeit auf Plattformen usw. (11) Insbesondere die Gruppe der Selbstständigen ist in sich inhomogen. Die meisten Menschen haben sich freiwillig für die Selbstständigkeit mit oder ohne Angestellte und das Risiko einer Unternehmensgründung entschieden, jeder fünfte Selbstständige hat diesen Weg jedoch gewählt, weil er kein Arbeitsverhältnis als Arbeitnehmer gefunden hat. (12) Mit dem Wandel der Arbeitsmärkte muss auch ein Wandel der Sozialschutzsysteme in ihren verschiedenen Formen einhergehen, damit gewährleistet ist, dass das europäische Sozialmodell zukunftsfähig ist und es den Gesellschaften und Volkswirtschaften in der Union ermöglicht, den größtmöglichen Nutzen aus der künftigen Arbeitswelt zu ziehen. In den meisten Mitgliedstaaten stützen sich die Bestimmungen zur Regelung der Beiträge und Ansprüche in den Sozialschutzsystemen weiterhin weitgehend auf unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitnehmer und einem einzigen Arbeitgeber, während die anderen Arten von Arbeitnehmern und Selbstständige eher am Rande eine Rolle spielen. Es ist erwiesen, dass einige Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und einige Selbstständige nur unzureichenden Zugang zu denjenigen Zweigen des Sozialschutzes haben, die in engerer Verbindung mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt stehen. Nur in wenigen Mitgliedstaaten wurden Reformen eingeleitet, um die Sozialschutzsysteme an die sich ändernden Arbeitsformen anzupassen, damit die betroffenen Arbeitnehmer und Selbstständigen besser geschützt werden. Die Verbesserungen fallen je nach Land und Zweig des Sozialschutzes unterschiedlich aus. (13) Langfristig gesehen können die Lücken beim Zugang zum Sozialschutz Wohl und Gesundheit des Einzelnen gefährden, die wachsende ökonomische Unsicherheit, das Armutsrisiko und die Ungleichheiten verstärken, zu suboptimalen Investitionen in Humankapital führen, das Vertrauen in die Institutionen aushöhlen und das inklusive Wirtschaftswachstum beschneiden. Solche Lücken können 1 Empfehlung der Kommission vom 3. Oktober 2008 zur aktiven Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen (2008/867/EG). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 einem herkömmlichen Beschäftigungsverhältnis befinden, schlechter abschneiden, und möglicherweise eignet sich die Regelung nicht für die Situation Selbstständiger. In beiden Fällen können die Regelungen möglicherweise besser auf die Situation der jeweiligen Gruppe zugeschnitten werden und kann gleichzeitig der Grundsatz der Universalität beibehalten werden, sodass keine Person auf dem Arbeitsmarkt bei Eintreten eines sozialen Risikos ohne Absicherung da steht. Möglicherweise müssen auch spezifische Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass Personen in sich überschneidende Systeme einzahlen, beispielweise wenn sie Nebentätigkeiten ausüben, während sie bereits für ihre Hauptbeschäftigung vollständig abgesichert sind. (19) Die Sozialschutzrechte bleiben nicht immer erhalten und werden nicht immer angehäuft und/oder übertragen, wenn Personen von einem Arbeitsmarktstatus in einen anderen wechseln, beispielweise aus der Arbeitnehmerposition in die Selbstständigkeit oder die Arbeitslosigkeit, wenn sie abhängige Beschäftigung und Selbstständigkeit miteinander verbinden oder ein Unternehmen gründen oder auflösen. Die Wahrung, die Anhäufung und/oder die Übertragbarkeit der Rechte zwischen den Systemen sind allerdings unerlässlich dafür, dass Menschen, die mehrere Beschäftigungen miteinander verbinden oder die Beschäftigung wechseln oder aus der Arbeitnehmerposition in die Selbstständigkeit wechseln oder umgekehrt, wirksamen Zugang zu Leistungen im Rahmen beitragsbasierter Systeme haben und angemessen abgesichert sind, aber auch dafür, dass sie die Menschen im Falle von auf Freiwilligkeit beruhenden Sozialschutzsystemen dazu ermuntern, sich diesen anzuschließen. (20) Die Leistungen sind möglicherweise inadäquat, d. h. unzureichend oder nicht zeitnah genug, um die Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Lebensstandards und ein Leben in Würde zu ermöglichen und das Abgleiten des Einzelnen in die Armut zu verhindern. In diesem Fall besteht möglicherweise Raum für eine Steigerung der Angemessenheit, und gleichzeitig sollte auch auf unterstützende Maßnahmen geachtet werden, mit denen die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit gefördert wird. Die Beitragsregelungen können zur Verzerrung der gleichen Ausgangsbedingungen führen und können sich für einige Kategorien von Arbeitnehmern sowie für Selbstständige nachteilig auswirken. Beispielsweise können die Sozialschutzbeiträge für Selbstständige einkommensunabhängige Beiträge umfassen oder auf der Grundlage der vergangenen Einkünfte oder von Schätzungen des künftigen Einkommens festgesetzt werden. Dies kann beim Einzelnen zu Liquiditätsproblemen führen, wenn sein Einkommen unter die Schätzungen zurückfällt. Wenn ein Mitgliedstaat beschließt, einen Schwellenwert für Einkommen festzulegen, unter dem betroffene Arbeitnehmer oder Selbstständige nicht der Beitragspflicht für eine Sozialversicherung unterliegen, sollten diese Ermäßigungen oder andere Progressivitätsmaßnahmen gegebenenfalls in gleicher Weise bei Arbeitnehmern und Selbstständigen angewandt werden, wobei sie allerdings nicht dazu führen sollten, dass das Einkommen zu niedrig angesetzt wird. Allgemein können Ermäßigungen und andere Progressivitätsmaßnahmen auch dazu genutzt werden, den Übergang zu weniger prekären Formen der Beschäftigung zu fördern und Segmentierung zu bekämpfen. (21) In vielen Mitgliedstaaten können die derzeitige Komplexität der Rechtsvorschriften und die mangelnde Transparenz bei den Sozialschutzregeln die Fähigkeit der Menschen beeinträchtigen, ihre Rechte und Pflichten sowie ihre Möglichkeiten zu deren Ausübung zu kennen. Sie können auch dazu beitragen, dass die Quote der Inanspruchnahme der Sozialschutzsysteme oder der Teilhabe an den Sozialschutzsystemen niedrig ausfällt, insbesondere bei auf Freiwilligkeit beruhenden Sozialschutzsystemen. Transparenz kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden: beispielsweise durch die Übermittlung aktualisierter Informationen 447 über individuelle Ansprüche, das Einrichten von Online-Tools zur Simulierung der Leistungsansprüche, von zentralen On- und Offline-Informationsstellen oder persönlichen On- und Offline-Konten. Digitalisierung kann insbesondere dazu beitragen, die Transparenz für Einzelpersonen zu verbessern. (22) Durch das Fehlen statistischer Daten zur Absicherung durch Sozialschutz, aufgeschlüsselt nach Art des Beschäftigungsverhältnisses, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit, sind möglicherweise die Möglichkeiten eingeschränkt, die Kapazität der Sozialschutzsysteme so auszubauen, dass sie sich der sich wandelnden Arbeitswelt anpassen und auf sie reagieren können. (23) Die Lücken beim Zugang zu Sozialschutz können sich wirtschaftlich und steuerlich in der gesamten Union negativ auswirken. Sie sind für die Mitgliedstaaten ein Thema von gemeinsamem Interesse und stellen potenzielle Hindernisse bei der Umsetzung der Kernziele der Union dar. (24) Im Unionsrecht ist bereits der Grundsatz der Gleichbehandlung verschiedener Arten von Beschäftigungsverhältnissen verankert, jede Form der direkten oder indirekten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf Beschäftigungsfragen, Beruf, Sozialschutz und Zugang zu Waren und Dienstleistungen ist untersagt, es wird die Übertragbarkeit und Wahrung von Rechten bei der Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet und es werden Mindestvorschriften für den Erwerb und die Wahrung von Zusatzrentenansprüchen über die Grenzen hinweg sowie Mindestanforderungen an die Transparenz betrieblicher Vorsorgemodelle gewährleistet. Die vorliegende Empfehlung sollte unbeschadet der Bestimmungen der Richtlinien und Verordnungen gelten, in denen bereits einige Sozialschutzrechte geregelt sind2. 2 Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinigung über Teilzeitarbeit ­ Anhang: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 9), Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175 vom 10.7.1999, S. 43), Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9), Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 vom 28.10.2008, S. 36), Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) (ABl. L 354 vom 23.12.2016, S. 37), Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates (ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1), Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23), Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. L 6 vom 10.1.1979, S. 24), Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37), Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68 vom 18.3.2010, S. 13) und Vorschlag vom 16. April 2017 zur Aufhebung der genannten Richtlinie (COM(2017) 253 final), Richtlinie 93/103/EG des Rates vom 23. November 1993 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bord von Fischereifahrzeugen (13. Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 307 vom 13.12.1993, S. 1), Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1) und Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, COM(2017) 797 final vom 21. Dezember 2017. 448 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 (33) Die Mitgliedstaaten können Interessenträger, einschließlich der Sozialpartner, in die Ausgestaltung der Reformen einbeziehen. (34) Diese Empfehlung sollte unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Sozialschutzsysteme gelten. Die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihrer Sozialschutzsysteme umfasst unter anderem Entscheidungen über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung dieser Systeme und der damit verbundenen Einrichtungen sowie über das Ausmaß, den Inhalt und die Bereitstellung von Leistungen, die Höhe der Beiträge und die Zugangsbedingungen. Unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den nationalen Systemen sollte diese Empfehlung die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, günstigere als die hier vorgeschlagenen Bedingungen für den Sozialschutz beizubehalten oder festzulegen. (35) Diese Empfehlung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Die Empfehlung zielt insbesondere darauf ab, die Anwendung von Artikel 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu fördern. (36) Die finanzielle Tragfähigkeit von Sozialschutzsystemen ist eine unerlässliche Bedingung für ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Effizienz und ihre Wirksamkeit. Die Umsetzung dieser Empfehlung sollte sich nicht nennenswert auf das finanzielle Gleichgewicht der Sozialschutzsysteme der Mitgliedstaaten auswirken ­ hat folgende Empfehlung abgegeben: Ziel und Geltungsbereich (1) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, allen Arbeitnehmern und Selbstständigen in den Mitgliedstaaten Zugang zu einem angemessenen Sozialschutz zu gewähren, und zwar im Einklang mit dieser Empfehlung und unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Sozialschutzsysteme. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, im Einklang mit dieser Empfehlung Mindeststandards für den Sozialschutz der Arbeitnehmer und Selbstständigen einzuführen. Sozialschutz kann im Rahmen einer Kombination verschiedener Systeme gewährt werden, einschließlich staatlich organisierter Systeme oder Systeme, deren Organisation an Sozialpartner oder andere Stellen übertragen ist, im Einklang mit den Grundprinzipien der nationalen Sozialschutzsysteme. Private Versicherungsprodukte fallen nicht in den Geltungsbereich dieser Empfehlung. Gemäß Artikel 153 Absatz 4 AEUV obliegt es den Mitgliedstaaten, die Höhe der Beiträge festzulegen und zu entscheiden, welche Kombination von Systemen angemessen ist. Diese Empfehlung bezieht sich auf das Recht, sich einem System anzuschließen, sowie auf den Aufbau und die Geltendmachung von Ansprüchen. Den Mitgliedstaaten wird insbesondere empfohlen, für alle Arbeitnehmer und Selbstständige Folgendes zu gewährleisten: a) formelle Absicherung b) tatsächliche Absicherung (25) In der Empfehlung 92/442/EWG3 des Rates wurden gemeinsame Ziele im Bereich des sozialen Schutzes benannt und die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, den Aufbau und/oder Ausbau eines angemessenen sozialen Schutzes für Selbstständige zu fördern. Diese gemeinsam definierten Ziele haben den Weg für die offene Methode der Koordinierung in den Bereichen Sozialschutz und soziale Eingliederung bereitet, ein wichtiges Instrument, das es ermöglicht, Definition, Umsetzung und Bewertung der nationalen Rahmen für den Sozialschutz zu unterstützen und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich zu fördern. (26) Im Rahmen des Europäischen Semesters erinnert der Jahreswachstumsbericht 2018 daran, dass eine Verbesserung der Angemessenheit des Sozialschutzes und der Absicherung durch diesen unerlässlich ist, um der sozialen Ausgrenzung vorzubeugen, und mit den Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten für 2018 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Sozialschutzsysteme zu modernisieren. (27) Die Internationale Arbeitsorganisation hat ihren Mitgliedern in ihrer Empfehlung von 2012 betreffend den innerstaatlichen sozialen Basisschutz empfohlen, im Einklang mit den nationalen Gegebenheiten schnellstmöglich einen sozialen Basisschutz, einschließlich Garantien für einen sozialen Basisschutz, einzurichten bzw. diesen aufrechtzuerhalten. (28) Die Kommission hat die Sozialpartner in einer zweistufigen Konsultation4 gemäß Artikel 154 Absatz 2 AEUV zum Zugang zum Sozialschutz für Menschen in allen Beschäftigungsverhältnissen befragt. Das Verfahren des Artikels 154 Absatz 2 AEUV ist für eine Unionsaktion zur Bewältigung der Herausforderungen in Bezug auf Selbstständige auf der Grundlage von Artikel 352 AEUV eigentlich nicht vorgeschrieben. Die Kommission hat die Sozialpartner aufgefordert, sich auf freiwilliger Basis zum Thema Selbstständige zu äußern. (29) Darüber hinaus hat die Kommission eine öffentliche Konsultation durchgeführt, um die Meinung verschiedener Interessenträger sowie der Bürger einzuholen, und sie hat Daten zusammengetragen, um die sozioökonomischen Auswirkungen dieser Empfehlung zu bewerten5. (30) Die Umsetzung dieser Empfehlung sollte weder dazu genutzt werden, die bestehenden Rechte abzubauen, die in den bestehenden einschlägigen Unionsrechtsvorschriften festgelegt sind, noch sollte sie als Rechtfertigung dafür dienen, dass das allgemeine Schutzniveau für Arbeitnehmer in dem von der Empfehlung erfassten Bereich abgesenkt wird. (31) Diese Empfehlung sollte keine administrativen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und dem Ausbau kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) entgegenstehen. Die Mitgliedstaaten sind daher aufgefordert, die Auswirkungen ihrer Reformen auf KMU zu prüfen, um sicherzustellen, dass KMU nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden ­ wobei ein besonderes Augenmerk auf Kleinstunternehmen und auf dem Verwaltungsaufwand liegen sollte ­, und das Ergebnis dieser Prüfung zu veröffentlichen. (32) Diese Empfehlung sollte nicht die Liquidität der Unternehmen (insbesondere von KMU) weiter verschlechtern, wenn deren finanzielle Situation durch verspätete Zahlungen der öffentlichen Behörden beeinträchtigt worden ist. (2) (3) c) Angemessenheit d) Transparenz (4) Diese Empfehlung gilt für Arbeitnehmer und Selbstständige, einschließlich Personen, die vom einen Status zum anderen übergehen bzw. beide gleichzeitig innehaben, sowie für Personen, deren Erwerbstätigkeit aufgrund des Eintretens eines der durch den Sozialschutz abgedeckten Risiken unterbrochen ist. 3 Empfehlung 92/442/EWG des Rates vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes (ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 49). C(2017) 7773. SWD(2018) 70. 4 5 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 (5) Diese Empfehlung gilt für folgende Zweige des Sozialschutzes, soweit diese in den Mitgliedstaaten vorgesehen sind: a) Leistungen bei Arbeitslosigkeit; b) Leistungen bei Krankheit und Gesundheitsleistungen; c) Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft; d) Leistungen bei Invalidität; e) Leistungen bei Alter und Hinterbliebenenleistungen; f) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. (6) (7) Diese Empfehlung gilt nicht für die Gewährung des Zugangs zu Sozialhilfesystemen und Mindesteinkommen. Die in dieser Empfehlung festgelegten Grundsätze der formellen Absicherung, tatsächlichen Absicherung, Angemessenheit und Transparenz gelten für alle Arbeitnehmer und Selbstständigen; es wird jedoch anerkannt, dass für Arbeitnehmer und Selbstständige unterschiedliche Regeln gelten können. Diese Empfehlung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, günstigere als die in dieser Empfehlung vorgeschlagenen Bestimmungen für den Sozialschutz beizubehalten oder festzulegen. Diese Empfehlung beschränkt nicht die Autonomie der Sozialpartner, wo diese für Einrichtung und Verwaltung der Sozialschutzsysteme verantwortlich zeichnen. Begriffsbestimmungen (9) Für die Zwecke dieser Empfehlung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen: a) ,,Art des Beschäftigungsverhältnisses" bezeichnet eine der verschiedenen Arten von Arbeitsverhältnissen zwischen einem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bzw. den Arbeitgebern, welche sich nach Beschäftigungsdauer, Zahl der Arbeitsstunden oder anderen Bedingungen des Beschäftigungsverhältnisses unterscheiden können; b) ,,Arbeitsmarktstatus" bezeichnet den Status einer Person, d. h. erwerbstätig im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses (Arbeitnehmer) oder selbstständig erwerbstätig (Selbstständiger); c) ,,Sozialschutzsystem" bezeichnet einen ausdifferenzierten Rahmen mit Vorschriften, die die Gewährung von Leistungen an anspruchsberechtigte Personen regeln. In den betreffenden Vorschriften sind der persönliche Geltungsbereich des Programms, die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung, die Leistungsart, -höhe, -dauer und andere Leistungsmerkmale sowie Finanzierung (Beiträge, allgemeine Besteuerung, andere Quellen), Governance und Verwaltung des Programms festgelegt; d) ,,Leistung" bezeichnet einen Transfer in Form von Geldoder Sachleistungen vonseiten einer öffentlichen oder privaten Einrichtung an eine Person, die im Rahmen eines Sozialschutzsystems anspruchsberechtigt ist; e) ,,formelle Absicherung" einer Gruppe in einem bestimmten Zweig des Sozialschutzes (z. B. Alter, Arbeitslosigkeit, Mutter-/Vaterschutz) bezeichnet einen Sachverhalt, bei dem die bestehenden Rechtsvorschriften oder Tarifverträge vorsehen, dass die Einzelpersonen dieser Gruppe Anspruch auf Anschluss an ein Sozialschutzsystem im betreffenden Zweig haben; f) ,,tatsächliche Absicherung" einer Gruppe in einem bestimmten Zweig des Sozialschutzes bezeichnet einen Sachverhalt, bei dem die Einzelpersonen dieser Gruppe die Möglichkeit haben, Leistungsansprüche aufzubauen, und bei Eintreten des entsprechenden Risikos Leistungen in einer bestimmten Höhe in Anspruch nehmen können; i) j) 449 g) ,,Wahrung von Rechten" bedeutet, dass im Rahmen vergangener Berufserfahrungen bereits erworbene Rechte nicht verloren gehen, auch wenn sie im Rahmen von Systemen mit anderen Regeln oder unter andersartigen Beschäftigungsverhältnissen erworben wurden; h) ,,Anhäufung von Rechten" bezeichnet die Möglichkeit der Zusammenrechnung aller Ansprüche. Dazu gehört, dass Beitragszeiten, die im Rahmen eines früheren Arbeitsmarktstatus (bzw. gleichzeitig bestehender Arbeitsmarktstatus) zurückgelegt wurden, auf die Beitragszeiten im neuen Status angerechnet werden; ,,Übertragbarkeit" bezeichnet die Möglichkeit, erworbene Ansprüche auf ein anderes System zu übertragen; ,,Transparenz" bezeichnet die Bereitstellung verfügbarer, zugänglicher, umfassender und allgemein verständlicher Informationen über die Vorschriften des Systems und/oder die individuellen Verpflichtungen und Ansprüche für die breite Öffentlichkeit, für Personen, die sich möglicherweise dem System anschließen werden bzw. die dem System bereits angeschlossen sind, sowie für Leistungsempfänger. Formelle Absicherung (10) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, allen Arbeitnehmern und Selbstständigen für alle unter Nummer 5 genannten Zweige Zugang zu einem angemessenen Sozialschutz zu gewähren. Unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten wird empfohlen, dieses Ziel zu erreichen, indem die formelle Absicherung verbessert und a) für alle Arbeitnehmer verpflichtend gemacht wird, und zwar unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses; b) für Selbstständige zumindest auf freiwilliger Basis möglich und gegebenenfalls verpflichtend gemacht wird. Tatsächliche Absicherung (11) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, für alle Arbeitnehmer, unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses, und für die Selbstständigen ­ unter den Voraussetzungen gemäß Nummer 8 ­ eine tatsächliche Absicherung zu gewährleisten; gleichzeitig sollten sie die Tragfähigkeit des Systems wahren und Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorsehen. Zu diesem Zweck sollte Folgendes sichergestellt werden: a) Beitragsregelungen (z. B. Beitragszeiten, Mindestarbeitszeiten) und Anspruchsregelungen (z. B. Wartezeiten, Berechnungsregeln und Leistungsdauer) sollten nicht dazu führen, dass die Möglichkeit des Leistungsaufbaus und -bezugs aufgrund der Art des Beschäftigungsverhältnisses oder des Arbeitsmarktstatus beeinträchtigt wird; b) durch den Arbeitsmarktstatus oder die Art des Beschäftigungsverhältnisses begründete Unterschiede in den Regelungen der Systeme sollten verhältnismäßig sein und der besonderen Situation der Leistungsempfänger Rechnung tragen. (12) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, gemäß den nationalen Gegebenheiten sicherzustellen, dass Ansprüche ungeachtet der Art des Beschäftigungsstatus bzw. des Selbstständigenstatus und über sämtliche Wirtschaftssektoren hinweg gewahrt, angehäuft und/oder übertragen werden können ­ unabhängig davon, ob sie im Rahmen verpflichtender oder freiwilliger Systeme erworben wurden, und zwar während der gesamten beruflichen Laufbahn bzw. während eines bestimmten Bezugszeitraums und zwischen verschiedenen Systemen innerhalb eines bestimmten Zweiges des Sozialschutzes. (8) 450 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil II Nr. 8, ausgegeben zu Bonn am 5. Juni 2019 Angemessenheit auf Unionsebene zu den Themen Arbeitskräfte und Zugang zu Sozialschutz zu verbessern, insbesondere mit Blick auf eine faktengestützte Politikgestaltung im Bereich des Sozialschutzes für neue Formen der Arbeit. In diesem Zusammenhang wird den Mitgliedstaaten empfohlen, sofern möglich bis zum [Datum 24 Monate nach der Veröffentlichung der Empfehlung einsetzen] zuverlässige nationale statistische Daten über den Zugang zu den unterschiedlichen Formen des Sozialschutzes zu erheben und zu veröffentlichen, beispielsweise aufgeschlüsselt nach Arbeitsmarktstatus (Selbstständiger/Arbeitnehmer), Art des Beschäftigungsverhältnisses (befristet/unbefristet, Teilzeit/Vollzeit, neue Arbeitsform/herkömmliches Beschäftigungsverhältnis), Geschlecht und Alter. (20) Die Kommission sollte gemeinsam mit dem Ausschuss für Sozialschutz einen Überwachungsrahmen einrichten und gemeinsame quantitative und qualitative Indikatoren für die Bewertung der Umsetzung dieser Empfehlung bis zum [Datum 12 Monate nach Veröffentlichung der Empfehlung einsetzen] sowie für deren spätere Überprüfung entwickeln. (21) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, die in dieser Empfehlung enthaltenen Grundsätze so bald wie möglich umzusetzen und bis zum [Datum 18 Monate nach Veröffentlichung der Empfehlung] einen Plan mit Informationen über die entsprechenden auf nationaler Ebene zu ergreifenden Maßnahmen vorzulegen. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Pläne sollten mithilfe der multilateralen Überwachungsinstrumente im Einklang mit dem Europäischen Semester und der offenen Koordinierungsmethode auf dem Gebiet der sozialen Eingliederung und des Sozialschutzes erörtert werden. (22) Die Kommission sollte die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung ­ unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen ­ in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und nach Konsultation der betroffenen Interessenträger überprüfen und dem Rat bis zum [Datum 3 Jahre nach Veröffentlichung der Empfehlung einsetzen] Bericht erstatten. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Überprüfung kann die Kommission in Betracht ziehen, weitere Vorschläge vorzulegen. (23) Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Umsetzung dieser Empfehlung durch Maßnahmen flankiert wird, die im Rahmen einschlägiger Programme der Union gefördert werden. (24) Die Kommission sollte das wechselseitige Lernen und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Interessenträgern fördern. (13) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, sicherzustellen, dass die einschlägigen Systeme ihren Mitgliedern im Einklang mit den nationalen Gegebenheiten zeitnah ein angemessenes Schutzniveau bieten, wenn der Versicherungsfall für ein im Rahmen der Sozialschutzsysteme für Arbeitnehmer und Selbstständige versichertes Risiko eintritt; die Systeme sollten die Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Lebensstandards ermöglichen, einen angemessenen Einkommensersatz bieten und stets dafür Sorge tragen, dass die betroffenen Mitglieder nicht in die Armut abgleiten. Bei der Bewertung der Angemessenheit muss das Sozialschutzsystem des Mitgliedstaats als Ganzes berücksichtigt werden. (14) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, sicherzustellen, dass die Beiträge zum Sozialschutz im Verhältnis zur Beitragsfähigkeit von Arbeitnehmern und Selbstständigen stehen. (15) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, sicherzustellen, dass ­ unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten und sofern angebracht ­ alle in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Befreiungen oder Ermäßigungen in Bezug auf die Sozialbeiträge, einschließlich solcher für einkommensschwache Gruppen, für alle Arten von Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsmarktstatus gelten. (16) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, sicherzustellen, dass die Ermittlung der Sozialschutzbeiträge und -ansprüche von Selbstständigen auf einer objektiven und transparenten Bewertung ihrer Einkommensbasis beruht, Einkommensschwankungen berücksichtigt und das tatsächliche Einkommen widerspiegelt. Transparenz (17) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, sicherzustellen, dass die für die einzelnen Sozialschutzsysteme geltenden Bedingungen und Vorschriften transparent sind und dass die Einzelpersonen Zugang zu aktualisierten, umfassenden, leicht zugänglichen, nutzerfreundlichen, allgemein verständlichen und kostenlosen Informationen über ihre jeweiligen Ansprüche und Pflichten erhalten. (18) Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, erforderlichenfalls die administrativen Anforderungen zu vereinfachen, die Sozialschutzsysteme an Arbeitnehmer, Selbstständige und Arbeitgeber ­ insbesondere Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen ­ stellen. Umsetzung, Berichterstattung und Evaluierung (19) Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten gemeinsam daran arbeiten, Umfang und Relevanz der Datenerhebung Geschehen zu Brüssel am Im Namen des Rates Der Präsident